Читать книгу Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 5) - K. Ostler - Страница 9

Sanktionierung und Resozialisierung

Оглавление

Was soll über eine Sanktionierung von kriminellen Handlungen und Gewalttaten durch den Staat erreicht werden (Absicht) und wie sieht das Ergebnis tatsächlich aus (Realität)? Ist die Art der Bestrafung und der Resozialisierung wirklich zielführend oder ist der praktizierte Ansatz falsch respektive ungenügend?

Eine Bestrafung soll mehrere bewusste, aber auch unbewusste Funktionen erfüllen.

Der Staat will und muss seinen Bürgern Schutz bieten (Schutzauftrag) und einen normengemäßen Ordnungsrahmen vorgeben, der unter anderem kraft Sanktionierungen durchgesetzt wird. Er muss über die Gesetze und deren Einhaltung dem Bürger Sicherheit vermitteln, Orientierung verschaffen (Stichwort: der Staat als identitätsfördernder Faktor) und sendet auf diese Weise überdies ein Signal der Abschreckung.

Eine Bestrafung für nicht rechtmäßiges Handeln impliziert indes zudem eine – stillschweigende und automatische – Anerkennung und Bestätigung für das richtige Handeln des „normalen“ Bürgers (ist ein identitätsunterstützender Aspekt) und hat dergestalt, wie die Abschreckung ebenfalls, einen systemstabilisierenden Charakter.

Über eine Bestrafung soll nicht allein indirekt dem Opfer Genugtuung (was immer dies letztlich genau ist …) widerfahren und der Machtanspruch des Staates dokumentiert und eingefordert, hingegen genauso Schuld zurechenbar und damit Verantwortlichkeit begrenzt werden. Die Bestrafung belastet ergo den Täter, Kriminellen und ungesetzlich Handelnden – wie dieser im Übrigen benannt werden soll – mit Schuld und entlastet folglich zwangsläufig alle weiteren Gesellschaftsmitglieder von Mitschuld.

Übertragen bedeutet dies, dass die Gesellschaft bzw. die gesellschaftlichen Bedingungen und Zustände nicht ihre eigenen „Monster“ hervorbringen, sondern diese „Monster“ entweder zufällig entstandene Kreaturen oder singuläre, nicht im engen gesellschaftlichen Kontext befindliche Ereignisse sind, die jeweils selbst volle Haftbarkeit für ihr Tun tragen.

Dies, sehr verkürzt, zu den grundsätzlichen Motiven des Staates hinsichtlich des verfolgten Zwecks einer Sanktionierung.

Gleichsam soll eine Bestrafung – nachfolgend wird der Freiheitsentzug thematisiert – den Täter resozialisieren, ihn also wieder an die Gesellschaft und deren soziales Gefüge heranführen und wiedereingliedern. Die Aufgaben, die Struktur und die Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug sollen diesem Ziel dienen.

Die Resozialisierung ist „hehres“ Ziel des Strafvollzugs, hehr deshalb in Anführungszeichen, weil die Realität, vor allem die Gegebenheiten und Qualität (die Ausstattung, die Ausgestaltung und im Besonderen der pädagogische Aufbau/Inhalt des Vollzugs) wie der politische und gesellschaftliche Wille ein vollkommen konträres Bild abgeben (u. a. Überbelegung, Einsparungen, Personalmangel, unqualifiziertes Personal, mangelhafte räumliche und sonstige infrastrukturelle Voraussetzungen).

Die Resozialisierung soll den Gefangenen in die Lage versetzen, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen und ist daher eine Art aktive Prävention (positive Spezialprävention) zur Verhinderung von weiteren Straftaten. Banal ausgedrückt: Der Bestrafte soll zum Besseren (beinhaltet Besserung) belehrt und erzogen werden, indem sich sein Verhalten so ändert und anpasst, dass es den gängigen Normen und Wertvorstellungen entspricht.

Resozialisierung impliziert gleichfalls, dass im Laufe der eigentlichen Sozialisation im Kindesalter (Prozess des Kindes, in das Normensystem und die gesellschaftliche Ordnung hineinzuwachsen) wichtige Instanzen (Persönlichkeitsbereiche) nicht ausreichend sozialisiert wurden und diese versäumte Sozialisation (Integration in die Gesellschaft anhand Internalisation – Verinnerlichung - der sozialen Normen) soll während der Gefangenschaft nachgeholt werden, auch mit therapeutischer Bearbeitung und Hilfe.

