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DAS LETZTE ABENDMAHL MIT SCHNAPS UND WITZEN

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Im siebenten Ferrari-Himmel und auf einmal die (Unfall-) Hölle auf Erden. Wie viele andere auch, trifft es mich echt hart, von Schumis Schiunglück am 29. Dezember 2013 zu erfahren. Noch dazu, wo wir beide kurz davor noch beim gemeinsamen Abendessen sitzen.

„Ein Abend mit der Nummer eins“, unter diesem Motto veranstaltet die DVAG eine exklusive Serie von Incentives für ein ausgewähltes Publikum. Ich darf moderieren. Nürnberg im Dezember. Ich ahne nicht, dass dies die letzte Veranstaltung dieser Art sein sollte. Und das letzte Mal, dass ich Schumi treffe. „Ein Abend mit der Nummer eins“. Er verfliegt im Nu. Wir sorgen für die Show. Der Vorhang fällt …

Michael schlägt vor: „Hör mal, wir sollten noch was zusammen essen gehen und einfach ein bisschen Unsinn erzählen.“ Meine Frau komplettiert die Runde. Es ist kurz vor den Weihnachtsfeiertagen. In einem gemütlichen Restaurant erwartet uns schon ein feierlich gedeckter Tisch. Ich bestelle Schäufele (Schweinsschulter) und Michael irgendwas Rustikales. Dazu fließt der eine oder andere Schnaps. In dieser Laune erzählt Schumi einen Witz nach dem anderen. Lachen ohne Ende. Spaßige Stunden. „Und was machst du jetzt so über die Feiertage? Wie geht’s weiter? Es ist doch bald Weihnachten.“ Er antwortet: „Morgen fliege ich nach Méribel zum Schifahren. Die Familie ist bereits dort.“ – „Ein tolles Schigebiet. Da wünsche ich dir viel Vergnügen.“ Fertig essen, plaudern, herumalbern. Unsere Wege trennen sich. Ein lustiger Abschied. Ich mache mich auf den Heimweg. Am nächsten Tag hebt Michael nach Frankreich ab.

Später, zu Hause dann – ich glaube es lief „n-tv“ –, lese ich in den Schlagzeilen: „Schwerer Unfall von Michael Schumacher!“ Ich rufe meine Frau herbei. „Guck mal, hier! Die haben sie nicht mehr alle, die spinnen schon wieder rum. Michael ist im Urlaub, wo soll er denn einen schweren Unfall gehabt haben?“ Bei einem Unfall von Schumacher denkt doch jeder automatisch ans Auto. Unmöglich. Der ist doch unverletzlich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.

Immer mehr Details kommen ans Tageslicht: „Schiurlaub in Méribel!“ Schön langsam fange ich zu überlegen an. Was ist passiert? Auch ich beginne zu recherchieren und versuche, die Wahrheit herauszufinden.

Stück für Stück mehr Informationen. Bis zur traurigen Gewissheit. Mir stockt der Atem. Vor Kurzem noch das letzte Abendmahl. Mit Schnäpsen und Witzen. Tage später vergeht der gesamten Formel-1-Welt das Lachen. Ein tragischer Schiunfall! Ich kann es einfach nicht glauben. Unfassbar. Undenkbar. Unwirklich.

Mein Telefon läuft heiß. Ich werde laufend kontaktiert. Sowohl vom Sender als auch von allen möglichen Zeitungen. Alle wollen von mir wissen, was passiert ist. Was ich weiß. Sofort gehen die wildesten Gerüchte herum: „Michael, ein Adrenalin-Junkie!“ Nein, nicht mit mir. Das habe ich seit jeher verneint. Auch mein damaliger Sportchef springt auf diesen Zug auf und möchte diese Schiene fahren. Ich erhebe meine Stimme und sage dazu klipp und klar nein: Michael ist kein Typ, der das Risiko sucht. Er spannt kein Seil zwischen zwei Bergen und balanciert ungesichert rüber, nur weil er den Kick braucht. Sicher nicht.

