Читать книгу Eine Freundschaft aus dem Schicksal geboren - Jutta Andresen - Страница 14

[Kapitel 10]

Оглавление

Inzwischen sind ein paar Tage vergangen, und heute erhalte ich die lang ersehnte Antwort von Andy. Ich bin so aufgeregt und hatte eigentlich schon gar nicht mehr daran geglaubt, dass er sich meldet. Es sind sehr bewegende, aufrichtige Worte eines jungen Mannes, der selbst noch unter einem Schock steht. Plötzlich wird mir klar, dass ich nur an mich denke, an meinen Schmerz und an meine Trauer. Ich vergesse alle Menschen um mich herum, die genauso trauern.

Wie konnte ich so egoistisch sein?

Ich wünschte, der junge Mann würde vor mir stehen, und ich könnte ihn in den Arm nehmen. Es geht ihm nicht gut, aber er würde mir in Kürze mehr Details zukommen lassen. Ich schreibe ihm zurück und zeige mein Verständnis. Daraufhin erfahre ich, dass der Fahrer ein langjähriger Freund von ihm ist. Vorsichtig frage ich nach seinem Namen. Andy schreibt ihn mir und schon wieder habe ich das mulmige Gefühl im Magen, und mein ganzer Körper zittert im Inneren, als wenn ich hohes Fieber habe.

Wer ist er?

Was ist er für ein Mensch?

Durch wen ist meine Tochter ums Leben gekommen?

Ich bin hin und her gerissen, ich möchte alles wissen … oder auch nicht. Es ist alles so schwer!

Lieber Gott was hast du mir da aufgebürdet?

Wie soll ich damit klarkommen? Was soll ich tun? Wie geht es weiter? Du hast mir mein Liebstes genommen! WARUM? Wie soll ich an dich glauben?

Und, Tassi, wo bist Du?

Wie würdest du handeln?

Du warst ein ganz besonderer Mensch. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber du fehlst mir so sehr. Tag und Nacht, einfach immer.

Ich stehe nun hier mit meiner Schubkarre, voll beladen – und es ist so schwer sie anzuheben.

Den Zettel mit dem Namen des Fahrers lege ich erst einmal beiseite. Ich habe heute die Entscheidung getroffen, wieder an meinen Arbeitsplatz zurück zu kehren. Allerdings möchte ich nicht mehr in der Notfallaufnahme arbeiten, und es wurde mir ein Platz in der stationären Aufnahme angeboten. Dort habe ich einen eigenen Bereich und kann auch einmal durchatmen, wenn ich es brauche.

Es ist eine schwere Zeit, vor ein paar Tagen stand ich auf einer Brücke und überlegte zu springen. Ja, den Gedanken hatte ich. Ich habe aber dann an meine Familie gedacht, und an die Worte von Tassi, die sie in meinem Traum zu mir sagte: Dass ich erst noch Aufgaben zu erledigen habe, bevor sie mich abholt! Alles das hat mich davon abgehalten.

Heute ist mein erster Arbeitstag nach 6 Wochen Auszeit.

Wie werden meine Kollegen reagieren?

Werde ich die Tränen zurückhalten können?

In der Klinik angekommen, ziehe ich in der Umkleidekabine meinen Kittel an, und schon sprechen mich die ersten Kolleginnen an. Viele stumme Umarmungen begleiten meinen Tag, bei denen mir immer wieder die Tränen in die Augen schießen. Es ist so schwer, doch das Mitgefühl anderer, lässt mich alles überstehen. Auch begegne ich Menschen, die mir aus dem Weg gehen, weil sie mit der Situation überfordert sind. Doch dafür habe ich gelernt, Verständnis aufzubringen. Ich verstehe und fange an zu begreifen, dass es nicht persönlich gemeint ist. Somit fange ich an, meinen persönlichen Umkreis zu selektieren. Wer wirklich Empathie hat, oder wer einfach nur neugierig ist, um das Neueste weiterzugeben.

„Wie viele Kinder haben Sie? Drei? Ach, dann haben sie ja noch zwei!“

Viele Aussagen verletzen und tun weh, aber damit werden bestimmt viele Trauernde ebenso konfrontiert.

Eine Freundschaft aus dem Schicksal geboren

Подняться наверх