De facto ist der Begriff Resozialisierung für die betroffenen Menschen bei Weitem zu kurz gegriffen, da in der Regel die psychischen Fundamente für eine Sozialisierung nicht oder nur mangelhaft vorhanden sind und erst diese Basis in einem Mindestmaß gebildet werden muss, um eine Sozialisierung überhaupt sinnvoll versuchen zu können.

Es sollen demnach fehlende Entwicklungsschritte, die bisher in der sogenannten Freiheit nicht realisiert wurden, in der Haft erlernt werden. Dem theoretisch schön anmutenden Gegenwirkungsgrundsatz, nachdem schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegen zu wirken sind, darf getrost dem Reich der Fabel respektive des (verdrängenden) Wunschdenkens zugewiesen werden, sobald der Alltag des Haftlebens betrachtet wird, der von Gewalt und Angst geprägt ist. Die innerhalb der Insassen verbreiteten hierarchischen Machtgefüge stehen diesem Ansatz diametral gegenüber und ergeben in der Realität häufig zusätzliche Manifestierungen der schon gegenwärtigen Verhaltensstrukturen.

Der Schwerpunkt der betriebenen Resozialisierung liegt in der Einsicht des Täters in die ethische Verwerflichkeit der Tat und das somit begangene Unrecht.

Der Delinquent soll dank einer Norm- und Wertevermittlung ein Rechtsbewusstsein (wieder) erlangen, auch durch das Verständnis für den angerichteten Schaden und die ausgelösten Schmerzen beim Opfer und dessen Angehörigen. Über die Einsicht soll der Wille dermaßen gestärkt werden, dass das Verhalten zukünftig über die Vernunft gesteuert wird und daraufhin kriminelles Handeln als Option unterbunden wird.

Ein Unrechtsbewusstsein, gerade bei Gewaltverbrechen, setzt allerdings nicht einzig die rationale Komponente „Einsicht“ voraus, jedoch obendrein die emotionale. Der Täter muss hierzu eine Fähigkeit zur Empathie entwickeln, die er sich aber außerdem – aus seiner psychischen Sicht - leisten können muss.

Wirkliches, tiefes und nicht bloß aufgesetztes und vorgegaukeltes Mitgefühl kann ein Mensch lediglich dann empfinden, sofern er nicht zu sehr mit seiner eigenen psychischen Problematik beschäftigt ist und demgemäß adäquate energetische Kapazitäten ungebunden sind. Meist haben die Täter in ihrem Lebensverlauf (während vieler Jahre und Jahrzehnten) keine Empathie erfahren, zumal sie selbst Opfer waren, und sollen jetzt plötzlich in den speziellen Verhältnissen der Haft dazu imstande sein.

An dieser Stelle wird der Bogen zur identitätsgemäßen Problematik des Menschen gespannt, denn die so wichtige Einsicht erfordert eine entsprechend umfassende Einsichtsfähigkeit, die nicht nur den intellektuellen Faktor umfasst, sondern primär die psychische Aufnahmemöglichkeit beinhaltet. Und genau da sind sowohl die generelle Schwierigkeit der Resozialisierung in der üblich praktizierten Art einer Gefangenschaft wie die Chancenlosigkeit einer Resozialisierung bei besonders problembeladenen Tätern angesiedelt.

Wie im Kapitel „Kriminalität“ explizit ausgeführt, sind kriminelles Verhalten und damit ebenso die hier thematisierten Gewaltverbrechen und -exzesse in ihrer Wurzel – neben weiteren determinierenden und kriminalitätsbegünstigenden Elementen (u. a. Umweltsituation) - eine aus einem psychischen Defizit entstandene Kompensationshandlung, die – abhängig vom individuellen Ausmaß der Deformation – einen gebührend großen Befriedigungswert erzielen soll.

Es gilt die Kausalkette, je größer die psychische Schädigung, desto größer der Bedarf an Ersatzbefriedigung, desto exzessiver die Gewalttat (implizierter Steigerungsmechanismus um die benötigte Angemessenheit herzustellen). Mit dem Freiheitsentzug ist dem Delinquenten gleichwohl die Möglichkeit genommen worden, kriminelle Handlungen zum Ausgleich ausüben und dabei Ersatzbefriedigung generieren zu können, außer der gefängnisinternen Gewalt, deren Ursprung neben den frustrierenden Umständen im Vollzug ebenfalls hier zu sehen ist. Im Kern hat der Täter über die Gewalttat sein psychisches Defizit bearbeitet und versucht, eine – zwar ausschließlich temporäre und selbstverständlich gesellschaftlich inakzeptable – Kompensation herzustellen.

