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ERNST BLOCH Gedenken an Elsa

Mitte August: Es wird wieder Herbst und ich erinnere mich. Ich erinnere mich an den frühen Herbst vor einem Jahr, wie wir uns in Garmisch, dem vertrauten, wiederfanden und ich die Arbeit wieder lernte. Die Fremden waren fast schon weg, und von dem entsetzlich gewordenen Schieber-Kurort war nicht mehr viel zu sehen; mein altes Refugium, unser Garmisch, trat einmal, noch einmal hervor. Jetzt ist es auch damit aus; Frau Erdmann, die Besitzerin des Hauses, in dem wir stets gewohnt hatten, berichtete Trübes von der Entstellung der alten Idylle; - es ist gut so, ich werde nicht wieder hinziehen, wie ich zuerst, aus der Öde meiner Heimatlosigkeit, vorhatte; ich fange an, zu überleben, auch äußerlich pure „Damals“ zu haben, wie ein sehr alter Mann. –

Hier in Herrsching, wohin ich mich aus der Schlaflosigkeit Seeshaupts gerettet habe, und ich wenigstens meinen alten Kinderschlaf glücklich wieder fand, bin ich ganz allein, nachdem ich eine ungemäße Bekanntschaft abgestoßen habe und mich ekle vor der Trivialität der mir begegnenden Menschen. Auf einem sozusagen Gauklerball sah ich zu. Bei einigen Malerinnen trank ich Tee: das erinnerte mich etwas an Elses Münchner Leben, bevor ich sie kannte. Ich gehe umher wie ein alter

Mann, träume mich in den Tod hinein, bin unaufhörlich vom Tod, von Gesprächen mit Ihr umleuchtet; brausen die Wasser, die Feuerströme meiner Philosophie. „Herbstnebel wallen bläulich überm See“ – oft singe ich mir diese Melodie vor, aus Mahlers Lied von der Erde(11): Der Einsame im Herbst. Aber es war stets so: darüber, davon kann ich nicht traurig werden; konträr, schon als Knabe wanderte ich im Herbst über die Ebenen, am Rhein, glücklich über die Wolken, die gelbe Sonne, die kühle, tiefsinnige Luft. „Sonne der Liebe“, willst Du nie mehr scheinen?“ – nein, das will sie nicht mehr, allerdings nicht. Ich sehe dem Winter entgegen; will in diesem ein weiteres Stück meines Werks abarbeiten, ans Licht bringen, mein irdisches Pensum tun; ich fühle, meine Arbeitskraft wird nicht erlöschen, trotz schwerem seelischem Bedrohtsein; sie ist sehr groß, stark und aushaltend, wird mir bleiben bis zum letzten Donnerschlag. Dann: so tief und unerträglich zuweilen auch meine Depression ist, das Gefühl der kranken Überwachheit – fühle ich doch in diesem zur Zeit allzu verworrenen Zustand, in meinem allzu verlassenen Bewußtsein: mir kann nichts mehr zustoßen, die eine letzte Sekunde löst alles, und dann fühle ich mich auch wieder wie Kinder im Dezember, wenn sie an den Weihnachtsmann denken.

Mich gelüstet's nach Idylle

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