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3. Die Rolle des Präsidenten und des Obersten Gerichtshofes in der ex ante-Verfassungskontrolle

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Nach dem Verfassungsentwurf, der dem Parlament im Frühjahr 1918 unterbreitet wurde, sollte der Monarch verpflichtet sein, die Meinung des Obersten Gerichtshofes oder des Obersten Verwaltungsgerichtshofes bezüglich aller legislativen Gesetzesentwürfe einzuholen und, falls der Regierungsvorschlag abgeändert worden war, eine neue Meinung einzuholen bevor das Gesetz, das durch das Parlament schon angenommen worden war, bestätigt würde. In der endgültigen Verfassung überließ man solche Anfragen dem Ermessen des Präsidenten. Die gegenwärtige Verfassung enthält immer noch das Recht des Präsidenten, den Obersten Gerichtshof oder den Obersten Verwaltungsgerichtshof anzurufen, bevor ein Gesetz, das vom Parlament angenommen wurde, bestätigt wird: „Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz ist dem Präsidenten der Republik zur Bestätigung vorzulegen. Der Präsident hat über die Bestätigung des Gesetzes innerhalb von drei Monaten zu entscheiden, nachdem das Gesetz zur Bestätigung vorgelegt worden ist. Der Präsident kann über das Gesetz ein Gutachten des Obersten Gerichtshofes oder des Obersten Verwaltungsgerichtshofes einholen.“ (Art. 77 Abs. 1)

Eine Verfassungskontrolle wird nicht ausdrücklich als Entscheidungsgrund für die Anfrage des Präsidenten bei dem Obersten Gerichtshof oder bei dem Obersten Verwaltungsgerichtshof genannt, aber verfassungsrechtliche Zweifel sind immer als legitimer Grund angesehen worden, ein solches Verfahren durchzuführen. In der Praxis hat der Präsident sich eher selten dieser Möglichkeit bedient. In zwei Fällen hat der Präsident aus verfassungsrechtlichen Gründen und in Übereinstimmung mit der Meinung des Obersten Gerichtshofes entschieden, ein Gesetz nicht zu bestätigen. Im Jahr 1923 betraf die Kontroverse das Recht auf Eigentum[35] und im Jahr 2002 die Auslegung des Selbstverwaltungsgesetzes Ålands.[36] In beiden Fällen hatte der Grundgesetzausschuss bereits eine Haltung bezüglich der verfassungsrechtlichen Frage eingenommen und der Oberste Gerichtshof war jeweils zu einer anderen Ansicht als der Ausschuss gelangt. Beide Fälle führten auch zu einem gleichen Ergebnis. Die Regierung trat den Rückzug an, indem sie den Vorschlag zurückzog und ihn durch einen neuen Vorschlag ersetzte, der mit der Ansicht des Obersten Gerichtshofes in Einklang stand.

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Die beiden Fälle scheinen den Vorrang der ex ante-Verfassungskontrolle des Grundgesetzausschusses herauszufordern. Allerdings sollte ihre Bedeutung nicht überbewertet werden: Sie bleiben außergewöhnliche Ereignisse. Außerdem kann das Eingreifen des Präsidenten erklärt und zumindest teilweise gerechtfertigt werden durch die besonderen Verantwortlichkeiten des Präsidenten und des Obersten Gerichtshofes bezüglich der Selbstverwaltung Ålands.[37]

§ 98 Verfassungsgerichtsbarkeit in Finnland › II. Das gegenwärtige System der Verfassungskontrolle › 4. Gerichtliche ex post-Kontrolle

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