Der Begriff Kompensation muss in diesem Kontext weiter gefasst werden als nur auf das Merkmal des Ausgleichs. Eine Kompensationshandlung zum Ausgleich einer psychischen Schädigung und infolgedessen zur Stabilisierung des fragilen identitätsgemäßen Pseudogleichgewichts per Ersatzbefriedigung bedeutet (respektive impliziert) daneben Entschädigung, Wiedergutmachung, Ersatz, Abhilfe, Genugtuung, Satisfaktion, Abgeltung, Trostpflaster und Lückenbüßer zu sein.

Einfach gesagt: Dem Gefangenen wurde etwas genommen, das er für seine Lebenssituation grundlegend bedarf und deshalb braucht er etwas mindestens Gleichwertiges.

Übertragen auf eine erfolgreich verlaufende Resozialisierung heißt dies, dass dem Delinquenten alternative Angebote unterbreitet werden müssen, die identitäts- bzw. selbstwertstiftenden Charakter haben, um dergestalt einen Gegenpol zum psychischen Defizit und den verbundenen Kompensationen (kriminelles, gewalttätiges Handeln) zu erzeugen. Dieses Gegengewicht kann sich u. a. aus intensiver psychotherapeutischer Betreuung mit geeigneter Bezugsperson (en), aus Bildungs- und Fortbildungschancen, aus Arbeit, aus sinnvoller Beschäftigung und aus speziellen Aufgaben wie übertragenen Verantwortungen zusammensetzen, aber auch aus Komponenten, die außerhalb des Gefängnisses liegen, wie beispielsweise Unterstützung und das Aufzeigen einer Perspektive nach der Haftzeit durch das familiäre oder sonstige soziale Umfeld oder mittels neuer Kontakte (Sozialarbeiter, Gefangenenbetreuung seitens Ehrenamtlicher, potenzieller neuer Lebenspartner/Freundin bzw. Freund).

Die erwähnte Einsichtsfähigkeit kann aufgrund der manipulativen Kraft der Psyche nur verwirklicht werden, wenn in der Haft also nicht einzig an die Vernunft appelliert und an ihrem reflektierenden Potenzial gearbeitet wird, hingegen gleichzeitig dem Gefangenen Kompensations- und Befriedigungsmöglichkeiten (psychische Nahrung) zum Aufbau selbstwertgemäßer Substanz angeboten und zugänglich gemacht werden.

Stumpfsinn, Monotonie, Leere, ständige Langeweile, Passivität und vermittelte Gleichgültigkeit und Desinteresse durch die Betreuer und/oder demütigender wie entwertender Umgang vom Gefängnispersonal sind jedenfalls im höchsten Maße kontraproduktiv und verwalten daher die Problematik lediglich.

Das Ziel der Resozialisierung, die Entwicklung des Willens, dessen anschließende Stärkung und Mobilisierung zur Eigenkontrolle, größeren Eigenständigkeit und psychischen Ausgewogenheit kann nachhaltig bloß erreicht werden, sofern die Ratio dank einer positiveren psychischen Verfassung entinstrumentalisiert und daraufhin weitgehend entkoppelt wird.

Der Wille basiert zwar auf einer rationalen Entscheidung (das Wollen), allerdings ohne die psychischen Voraussetzungen kann über die Realisierung und Aufrechterhaltung (das dauerhafte Können) die Zielsetzung des Willens nicht bewerkstelligt werden. Ein barer Wille ohne die Umsetzung kraft Handlungen ist ein leeres Versprechen und buchstäblich heiße Luft. Heiße Luft, weil der kurzzeitige Antrieb im Nichts verpufft, keine Veränderung hervorgebracht und die Anstrengung allein Energie gekostet hat.

Ein äußerst belangvoller Aspekt im Gesamtszenario sind die mit der psychischen Schädigung hervorgerufenen Ängste respektive Angstformen. Die elementarste und in diesem Kontext relevanteste Angst ist die vor Veränderung, vor Veränderung des existierenden, sehr instabilen und darum latent gefährdeten identitätsgemäßen Gleichgewichts, welches trotz der Fragilität ein Mindestmaß an Sicherheit bietet und deswegen grundsätzlich verteidigt werden muss.