Natürlich sitzt er in einem Rennauto und rast mit 300 km/h im Kreis. Das ist so, wie wenn unsereins rückwärts einparkt. Ein bisschen aufpassen, aber keine große Sache. Alles, was Michael tat, hatte er unter Kontrolle. Ich äußere eine Bitte: „Macht nicht etwas aus ihm, was er absolut nicht ist.“ Dann suchen wir Interviewausschnitte heraus. Genau jene, wo ich mit ihm über Adrenalin spreche. Er sagte immer, dass er das Adrenalin nicht brauche. Und dass er wisse, was er tue.

Bei diesem Schiunfall wollte Michael mit 20 km/h die Piste wechseln. Da ist es passiert. Schlichtweg ein Unglück. Er sprang nicht irgendwo von einem Helikopter auf eine ungesicherte Piste oder hatte die Absicht, die „Drei Zinnen“ runterzupressen. Es war ein Unglück. Pech. Schicksal. Jeden hätte es treffen können. Wäre er schneller gewesen, vielleicht wäre ihm dieser Stein nicht in den Weg gekommen.

Natürlich will ich wissen, wie es Michael geht. Ich kontaktiere seine Managerin Sabine Kehm. Ich spreche auch mit anderen Personen, die ihn vor Ort besuchten. Jean Todt macht nach wie vor regelmäßig seine Aufwartung.

Darüber spreche und schreibe ich aber nicht. Das ist privat. Nur die Familie hat das Recht zu entscheiden, was in die Öffentlichkeit gelangen soll und was nicht. Daran halte ich mich. Nach wie vor treffe ich hie und da auf seine Angehörigen. Meistens beschränkt es sich auf ein kurzes „Hallo“.

Was wäre ich nur für ein Mensch, würde ich diese Gelegenheiten ausnützen, um nach dem Gesundheitszustand zu fragen? Sein Sohn Mick steht ja gerade am Anfang der Formel-1-Karriere. Ich will gar nicht wissen, wie häufig er darauf angesprochen wird, wie es seinem Vater geht.

Um ehrlich zu sein, bin ich auch sehr froh darüber, dass ich nicht mehr weiß. Oder gar zu TV-Sendungen eingeladen werde, um darüber zu reden. Da bin ich lieber außen vor statt mitten drin. Das ist für mich so eine Art Selbstschutz. Ich arbeite beim Fernsehen und kenne mich mit unbestätigten Gerüchten bestens aus. Ich finde es auch gut, dass die Familie jetzt so zurückgezogen lebt. Und hoffentlich zur Ruhe kommt.

Ich kann mich gut erinnern, in der Zeit, bevor Michael Weltmeister wurde, habe ich ihn einmal von zu Hause zu einem Dreh abgeholt. Er lebte damals noch in Kerpen-Manheim. Bereits zu diesem Zeitpunkt sagte er mir, dass er hier bald mal umziehen muss. Mit steigender Bekanntheit standen plötzlich wildfremde Leute bei ihm im Garten, die gemeinsam mit ihm grillen wollten. Das musst du dir vorstellen: Keine Ruhe! Nicht einmal auf dem eigenen Grundstück. Irgendwo ist die Grenze …

Ich fühle mit der Familie mit. Immer wieder tauchen irgendwelche wilden Spekulationen auf. Ja, sogar Verschwörungstheorien von wegen Michael sei entweder wieder vollkommen gesund oder schon tot. Schrecklich! Es zeigt aber auch, welchen Stellenwert er nach all den Jahren weiterhin besitzt. Michael ist eine der wenigen großen, deutschen Sportkanonen. In dieser besonderen Kategorie fallen mir nur noch zwei Namen ein: Franz Beckenbauer, obwohl er ja aus einem Teamsport kommt, und Boris Becker. Für das Trio gibt es aus dem Medien-Karussell kein Entkommen.

Kai Ebel - Von Schumacher bis Schumacher

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