Читать книгу Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 5) - K. Ostler - Страница 12
Tatsächliche, allgemeine Lebenswirklichkeit
ОглавлениеDiese tatsächliche, weil real existierende (im Sinne von greifbar) und die Allgemeinheit betreffende Lebenswirklichkeit ist eine definitive Gegebenheit in Gestalt von vorhandenen wie vorgegebenen Um- und Zuständen und in ihrem Makrobereich über einen langen gesellschaftlichen, kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsprozess entstanden.
Jener Makrobereich ist ein Spiegelbild des aktuellen Normen- und Wertesystems, der sozialen, religiösen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung, Organisation und Trends, der medialen Landschaft und sonstiger Faktoren (wie u. a. soziale Grundatmosphäre, Verfassung der Natur), in die ein Mensch hineingeboren wird, und entspricht dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Status quo.
Die tatsächliche Lebenswirklichkeit umfasst sowohl das makrokosmische Gebiet (Gesellschaft) wie das mikrokosmische (Familie, persönliches Umfeld in Freizeit, Arbeit oder Ausbildung) und ist deshalb für jeden Menschen trotz allgemeiner, genereller Strömungen, Einflüsse und Beeinflussungen nicht identisch, sondern teils sehr ungleich. Daher ist die diesbezügliche Prägung für den einzelnen Menschen denkbar individuell.
Konkretes Beispiel: Zwei Kinder, die in Deutschland aufwachsen, leben zwar im identischen rechtsstaatlichen, politischen, normen- und wirtschaftsgemäßen System und Überbau (vorwiegend selber Makrokosmos), dennoch können die mikrokosmischen Bedingungen überaus abweichend sein, wie beispielsweise die besondere familiäre Konstellation, eine bestehende Religiosität, die finanzielle Ausstattung, der Wohnort und die Wohnsituation, usw. und darum stellt sich die tatsächliche Lebenswirklichkeit faktisch – und nicht nur empfindungsgemäß – verschiedenartig oder sogar konträr dar.
Einschränkend muss erwähnt werden, dass wegen der weltweiten, ähnlich gelagerten und sich laufend weiter annähernden Medieninhalten (Stichwort: Mainstream) und deren extremer Penetration eine Nivellierungstendenz hinsichtlich gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Anschauungen und Verhaltensweisen, der Freizeitgestaltung und den allgemeinen Lebensvorstellungen und –wünschen (das sogenannte Erstrebenswerte) zulasten der Individualität auszumachen ist.
Erkennbar werden die grundsätzliche Existenz der ursächlichen Lebenswirklichkeit und ihre wesensgemäße Diskrepanz und Disparität zur tatsächlichen Lebenswirklichkeit an den zutage tretenden Bruchstellen, die die tatsächliche Lebenswirklichkeit als nachrangigen, in vielen Bereichen den menschlichen Erfordernissen nicht gerecht werdenden Norm- und Normalzustand entlarvt.
Entlarvung bzw. Demaskierung bedeutet hier, dass gesamtgesellschaftliche Voraussetzungen und Sachverhalte, die als Paradigma wie Muss-Zustand angenommen und akzeptiert werden und nach denen der Mensch seinen Alltag ausgerichtet hat (Stichwort: gesellschaftliche Eckpfeiler), sich als falsch und fehlgerichtet erweisen.
Falsch und fehlgerichtet insofern, da an den Bruchstellen klar wird, dass das Missverhältnis unausweichlich zu physischen und psychischen Krankheiten und Störungen führt, die auf dem Widerspruch von und der Unterschiedlichkeit zwischen der ursprünglichen und der tatsächlichen Lebenswirklichkeit basieren.
Weitere Bruchstellen erscheinen bei der Freilegung der vergrabenen bzw. verborgenen ursächlichen Lebenswirklichkeit durch transzendentale Erfahrungen, die deutlich und erkennbar machen, dass die tatsächliche, als Normalität empfundene Lebenswirklichkeit (vor allem deren Ausgestaltung) nicht den originären Wertemaßstab skizziert und eine zufriedenstellende Sinnigkeit ergibt.