Das Resozialisierungsangebot und -prozedere, will es erfolgreich sein, muss diese prinzipielle Angst vor Veränderung berücksichtigen und mit ihrer Art und Qualität Sorge tragen, dass sich ein identitätsstiftendes Gegengewicht bildet, das einerseits eine Absicherung für den vorhandenen Zustand darstellt, andererseits jedoch zudem eine Option für die Verbesserung der persönlichen Lage, indem Ängste abgebaut und dadurch Energien zur Veränderung freigesetzt werden.

Je größer die psychische Problematik ist, desto angstbesetzter ist ein Mensch und desto intensiver sind seine – unbewussten – Kompensationshandlungen, um einen diesbezüglichen Gegenpol zu schaffen und folglich sein Verharren im bestehenden Status quo.

Die erwähnte starke Angstbesetzung hat ihre Quelle in den erheblichen Frustrationen der Kindheit und dem daraus entstandenen höchst brüchigen, unsicheren und unbeständigen psychischen Konstrukt, das aufgrund seiner Verfassung einer dauernden Bedrohung ausgesetzt ist und demnach – mit allen Mitteln – geschützt werden muss.

Diese – häufig vorwärts gerichtete, präventive – Verteidigung, die im Kern ein Selbstschutz ist, dokumentiert sich nach außen genau mit den Antipoden der mit der Angst implizierten bzw. ihr zugrunde liegender Schwäche. Die Schwäche wird mithilfe von Aggression, Stärke, Kaltblütigkeit, Coolness, Draufgängertum, Furchtlosigkeit und Gewalt überspielt und derweise der Umwelt ein Eindruck vermittelt, der nicht auf die eigentliche Befindlichkeit der Psyche schließen lassen würde. Obwohl dieses Gebaren erkennbar offensiv ausgelegt ist, handelt es sich vom Motiv her um ein Abwehrverhalten.

Personen mit Ängsten, deren Ursachen gleichfalls auf psychischen Schädigungen beruhen, die aber hinsichtlich des Deformationsgrades nicht so tief greifend und fundamental sind, reagieren auf ihre Ängste auch mit dem Überspielen ihrer tatsächlichen Situation, indessen in moderaterer, gesellschaftlich weitgehend akzeptierter bzw. tolerierter Form, wie u. a. mit besonderem Ehrgeiz, erhöhter Strebsamkeit und übermäßiger Erfolgswillen. In diesen Fällen werden die Ängste mittels augenscheinlichen, beispielsweise wirtschaftlichen, sportlichen oder künstlerischen Erfolg beschönigt, überlagert, vertuscht, verschleiert, verheimlicht, getarnt und zugedeckt, um sich dadurch nicht angreifbar und verletzbar zu machen, weil der Erfolg nach außen Stärke, Souveränität und Sicherheit signalisiert.

Menschen, bei denen anlässlich extremer psychischer Anomalien die Energie nicht mehr ausreichend ist, um die ausnehmend starken Ängste anhand von Gewalt oder sonstigen nach außen gerichteten Handlungen – im wahrsten Sinne des Wortes - zu bewältigen (hier sind die zu überwindenden Hemmschwellen bezüglich der notwendigen Energie zu massiv), lenken in autoaggressiver Weise die Gewalt nach innen (gegen die eigene Person) oder sind innerlich gebrochen (Resignation).

Da Abschreckung per Bestrafung durchweg Ängste aktiviert (und dies ferner soll, um zumindest vom theoretischen Ansatz her kriminalitäts- bzw. gewalthemmend zu wirken), greift dieser Ansatz bei Menschen mit wesentlichen psychischen Fehlbildungen nicht, zumal automatisch Gegenreaktionen herausgefordert werden.

Ein Mensch, der sich abschrecken lässt, zeigt – in der Denk- und Gefühlswelt der Betroffenen – nicht Vernunft, sondern Schwäche, die angesichts der ausgeführten Zusammenhänge als nicht akzeptabel betrachtet wird und deshalb kompensiert werden muss (hier sind – im übertragenen Sinne - durchaus Parallelen zu einem Kind in der Pubertät zu sehen, das sich bei Druck immer mehr zurückzieht und keinen Zugang ermöglicht und zulässt). Dann ist Abschreckung entweder wirkungslos oder geradezu kontraproduktiv, weil das Gegenteil der ursprünglichen Absicht eintritt und lediglich erneutes, gegebenenfalls sogar verstärktes kriminelles Verhalten provoziert wird.

