Читать книгу Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker - Страница 16
Die Supermacht und der Kampf gegen Terror
ОглавлениеDie Herrschaft der anderen Supermacht ist nur subtiler. Sie erpresst und unterdrückt nicht so plump und direkt. Sie hält den Schein von Freiheit aufrecht, in der man sich sonnen darf, solange man dem Imperium nicht zu nahekommt. Sie wirkt über die Wirtschaft, die Multis und über die Nato und hat die meisten Stützpunkte überall auf der Welt, mindestens doppelt so viele als irgendein anderer. Es war vermutlich unser Glück, dass unsere Kanzler-Mutti sich gerade mit hinhalten und aussitzen so gut auskannte und auch Erfahrung darin hatte, wie man unter einem machthungrigen Riesen die eigenen Interessen wahrt. Natürlich wirkt man dann nach außen wie eine Marionette. Doch das ist eben so, und so sind halt die Verhältnisse. Vielleicht hat Frau Bundeskanzlerin Merkel mehr dafür getan, den Weltuntergang für uns Deutsche zu verhindern oder zumindest zu verschieben und die Zeit zu dehnen, in der er geschieht, als wir je erfahren werden.
Auf der Weltbühne verfolgen wir seit Jahren ein Kriegsszenario nach dem anderen, doch es gibt auch immer mehr Terroranschläge. Der Krieg gegen den Terror ist, wie gesagt, der einzige Krieg, der nie endet. Er endet nicht, weil kein Land besetzt und kein Gegner besiegt werden kann. Kein Sieg, kein Friedensabkommen. Terroristen können unter uns sein oder sie haben sich in den afghanischen Bergen versteckt. Oder sie sind als Flüchtlinge gekommen und abgetaucht. Doch jeder, der auch nur ein wenig gesunden Menschenverstand und etwas Ahnung von Psychologie hat, weiß mit absoluter Sicherheit, dass genau diese Art der Bekämpfung einer Gruppe oder eines Landes mit militärischen Mitteln einen ständig weiter sprudelnden Quell neuer Terroristen erzeugt! Am ehesten unter den Menschen, deren Kultur oder Religion gerade aufs Korn genommen wurden. Die wachsen nach! Mit der Bekämpfung des Terrors wird sogar der Acker gut gedüngt!
Zumindest die jugendlichen Hitzköpfe wird man immer genügend aufregen können, zum Beispiel mit einem Ehrbegriff und ganz viel Gott oder Perspektivlosigkeit oder Traumatisierung durch Verluste in der Familie - oder auch einfach nur, weil sie das Spiel der Mächtigen durchschauen und etwas tun wollen und ihnen sonst nichts einfällt. Dieses brisante Kochrezept ist perfekt, es wirkt immer. So schaukelt sich die Situation garantiert auf. Das ist eine wundervolle Grundlage für eine ewige Eskalation des Konfliktes auf der Weltbühne. Ein Feuer, das nie erlöscht.
Noch einmal im Klartext: Der Kampf gegen den Terror terrorisiert irgendwo außerhalb des eigenen Landes (und manchmal auch darin) bestimmte Menschengruppen so stark, dass sie die nächste Generation Terroristen stellen werden. Es gibt also keine Nachwuchssorgen. Diesen ewigen Krieg hat Orwell bereits beschrieben, und da diente er einzig der Aufrechterhaltung und Ausweitung der der Macht des großen Bruders. Durch immer neue, 'verbesserte', diktatorischen Maßnahmen wird die Freiheit jedes Einzelnen weiter eingeschränkt und der nimmt das nur deshalb hin, weil er Angst hat, einem Anschlag zum Opfer zu fallen. Doch wenn es um die reale Gefährdung geht, sollte er lieber in kein Auto mehr einsteigen, denn ein Autounfall ist wesentlich wahrscheinlicher.
Und die Mehrheit der Weltbevölkerung auch in den Konflikt verursachenden, demokratischen Ländern schaut scheinbar machtlos zu. Der Krieg gegen den Terror geht immer weiter, er dauert nun schon siebzehn Jahre. Seit dem 11. September wird die Zivilbevölkerung mit Anschlägen überrascht, traumatisiert und damit so in Angst und Schrecken versetzt, dass sie allen politischen Entscheidungen zustimmt, die zu ihrer Sicherheit getroffen werden. Doch es ist genau anders herum: Sicherheit entsteht nur dadurch, dass man damit aufhört, einen Krieg zu führen. Stattdessen werden die Terroranschläge als demokratische Legitimationen dafür benutzt, militärische Vergeltungsschläge in souveräne, andere Länder zu tragen und sich dort in die Politik einzumischen.