Die transzendentalen Erfahrungen offenbaren eine Dimension an Spiritualität und Klarheit, die über die tatsächliche Lebenswirklichkeit nicht vermittelt werden kann, hingegen einzig mittels der Rückbesinnung auf die ursächliche, indem der Geist und die Psyche weitgehend entkoppelt sind. Diese Entkopplung ist – wie schon mehrfach beschrieben – ausschließlich möglich, wenn der Geist nicht seitens der Psyche instrumentalisiert wird, was wiederum nur der Fall ist, falls keine zu große psychische Schädigung aufgrund nichterfüllter Grundbedürfnisse vorhanden ist.
Mit anderen Worten: Die Präsenz der ursprünglichen Lebenswirklichkeit im Alltag wird dann nicht ob einer von Symptomen geprägten tatsächlichen Lebenswirklichkeit beeinträchtigt, weil diese überwiegend neutralisiert ist.
Die konkrete, sprich die dem Menschen sich bietende (bzw. ihm sich vorfindende) Lebenswirklichkeit wird dank der präsenten Lebensumstände und den Identitätsproblematiken 2, 3 und 4 (diese drei Identitätsproblematiken schließen sowohl den allgemeinen Makro- wie den speziellen Mikrokosmos eines Menschen ein) bestimmt und muss als stark symptomorientiert und –gesteuert bezeichnet werden.
In vielfachen Bereichen beruht sie auf Symptomen, ergo den Auswirkungen und Resultaten der Fehl- und gegensätzlichen Entwicklungen zu den ursächlichen menschlichen Bedürfnissen.
Stellvertretend aus zahlreichen Beispielen können die heute sakrosanten Werte, Einstellungen und Tugenden wie Erfolgs- und Machtausrichtung, Wachstumsgläubigkeit, Konsumfokussierung, Wettbewerbshörigkeit, Konkurrenzdenken und Besitzanhäufung genannt werden, die allesamt – insbesondere in der gegenwärtigen Ausprägung, Intensität und Dominanz – kompensatorische Ersatzhandlungen sind, begründet in der Divergenz von ursächlicher und tatsächlicher Lebenswirklichkeit.
Die dem Bewusstsein naheliegende, zumal real existierende, tatsächliche Lebenswirklichkeit hat mit ihrer diversifizierten Symptomatik (diversifiziert, da alle wesentlichen Lebensbereiche durchdringend) ein derart großes Übergewicht eingenommen, dass die ursächliche Lebenswirklichkeit davon nahezu erdrückt wird. Dies hat zur Folge, dass die sich ergebenden und bestehenden Probleme wie Fehlentwicklungen nicht in Beziehung zur gesellschaftlichen Realität gestellt bzw. als deren Konsequenz angesehen werden. Es wird somit keine sensibilisierende Bewusstseinsrelevanz erzeugt, die den symptomhaften Charakter der tatsächlichen Lebenswirklichkeit erkennen könnte.
Mit anderen Worten: Die tatsächliche Lebenswirklichkeit wird ob ihres Charakters nicht durchleuchtet und geprüft, die von ihr verursachten, mannigfaltigen Problemfelder werden als normal oder zumindest unabdingbar betrachtet.
Die symptomgemäße Ausrichtung der modernen Zeit beinhaltet nicht bloß die Vergangenheit und Gegenwart, indes vor allem auch die Zukunft. Der Mensch hinterfragt nicht allein seine persönliche Entwicklungsgeschichte (Elternhaus, Kindheit und Jugendzeit) und die aktuellen Lebensgrundlagen und –voraussetzungen (mediale Inhalte, Nachrichten, vermitteltes Schulwissen, die Lebens- und Einstellungsorientierung der Eltern/Familie werden als richtig, objektiv, glaubwürdig und gegeben empfunden und akzeptiert und nicht in notwendige Kontexte gestellt) nicht, sondern bespiegelt ebenso die zukünftigen Perspektiven und die daraus resultierenden – oft negativen - Konsequenzen für die Menschheit und den einzelnen Menschen nicht (respektive nicht angemessen kritisch).