Die angesprochenen psychischen Voraussetzungen, ergo die Mobilisierung der nötigen psychischen Kräfte, sind wiederum abhängig von der persönlichen psychischen Struktur, deren Qualität sich in Form des energetischen Haushalts mit seinen biochemischen und physiologischen Prozessen manifestiert hat. Diese Manifestierung ist bei jedem Menschen individuell und daher unterschiedlich. Die ein- und festgefahrene Anlage mit ihrer biologischen, in der Kindheit erwachsenen Grundlage ist in Anbetracht ihres determinativen Wesens die Hauptproblematik für die Veränderung von Verhaltensweisen.

Kurz gesagt: Der Mensch ist in seiner und durch seine Prägung sehr starr und unflexibel.

Energien müssen aus ihren Kanalisierungen in Ängsten und anderen psychischen Verarbeitungsformen wie Verdrängung herausgeholt werden, um den Willen mit der erforderlichen psychischen Kraft zu unterlegen und auszustatten und so in der Konsequenz den Bedarf der Psyche an der Manipulierung der Ratio zu reduzieren.

Dank einer mehr oder minder großen Loslösung aus den beeinflussenden und steuernden Fängen der Psyche kann die Ratio relevante Freiräume erschließen. Diese bedingte Freiheit der Ratio ermöglicht dem Betroffenen sowohl eine wirkliche und nicht nur vorgespielte bzw. von außen aufoktroyierte Einsicht wie zudem die Ausübung einer auf die eigene Person bezogenen Kontrollfunktion (ziemlich realitätsnahe Selbsteinschätzung). Die Einsicht gewinnt folglich an Klarheit und Beständigkeit und bildet damit ein gewisses Fundament zur Verbesserung der psychischen Lage.

Alle erwähnten Faktoren bekunden die grundlegende Schwierigkeit der Resozialisierung, die sich deswegen selbstredend ausschließlich kraft langfristig angelegter Anstrengungen mit einem umfassenden wie ganzheitlichen Ansatz erfolgreich gestalten lässt. Aufgrund der in der Kindheit entstandenen tief greifenden psychischen, biologischen und energetischen Determinationen wird genauso bei einem positiven Verlauf der Resozialisierung stets eine unterschwellige Rückfallgefährdung und hiermit implizierte Labilität bestehen bleiben, ähnlich wie bei einem „geheilten“ Suchtkranken, da trotzdem gewisse Affinitäten betreffend bestimmter Irreversibilitäten dauerhaft Bestand haben.

Bei der Sanktionierung und Resozialisierung spielen die sogenannte Besserungsfähigkeit und generelle Therapierbarkeit die Schlüsselrolle. Diese Voraussetzungen sind von der offensichtlichen Bereitschaft und vor allem von der faktischen Therapierfähigkeit abhängig. In diesem Kontext ist gerne von der Unverbesserlichkeit der jeweiligen Menschen die Rede, die deshalb in lebenslange Sicherheitsverwahrung überstellt werden sollen.

Wie bereits mit dem genannten Begriff „Irreversibilität“ angeschnitten, gibt es psychische, von den biochemischen Prozessen definierte Deformationen, die im normalen, real existierenden Vollzug, der im Gesamtbild auf Repression ausgerichtet ist, nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Die Pharmakologie versucht hier zwar steuernd mit den angezeigten Arzneimitteln einzugreifen, aber dies ist – zumindest Stand heute – bloß in einem begrenzten Ausmaß möglich und wirkungsvoll.

Es muss aber ebenfalls konstatiert werden, dass bei manchen psychischen Konstellationen von – so bezeichneten - hoffnungslosen Fällen gesprochen werden kann bzw. muss, auch sofern ein grundsätzlich therapiegeeignetes Umfeld inner- und außerhalb des Gefängnisses gegeben ist. Diese Menschen wehren sich bewusst und unbewusst, mitunter mittels Einbeziehung großer „schauspielerischer Kompetenz“, indem die Bereitschaft zur Therapie einzig vorgeschoben wird. Jene Personen sind Meister im Täuschen und Vorspielen, weil sie diesbezüglich von klein auf wegen der notwendigen permanenten Verteidigung ihres stark gefährdeten identitätsgemäßen Pseudogleichgewichts reichlich Erfahrungen sammeln konnten oder besser mussten. Das Schauspielen entspricht einer psychischen Reaktionsform und ist eine Antwort auf die psychische Schädigung.