Wenn ich als Schulmediatorin in der Pause unterwegs war und auf eine Schlägerei unter den Schülern traf, auf eine verbale Auseinandersetzung oder eine andere eskalierende Situation, musste ich erst einmal die emotionale Ladung der Zuschauer eindämmen und das Anfeuern zum Stillstand bringen, bevor ich mich mit den Kontrahenten selbst beschäftigen konnte. Auf meine Frage „Was ist los?“ und der Anweisung „Du zuerst!“ konnte ich wetten, dass ziemlich schnell das Argument kam: „Der hat angefangen!“ Meine Standardantwort darauf lautete: „Es interessiert mich nicht, wer angefangen hat, ich will einfach nur, dass es aufhört.“ Und dann ließ ich alle nacheinander zu Wort kommen. Wenn die Zeit es hergab, wurde der ganze Konflikt aufgeklärt. Und dann ein Termin verabredet, um gemeinsam nach einer Lösung, einer Wiedergutmachung, einer Veränderung zu suchen, bei der alle gewinnen. Die Mediation selbst wurde dann ohne Zuschauer und Sympathisanten in einem gesonderten Sprechzimmer verhandelt und bis dahin musste Waffenstillstand eingehalten werden.
Wenn Kinder dies ein paar Mal erlebt haben, selbst nur als Zuschauer, fangen sie an, es nachzuahmen, weil es allen so guttut, wenn Frieden entsteht. Wenn alle mit ihren Bedürfnissen gehört werden und sich ernst genommen fühlen. Wenn statt auf Bestrafung und Verfolgung auf Entschuldigung und einvernehmliche Wiedergutmachung gesetzt wird. Die Schüler wechselten manchmal schon freiwillig in den Modus friedlicher Konfliktlösung, sobald sie mich in der Pause auf sich zugehen sahen. An vielen Schulen in Berlin wurden damals die 5. und die 6. Klassen zu Konfliktlotsen ausgebildet und das Programm war meiner Meinung nach sehr erfolgreich.
Wenn wir Frieden wollen statt einen finalen Weltuntergangskrieg, müssen wir den Zusammenhang zwischen Volkswirtschaft, Politik und Krieg besser verstehen. Hitler hat Arbeitsplätze geschaffen und die Deutschen in Sicherheit gewiegt, indem er Produkte und Infrastruktur für seine Kriegsvorbereitung in Auftrag gab. Das ist die schnellst mögliche Wirtschaftsförderung für Vollbeschäftigung. Wenn dann alle diese Sachen hergestellt sind, muss man sie wieder zerstören, aus genau dem gleichen Grund: Der weiteren Wirtschaftsförderung! Auch deshalb exportieren wir zumindest verdeckt wieder Waffen. Wenn Produkte zu lange halten, gibt es für den Hersteller zu wenig kontinuierliche weitere Nachfrage. Nur Kriegsgeräte werden schon direkt zu ihrer eigenen Zerstörung entwickelt. Waffen sind für unsere Wirtschaft das Perpetuum Mobile, das ideale Produkt. Die heutige Wirtschaftsform braucht Nachfrage und Gewinne.
Mir fallen nur zwei Wirtschaftsbereiche ein, die damit noch nie Probleme hatten: Das ist zum einen die Rüstungsindustrie und zum anderen die Handyhersteller. Doch es gibt sicher noch mehr. Überall da, wo man entweder den Staat selbst verleiten kann, immer mehr Geld auszugeben oder die Privatleute animieren, auf dem neuesten Stand der Apps und der Technik sein zu wollen, floriert das Geschäft. Vor allem die ganz großen Deals. Verlass dich drauf: Das Militär mit seiner starken Lobby weltweit schaut so begehrlich auf Waffen wie die Jüngeren unter uns süchtig sind nach dem neuesten technischen Stand! Früher hat man Geräte gekauft, um sie möglichst lange nutzen zu können. Diese Vorgehensweise nennt man heute 'Nachhaltigkeit'. Wo ist sie geblieben?
Wenn das Geschäft läuft und Gewinne abwirft, erhalten die Leute auch Arbeitsplätze, so geht dann das Argument der Politik für die Wähler. Und dann führen unsere Parlamentarier auch mal per Gesetz den Wechsel von Glühbirne auf Energiesparbirne ein, ohne es mit uns Verbrauchern zu diskutieren und es unserer freiwilligen Vernunft zu überlassen, ob und wann wir selbst den Wechsel souverän vollziehen. All dies wird uns zu unserem eigenen Schutz aufgezwungen, weil wir offenbar keine mündigen Bürger sind. Wir wären auch zu dumm gewesen, freiwillig auf die Glühbirne zu verzichten, daher war ein Gesetz nötig, das sie einfach schnell mal verboten hat.
Die Argumente bleiben scheinheilig, denn es ist doch offensichtlich, dass damit den Herstellern eine starke Nachfrage erschaffen wurde. Darum ging es: Um Wirtschaftsförderung. Die meisten Politiker glauben offenbar immer noch, dass sie damit Jobs sichern für ihre Wähler und Standorte und Steuern, wo sie längst von darauf spezialisierten Subventions-Hoppern wie RyanAir einfach nur ausgenommen und gegen andere Standorte und Länder ausgespielt werden. Würden sie privat haften und müssten auch die millionenschweren Manager und Banker für die Schäden haften, die sie am Volksvermögen und an Gesundheit und Natur zu verantworten haben, ginge es ihnen dann auch noch nur um Gewinnmaximierung? Oder würden sie ganz schnell dazulernen und verantwortlich zum Wohle aller handeln, um sich nicht in die Rentner einreihen zu müssen, die knapp an der Existenzgrenze von der Tafel leben?