Der Mensch lässt sich treiben und die Dinge laufen und versucht die angesichts dieser Haltung unausweichlich auftretenden Ungleichgewichte, Probleme und Gefahren, wie beispielhaft - und bei Weitem nur einen Ausschnitt wiedergebend - Überbevölkerung, Verstädterung, Ressourcenverbrauch und –verschwendung, Umweltzerstörung und -verschmutzung, Müllberge auf Land und Meer, Erderwärmung, Immigrationen, Turbokapitalismus, viele soziale Brennpunkte wegen extremer wirtschaftlicher Unterschiede, hohe Schnelllebigkeit mit immer kurzfristigeren Zeit- und Planungshorizonten und Produktzyklen, etc. (alles Felder, die an der Wurzel und demnach an der identitätsgemäßen Ursache angepackt und gelöst werden müssten, um sie in den Griff zu bekommen) erneut mit symptomgemäßen und notdürftigen Behelfen, Provisorien, Improvisationen, falschen/ungenügenden Kompromissen oder per Verdrängung und Rationalisierung (Stichwort: Schönfärberei, Selbstbelügen) zu bewältigen.
Es regiert das fatalistische Prinzip der Hoffnung, gespeist einerseits aus dem Rückblick in die Vergangenheit nach dem Motto „Untergangsprophezeiungen und –szenarien hat es schon zahlreiche gegeben und die Menschheit existiert noch immer, weshalb sollte es also diesmal anders sein“ und andererseits vom unerschütterlichen Vertrauen in wissenschaftliche/technische Fortschritte, die nachhaltige Verbesserungen erzielen sollen.
Die Rückschau auf die Vergangenheit ist zwar vielmals im Leben hilfreich und entsprechende Rückschlüsse sind durchaus sinnvoll, jedoch gleichfalls verklärend und obendrein dank der heute bestehenden Dimensionen aller aufgeführter Problembereiche nicht zielführend und angebracht. Die zugrunde liegenden Parameter (u. a. Weltbevölkerungszahl und damit automatisch verbundener Ressourcenverbrauch, Globalisierung, weltweite Informations- und Datenvernetzung, Intensität der Konsum- und Wettbewerbsausrichtung, extrem kurze Produktaktualität) haben sich dermaßen massiv zu den vergangenen Jahrzehnten gewandelt, dass eine vergleichbare Übertragung und eine aussagekräftige Projektion früherer Erfahrungen auf kommende Entwicklungen – gelinde gesagt – falsch ist und irreführend wäre.
Anders ausgedrückt: Mit den neuen Zahlen hat sich auch die Formel (Grundlagen) geändert und kann nicht wie gehabt beibehalten werden. Es ist folglich nicht ausreichend, sofern sich ausschließlich die Variablen der Vergangenheit dem aktuellen Stand anpassen, weil die alten Gesetzmäßigkeiten ihre Gültigkeit verloren haben und abermals definiert werden müssten.
Nebenbei: Die Rückschau auf die Vergangenheit wird ferner stets gerne bemüht, da sie in Anbetracht des bereits Geschehenen überschaubar, eingrenzbar und bekannt, daher keine ungewisse, unkalkulierbare und angstbesetzte Unbekannte ist und so dem Menschen Sicherheit vermittelt (Stichwort: Vergangenheit als identitätsstützender Faktor). Diese vermeintliche, vorgaukelte Sicherheit erweist sich in diesem Zusammenhang als trügerisch.
Die Wissenschaft und Technik, die im Kern zudem Teil des Problems sind, sollen paradoxerweise für die Lösung der Probleme bereitstehen. Die Größenordnung der gegenwärtigen Probleme – und hier geht es einzig um die an Fakten festzumachenden Probleme und noch nicht um die psychischen Problemfelder des Menschen – ist so immens, dass die Wissenschaft und Technik, einer überforderten Feuerwehr gleich von Brandherd zu Brandherd, von Notfall zu Notfall eilend, der Entwicklung pausenlos hinterherläuft. Bestenfalls können gewisse Eindämmungen erreicht werden, ohne an der wirklichen Tragweite, dem Ausmaß und den Auswirkungen etwas grundlegend bessern zu können. Die selbst geschaffenen Brandherde werden de facto laufend größer, intensiver und gefährlicher und haben sich mittlerweile zu einem riesigen Flächenbrand ausgebreitet (von einer Krise in die nächste, noch größere Krise, zur weiteren, auf den herrschenden Krisen aufbauenden Krise, usw.).
