Читать книгу Mich gelüstet's nach Idylle - Karen Eva Noetzel - Страница 10
ОглавлениеHEINRICH BLENDINGER Vom Fischreichtum
Nicht die Schönheit des Sees lockte die ersten Siedler hierher, sondern sein Fischreichtum, und noch heute spielt der Fischfang im Leben der Seedörfer eine solche Rolle, daß wir etwas Wesentliches auslassen würden, wenn wir davon nicht erzählten.
Der wichtigste Fisch des Sees ist der Renken (Blaufelchen). Um ihn zu fangen, senkt man eine Reihe zusammengehängter feinmaschinger Netze „Segen“ (lat. sagena) ein. Die Holzstücke, an denen die Netzenden hänge, sorgen dafür, daß diese Netze nicht untergehen; sie hängen also wie ein langes Gitter tief in das Wasser hinunter. In der Nacht „gehen dann die Renken an“, sie kommen vom Grund herauf, stoßen mit dem Kopf in die feinen Maschen und können sich nun nicht mehr loslösen. Im Morgengrauen zieht dann der Fischer die Netze ein, wenn er nicht fluchend feststellen muß, daß sie durch eine Strömung weit vertragen oder ineinander verfilzt sind. Das tritt dann ein, wenn „der See rinnt“. Es handelt sich da um Strömungen im Wasser, oft gegen den Wind, oft auch bei völliger Windstille. – Eine zweite Hauptform der Fischerei ist das Setzen von „Däsern“. Manchem Kahnfahrer sind sich schon Stellen in der Nähe des Seeufers aufgefallen, die einen Haufen Reisig zeigen. Das sind die „Däser“ (wohl = Dachsen, schwäb. Daas, das heißt Reisigzweige). In einen durch eigetriebene Stangen gebildeten Kreis wirft man das Reisig hinein, dessen Gewirr die Fische gerne aufsuchen. Nach einiger Zeit wird dann das „Dos ausgestoßen“. Man setzt rings um die Stangen ein Jagnetz und sticht in das Reisig hinein um die Fische in das Netz zu treiben. Oder man zieht die Zweige heraus und setzt an ihre Stelle Reusen in den Kreis hinein. Das sind zylinderförmige Fangnetze mit drei nach innen eingestülpten Öffnungen, den sogenannten Aberhacken. Die Fische, die nun ihre Deckung im Reisig verloren haben, schlüpfen in jene Reusen hinein. Auf diese Weise fängt man mehr die kleineren Fische, Bürschlinge, Rüßlinge, Saiblinge und Lauben, aber auch die größeren Nerflinge.
Die großen Raubfische werden vor allem im Frühjahr in der Laichzeit gejagt. Durch das Laichen ermüdet oder ganz davon in Anspruch genommen, stehen sie da unbeweglich im Wasser. Das geübte Auge des Fischers erkennt solche ruhenden Fische oft noch 3–4 m unter dem Wasserspiegel. Leise umstellt er nun den Fisch mit einem Jagnetz und schreckt ihn dann durch Hineinstoßen mit einer Stange aus seiner Ruhe auf. Diese Fangart gilt vor allem dem großen, silbergrauen, bis zu 15 kg schweren Amaul oder Zander, der besonders an dem Höhenrand zwischen Stegen und Buch „bei den weißen Bergen“ „auf dem Bruch steht“, oft auch zwischen den Nagelfluhfelsen von Ried am Nordende der Herrschinger Bucht. Den Hecht jagt man gern in ein am Schilfrand ausgesetztes Netz hinein, wenn man ihn außen in der Nähe des Schilfes stehen sieht. Auf diese Weise werden auch die guten, freilich recht grätenreichen Brachsen und die bis zu 20 kg schweren Karpfen gefangen.
