Читать книгу Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker - Страница 18
Die Medien
ОглавлениеDabei wäre das die Story gewesen, auch für die Medien, wenn eine der kleinen, oppositionellen Parteien diese Ungeheuerlichkeit noch angefochten hätte! Nicht ihre Minderheit gab mir zu denken, sondern ihre Unfähigkeit, ihre geschichtliche Rolle klar zu erkennen. Wahrscheinlich war der Urlaub schon gebucht und die Familie wartete. Und die Abgeordneten der großen Koalition, nun, die wollten auch in den Urlaub. Und dann gibt es ja den Fraktionszwang, da muss man sich der Meinung der Partei anschließen. Ehrlich gesagt, auch wenn uns das demokratisch selbstverständlich erscheint, das klingt für mich auch nicht nach freier Meinungsäußerung. Was soll's, wirst du denken, die Geheimdienste spionieren uns doch sowieso aus, warum sollten also unsere deutschen Dienste hinterherhinken! Wenn schon, denn schon. Und die Medien feierten die Homo-Ehe als das Ereignis des Jahrhunderts. Blind, taub und sprachlos.
In den Medien werden einfach nur Schlummerlieder gesungen, als befänden wir uns mitten in der Saure-Gurken-Zeit. Und ihre Botschaft lautet: Leute schlaft weiter, wir schaffen das, alles wird gut. Wenn also nicht einmal die einfachsten rechtlichen Mittel durch die Opposition ausgeschöpft werden, haben wir uns alle längst unserem Schicksal ergeben. Es bricht einfach über uns herein, da ist nichts zu machen. Widerstand ist zwecklos. Und damit kommen wir zu den Medien. Nein, ich gehe nicht so weit zu behaupten, dass sie lügen. Nur Menschen, die oberflächlich urteilen und gleich selbst die nächste Diffamierungsschublade ziehen, gegen die sie eigentlich wettern, kommen auf solche Ideen.
Wie im privaten Haushalt ist auch in den Medien die Entwicklung nicht stehen geblieben. Statt Mahlzeiten aus eigenem Anbau und mit frischen Zutaten liebevoll für die Familie zubereitet, werden Fertiggerichte in die Mikrowelle geschoben, manchmal isst sogar jeder etwas ganz anderes, nämlich das, worauf er gerade Lust hat. Wo früher ein Journalist noch selbst recherchiert und viele unterschiedliche und auch kontroverse Informationsquellen benutzt hat, gibt es heute nur noch ganz wenige übermächtige Quellen, Nachrichtenagenturen wie die DPA. Und was die melden und behaupten, wird fast genauso in die Mikrowelle geschoben wie ein Fertiggericht. Vielleicht ein wenig nachgewürzt und auf die eigenen Leser oder Zuschauer abgestimmt. Jede Abweichung von DPA brächte dem Journalisten erst einmal einen ganzen Schwall an Protesten ein, extern und intern. Doch wenn man bei DPA bleibt, ist man auf der sicheren Seite. Jeder möchte doch seine Arbeit in Leichtigkeit und Freude tun und dafür Anerkennung und Bezahlung erfahren.
Außerdem unterliegen die Medien wie alle Unternehmen dem Diktat der Wirtschaftlichkeit. Sie müssen Gewinne erzielen, das ist ihre erste Aufgabe. Die Frage ist nun, geht es bei den Inhalten dann mehr um die Leser und Zuschauer oder eher um die Anzeigenkunden und deren Interessen? Oder mischt sich wie in den Öffentlich-Rechtlichen auch die Politik noch ganz stark ein? Wer bestimmt das Profil eines der Medien? Und sieht der Verantwortliche an der Spitze sich eher als Meinungsmacher und Meinungsgestalter, als Parteianhänger oder als Aufklärer, Lehrer und Wächter über die Grundrechte unserer Verfassung?
An diesem Profil muss sich auch jeder einzelne Journalist orientieren, und in den mittleren und unteren Etagen leben immer mehr Journalisten immer öfter in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder als freie Mitarbeiter, die jederzeit frei gegangen werden können. Wer dann nicht mit den Wölfen heult, unterhöhlt seine eigene Existenzgrundlage und die seiner Familie. Kann man es ihm verdenken, wenn er DPA brav nachplappert? Jeder Job und überhaupt jede Abhängigkeit verpasst uns auch einen Maulkorb. Man kann alle Beteiligten in allen Rollen verstehen, keine Frage. Tolerieren muss man ihr Verhalten deshalb noch lange nicht. Doch man kann auch anders damit umgehen, als wir es jetzt tun.
In diesem Buch wende ich mich grundsätzlich an alle Menschen, aber nur an die Menschen selbst, nicht an ihre Funktionen. An sie selbst hinter ihren jeweiligen Rollen. Ich suche ihr Wohlwollen und ihre Bereitschaft, etwas mal völlig anders zu betrachten oder zu machen und genau damit noch besser als bisher für sich selbst und für uns alle zu sorgen. Diesen guten Willen unterstelle ich einem jeden von uns! Wir brauchen auch jeden Menschen, egal, ob er sich als HARTZ VI Empfänger, Politiker oder Bäcker definiert.
Ich bin mir sicher, es wird uns ein viel besserer Umgang miteinander einfallen! Vielleicht ist die Demokratie, die sich bisher doch immer sehr schnell in weiterer Machtansammlung zu einer Oligarchie und zu der wirtschaftlichen Herrschaft führender Industrieller, Banken und religiöser Institutionen entwickelt hat, nur eine geschichtliche Übergangslösung gewesen zu einer noch wesentlich besseren Form der Selbstverwaltung, die wir nur noch nicht entdeckt haben. Dass wir uns gerade mitten im Weltuntergang befinden, erhöht nur den Druck, sie zu finden.