Die Folge dieser Problemverlagerung in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen impliziert nicht nur ein diesbezügliches Versagen und einen hochgradigen Egoismus der kontemporären Gesellschaften, vielmehr ist sie im höchsten Maße unverantwortlich. Diese nicht nachhaltigen Lösungsversuche und Unterlassungen ziehen automatisch eine gebührende Potenzierung der jeweiligen Situation nach sich, die dann nicht mehr beherrschbar ist und dergestalt zur Eskalation, zur unkontrollierbaren Verselbstständigung und letztlich ins Desaster in Form der Kollabierung der gesellschaftlichen und ökologischen Systeme führt.
In der heutigen Zeit kommt zur tatsächlichen Lebenswirklichkeit darüber hinaus eine fiktive und demgemäß künstliche Komponente hinzu, die in den neuen medialen Möglichkeiten begründet ist. Viele Menschen verbringen einen umfangreichen Teil ihrer Zeit in virtuellen Welten, verlieren sich buchstäblich darin und können keine klare Trennung zu den realen Lebensumständen ziehen. Das Interesse am und die Anziehungskraft des Virtuellen einerseits und deren Flucht- und Suchtcharakter auf der anderen Seite basieren gleichwohl auf einem identitätsgemäßen Defizit, das mittels Traum- und Fantasievorstellungen mit selbstwertbestärkendem (z. B. Darstellung von Macht- und Gewaltausübung und deren Projektion auf die eigene Person) oder verdrängendem (Ablenkung von und Vergessen der privaten unbefriedigenden Lage) Wesen versucht, die existierende Schwäche zu kompensieren.
Neben den eigentlichen psychologischen Antrieben für die Aufrechterhaltung des Istzustands der tatsächlichen Lebenswirklichkeit spielen zusätzlich zwei weitere symptombasierte Prozesse eine Rolle, die das jetzige, auf Konsum, wirtschaftlichen Erfolg (Reichtum), Wachstum, Wettbewerb und Ich-Bezogenheit ausgerichtete gesellschaftliche Gefüge stützen.
In der Quintessenz entspringt das scheinbar kühl kalkulierte Vorteilsdenken genauso psychisch motivierten Kompensationserfordernissen. So bezeichnete interessierte Kreise – und dies ist keine klassenkämpferische Parole oder Attitüde, hingegen stellt die einfache und nachzuprüfende Realität dar -, Großunternehmer, Industrielle, Investoren, Wirtschaftsführer, Lobbyisten/Interessensvertreter, Politiker (sprich die selbst ernannte Elite bzw. Führungs-/Oberschicht der modernen Gesellschaft), sehen sich als Profiteure der tatsächlichen Lebenswirklichkeit, in der der Mensch sein Leben regelrecht nicht einfach lebt, indessen konsumiert und reichlich lenkbar ist.
Unter anderem durch subtil – unter Berücksichtigung und mithilfe psychologischer Kenntnisse – beeinflussende Methoden, medialer Suggerierung wie Soufflierung und Idolbildung/-stilisierung wird festgelegt, was – banal ausgedrückt - toll und erstrebenswert ist, natürlich zum Vorteil des Establishments in Form von wirtschaftlichem Erfolg, Machtausübung, Profilierung, Dominanz, usw.
Jene Führungsschicht ist vordergründig der Gewinner der symptomgesteuerten, auf Ersatzbefriedigungen gebildeten, allgemeinen Lebenswirklichkeit. De facto sitzt sie jedoch hinsichtlich der Identitätsproblematik im gleichen Boot und ist deshalb mit denselben diesbezüglichen psychischen Problemen (und auch Ängsten), wie alle anderen Menschen lebenslang konfrontiert, und hat mit diesen unterschiedslos zu kämpfen, zumal das Zudecken über die angeführten ersatzhandlungsgeprägten Errungenschaften nicht nachhaltig funktioniert.
Kurz gesagt: Weder mit Geld noch mit Macht kann sich der Mensch letztendlich von seiner identitätsgemäßen Problematik freikaufen und freimachen, nur stehen der sogenannten hohen Gesellschaft eine größere Palette an Kompensationsmöglichkeiten mit (zumindest anfänglich) intensiveren Wirkungsgraden zur Verfügung.