Am interessantesten ist gewiß die Eisfischerei. Da handelt es sich um das Kunststück, die 260 m lange „Eissegen“ unter das Eis zu bringen und auseinander zu falten. Eines Tages erscheinen etwa 16 Fischer, z.B. die von Schondorf und Breitbrunn auf dem See. Auf einem Schlitten ziehen sie das große Netz hinter sich her. Nach uralter Sitte wird vor dem ersten Fischfang ein kurzes Gebet gesprochen. Nun wird in einiger Entfernung vom Ufer ein Loch in das Eis geschlagen, das sogenannte Setzloch. Dieses Setzloch dient zum Einführen des Netzes in das Wasser. Näher dem Ufer zu wird ein zweites Loch geschlagen, das Fangloch, aus dem dann später das Netz wieder herausgehoben wird. Die beiden Löcher stellen etwa die Endpunkte eines Kreisdurchmessers dar. Auf der Kreislinie werden nun in Abständen von je 22 Schritt kleinere Löcher mit der Axt eingeschlagen. Doch stellt das Ganze nicht einen regelrechten Kreis dar, vielmehr geht es zunächst von dem Setzloch ganz gerade nach rechts und links bis zu den „Reiblöchern“, wo dann die Reibung, das heißt die Umbiegung gegen das Fangloch beginnt. Das Netz ist nun im Setzloch eingeführt. Es hat an seinen beiden Enden je ein Tau von 150 m Länge. An jedem Tauende ist wieder eine Stange befestigt. Diese Stangen werden nun nach beiden Seiten von Loch zu Loch unter dem Eis gestoßen, damit also auch die Taue, an denen das Netz hängt. So kann sich das Netz schön auseinanderfalten, bis es ein langes vom rechten bis zum linken Reibloch reichendes Gitter darstellt. Dann biegen beide Netzenden, gezogen von den Tauen, ein und so geht es immer enger zusammen von Loch zu Loch, bis die Stangen mit den Tauen von beiden Seiten her im Fangloch anlangen. Vor dem Fangloch wird in einen Eiseinschnitt, das „Guksloch“, noch die „Färhel“ eingelassen, damit den Fischen auch der Ausweg nach dem Ufer versperrt ist. Nun kann das Herausziehen des Netzes beginnen. Je weiter es herauskommt, desto mehr werden die eingekreisten Fische gegen die Mitte des Netzes zusammengedrängt, an dem eine Art Sack angebracht ist, „der Bär“, in den die Fische leicht hinein, aber nur schwer wieder heraus können. Darin wimmelt es dann in der Regel von Fischen; viel kleines Zeug ist darunter, das sie wieder ins Wasser werfen, aber es finden sich auch schöne Brachsen und Renken, oft sogar ein mächtiger Hecht und schwere Karpfen. Ein guter Zug bringt etwa 12 Zentner, ein Durchschnittszug 70–80 Pfund. Im Jahr 1917 wurden vor Wartaweil einmal 72 Zentner herausgeholt! Überhaupt ist der südliche „Obersee“ noch fischreicher als der nördliche Untersee. Dort gibt es viel mehr Brachsen, dort wird auch der in der Tiefe lebende Kropffelchen oder Kilch gefangen. Während nun beim Herausholen des Bärs alles neugierig das Fangloch umsteht, ziehen manchmal ein paar Fischer ein Seil um die Leute und sprechen: „Wir schnüren auf Grafen und Fürsten, weils uns Fischer tut alleweil dürsten. Ist das Trinkgeld groß oder klein, wir Fischer werden stets zufrieden sein.“ Mit einem kleinen Trinkgeld wird man dann wieder von dem Banne gelöst. Das ist ein alter Brauch der Fischerzunft, zu der etwa 40 Fischer am See gehören. – Das Fischrecht besitzt ja der Staat. Aber der hat es an diese 40 verpachtet, vielmehr an bestimmte Häuser, denn das Fischrecht liegt auf dem Haus, nicht auf den Personen. Am Peter- und Paultag (29. Juni) hält die Fischerzunft ihren Jahrtag in Diessen ab. Früh geht’s hin zur Johannes-Kirche, am Nachmittag wird der „Peterstag“ tüchtig durch Essen und Trinken gefeiert.