Diese Totalresistenz gegen Therapie und folglich gegen Veränderung ist auf die – unbewusste – essenzielle Angst zurückzuführen, den zwar äußerst fragilen, allerdings trotzdem sicherheitsvermittelnden identitätsgemäßen Status quo zu verlieren. Die Ratio wird gänzlich in den Fängen der kranken Psyche gehalten und ist nicht in der Lage, sich auch nur in Teilbereichen zu befreien und eine wenigstens bedingte echte Eigenständigkeit zu erreichen, was indes die Grundbedingung für eine Therapiefähigkeit ist.

Aus energetischer Sicht betrachtet: Die verfügbaren Energien genügen nicht, um sich auf eine Therapie einlassen zu können, da sie komplett in der – so weit wie machbaren - Aufrechterhaltung des höchst fragilen identitätsgemäßen Pseudogleichgewichtes mit seinen zahlreichen psychischen Reaktionsformen (u. a. auch die Instrumentalisierung der Ratio durch die Psyche) gebunden sind. Sinnbildlich ist der Zugang zur Person durch einen schier uneinnehmbaren Schutzwall von Verdrängungsreaktionen verwehrt bzw. verbaut.

Die Feststellung der konkreten Therapierbereitschaft und demnach ebenso –eignung stellt für den psychologischen Sachverständigen aus den genannten Ursachen und Kausalitäten ein schwerwiegendes Problem dar, mit dem Ergebnis, dass eine Beurteilung und Einschätzung immer ein zweigleisiges Risiko sein wird, einerseits das Sicherheitsrisiko für die Gesellschaft, andererseits das Risiko einer dem Täter verwehrten Chance zur Resozialisierung.

Das – theoretische - Resozialisierungsmodell geht davon aus, dass Verbrechen dann verhindert werden können, sofern an den (vermeintlichen) Wurzeln von Kriminalität angesetzt wird. Diesem leicht nachvollziehbaren Ansatz ist zweifellos beizupflichten, jedoch müssen dann die Motive für Kriminalität sowohl in ihrer unumgänglichen Tiefgründigkeit (u. a. energetische Grundlagen und Determinierungen) wie mit ihrer gesellschaftlichen Verflechtung und Involvierung berücksichtigt werden.

Theoretisch deshalb, zumal Postulat und Realität sehr weit auseinanderklaffen. Die Freiheitsstrafe setzt dem Resozialisierungsziel klare Grenzen, weil die richtigerweise auf Selbstbestimmung, Selbstständigkeit, positive Motivierung und Eigenverantwortung zielende Resozialisierung im Vollzug genau diese Ziele aus organisatorischen und wirtschaftlichen Anlässen und wegen Sicherheitsaspekten nicht fördert. Repression, Angst, Regression und Abhängigkeit sind die Normalität im Gefängnis und verdeutlichen dergestalt die gesellschaftliche Doppelmoral, die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit.

So bilden sich zwangsläufig die Basis und der Nährboden für eine hohe Rückfallquote, die in der Konsequenz noch mehr destruktiven Charakter im Alltag des Gefangenen ergibt. Aber Destruktivität ist für diese Personen extrem kontraproduktiv, da sie selbst in ihrem Inneren destruktiv sind und solchermaßen lediglich eine weitere Manifestation und Verstärkung der psychischen Problematik stattfindet.

De facto ist der Strafvollzug in der Regel für den Gefangenen eine (negative) Bestätigung der Art von Erfahrungen, die ihn im Ergebnis in das Gefängnis gebracht haben, da sie ursprünglicher Auslöser bzw. Triebfeder der Straftat waren (Stichwörter: Entwertung, Demütigung, Bestrafung, Abhängigkeit, usw.).

Resümierend muss festgestellt werden, dass Fälle erfolgreicher und nachhaltiger Resozialisierung nicht aufgrund, bestenfalls trotz Gefängnisstrafe gelingen und dies nur, sobald sich gefängnisinterne und externe, umweltgemäße Konstellationen günstig und glücklich fügen.

Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 5)

Подняться наверх