Der zweite Aspekt in diesem Zusammenhang ist der in vielen Bereichen dialektische Aufbau der wirtschaftlichen Abläufe und die damit verbundene Konterkarierung der Werte, die die ursächliche Lebenswirklichkeit ausmachen und definieren.
Konkret sind zahlreiche, in den Gesellschaften sehr bedeutende und große Berufsfelder gemeint, die für ihre Prosperität auf Misslingen, Scheitern, Fehler, Niederlagen, Verschwendung, Streit, Auseinandersetzung, Hass, Abneigung, Zerstörung, Unzufriedenheit, Unfall, Verlust, Verbrechen, Schwäche, Probleme, Unglück, Schwierigkeiten, Leid, Krankheit und Tod – zusammenfassend und überschreibend als Schlechtes, Schädliches, Verneinendes und Negatives zu charakterisieren - angewiesen sind und folglich überhaupt kein bzw. kein besonderes Interesse an der Änderung des jeweiligen Zustands zum positiven Sinne haben (wie der Konsum produzierende Unternehmer auch).
> Der Anwalt, der Staatsanwalt, der Richter und der Justizapparat leben vom Streit, der Auseinandersetzung, dem Verbrechen und der undurchsichtigen, verkomplizierten Gesetzgebung, > der Arzt, das Krankenhaus, die Krankenkasse, der Krankenpfleger, der Apotheker, die Pharma- bzw. sogenannte Gesundheitsindustrie von der Krankheit und dem Unfall, > der Bestatter vom Tod, > die Versicherung vom Schaden und der Angst, > die Autowerkstätte vom Defekt und Unfall, > das Militär und die Waffenindustrie und -händler von Krieg, Verbrechen, Bedrohung und Hass, > der Insolvenzverwalter und Spekulant von der Misswirtschaft und Pleite, > die Kirche von der Unsicherheit und der Angst, > das Wohlfahrtsunternehmen von der Armut und dem Elend, > der Psychologe und Psychiater von der Störung, Neurose und Psychose, > der Ratgeberpublizist und die Esoterikbranche von der Hilflosigkeit und dem Scheitern, > die Presse von Skandalen, Unglück, Verbrechen und Leid, > die Banken von den Schulden, der Unwissenheit, der Misswirtschaft und Steuerhinterziehung, > der Reparaturbetrieb und Kundendienst vom Defekt, Fehlbedienung und Ausfall, > der Lebensmittelhersteller/Bauer von der Abholzung für Anbauflächen, > der Ölproduzent von der Zerstörung der Natur (bei der Förderung in sensiblen Gebieten), > der Fischer von der Ausbeutung der Fischbestände, > der Optiker von der Sehschwäche, > der Schlüsseldienst vom Verlust, > der Abschleppdienst von der Panne, > der Alarmanlagenhersteller von der Angst und Bedrohung, > der Detektiv vom Misstrauen und Verdacht, > die Polizei vom Verbrechen, > der Gutachter und Sachverständige vom Schaden und Streit, > der Nachhilfelehrer von der Lernschwäche, > das Diätunternehmen von der Fettsucht, > der Sozialtherapeut von den Problemen und Missständen, > der Steuerberater von der Bürokratie und den undurchsichtigen Steuergesetzen, > der Politiker von der Unmündigkeit, > das Bewachungsunternehmen von Gewalt, Verbrechen und Angst, > der Unternehmensberater vom Missmanagement, > der Öl-, Gas-, Strom- und Wasserversorger vom übermäßigen Verbrauch und Verschwendung, > Sekten von Angst, Unsicherheit und Schwäche, > der Zahnarzt und Zahntechniker von der schlechten Mundhygiene, > der Computervirenschutz vom Computervirus und Hacker, der Alkohol- und Zigarettenhersteller von der Sucht.
Alles Verbindungen, die als normal eingestuft werden, da sie nicht einmal im Ansatz bezüglich ihrer atmosphärischen Auswirkungen auf die zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen untersucht und durchleuchtet werden.
Diese Aufzählung ließe sich lange fortsetzen und muss genau genommen noch um den mit Abstand zentralsten Punkt ergänzt werden, der von menschlichen, besser gesagt psychischen Problemen und Schädigungen profitiert, diese bewusst aufrechterhält und der deswegen die stärkste Stütze der tatsächlichen Lebenswirklichkeit formt, nämlich der auf Ersatzbefriedigung und künstlich kreierten Bedarf basierende Konsum.
An dieser Stelle soll weder der Konsum generell an den Pranger gestellt und verteufelt noch eine vollkommene dies betreffende Abstinenz als richtig und wichtig postuliert werden, weil es sowohl einen Konsum der Notwendigkeit wie überdies einen sinnvollen, den modernen Errungenschaften adäquaten, hilfreichen und helfenden Konsum von Produkten und Dienstleistungen gibt (dies schließt selbstverständlich auch die meisten der oben aufgeführten dialektischen Berufsbereiche ein). Die komplette gesellschaftliche Ausrichtung auf Konsum in nahezu allen Lebensbereichen hat allerdings nichts mehr mit gebührender Bedarfserfüllung, Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit zu tun.
Das Streben nach Konsum – hier sind ausdrücklich nicht alleine die Kaufsüchtigen gemeint -, nach beispielsweise der neuesten Mode, dem neuesten Automodell, dem neuesten Handy, dem neuesten Parfüm, dem neuesten Fernseher, dem neuesten Möbelstück, dem ausgefallensten Reiseziel, dem neuesten Computer, dem neuesten Sportgerät, dem neuesten Accessoire, der neuesten Armbanduhr, dem neuesten Schmuckstück, der neuesten Frisur, der neuesten Brille, usw. – die Aufstellung ließe sich beliebig verlängern – entbehrt in diesem Ausmaß einer natürlichen (und zudem akzeptablen) Grundlage und hat daher mit den eigentlichen menschlichen Bedürfnissen nichts gemein.
Konsum als synthetisches Ersatzhandlungskonstrukt mit ruhestellendem Ersatzbefriedigungscharakter hat jeden gesellschaftlichen Winkel eingenommen und durchdrungen, bildet den oberflächlichen, gesellschaftlichen Kitt und liegt wie ein Schleier über den verschütteten, durch die Ersatzhandlungen lediglich notdürftig und provisorisch ersetzten, aber dem menschlichen Baukasten ursprünglich entsprechenden Erfordernissen.
Dieser Konsum bzw. das System dieses Konsums beruht auf einer – dem Menschen in der Regel unbewussten – funktionalen psychischen Abhängigkeit. Aufgrund dieser essenziellen Angewiesenheit und dem sich daraus und dadurch erschaffenen Wirtschaftsprinzip (und -logik) wird der Konsum von der Ratio als unentbehrlich, unumgänglich, sinnvoll und dem Wesen des Menschen angemessen verteidigt und demnach zur Normalität, also Lebensrealität und Ur-Bedürfnis (und vielfach Lebenssinn), deklariert.
Eine Gesellschaft, deren Fundamente in weiten Teilen auf Zwiespältigkeit, Doppelbödigkeit, Widersprüchlichkeit, Unvereinbarkeit, Widersinn und Gegensätzen aufgebaut sind (siehe oben beschriebene Kausalzusammenhänge und Abhängigkeiten) und infolgedessen unweigerlich zu individueller wie ebenfalls gruppengemäßer und gesellschaftlicher Unehrlichkeit, Unwahrheit und Scheuklappenmentalität (nur Konzentration auf die eigene Position und Situation) führen – da die betroffene Person oder Gruppe/Firma seine/ihre Tätigkeit, deren Grundlage und Auswirkungen entweder aktiv verdrängen oder für sich und sein/ihr Umfeld passend schönfärben bzw. rationalisieren muss (Motto: die Wichtigkeit des eigenen Wirkens und deren gesellschaftliche/wirtschaftliche Relevanz) –, bietet ihren Mitgliedern schizophrene Rahmenbedingungen (Spaltung des Bewusstseins wegen der Diskrepanz zwischen dem Handeln einerseits und den Werten der ursächlichen Lebenswirklichkeit auf der anderen Seite).
Die Gesellschaft muss sich darum nicht wundern, wenn der Mensch auf seine natürliche Basis keine Rücksicht nehmen kann und sich automatisch immer mehr von sich selbst entfernt mit der perspektivischen Konsequenz, beides, die Basis und sich, zu verlieren und zu zerstören.