Читать книгу Mich gelüstet's nach Idylle - Karen Eva Noetzel - Страница 17
ОглавлениеBERTOLT BRECHT Zeit meines Reichtums
Sieben Wochen meines Lebens war ich reich.
Vom Ertrag eines Stückes erwarb ich
Ein Haus in einem großen Garten. Ich hatte es
Mehr Wochen betrachtet, als ich es bewohnte. Zu
verschiedenen Tageszeiten
Und auch des Nachts ging ich erst vorbei, zu sehen
Wie die alten Bäume über den Wiesen stünden in der
Frühdämmerung
Oder der Teich mit den moosigen Karpfen lag, vormittags,
bei Regen
Die Hecken zu sehen in der vollen Sonne des Mittags
Die weißen Rhododendrenbüsche am Abend, nach dem
Vesperläuten.
Dann zog ich ein mit den Freunden. Mein Wagen
Stand unter den Fichten. Wir sahen uns um: von keiner
Stelle aus
Sah man dieses Gartens Grenzen alle, die Neigungen der
Rasenflächen
Und die Baumgruppen verhinderten, daß die Hecken sich
Erblickten.
Auch das Haus war schön. Die Treppe aus edlem Holz,
sachkundig behandelt
Flachstufig mit schönmaßigem Geländer. Die geweißneten
Stuben
Hatten getäfelte Hölzer zur Decke. Mächtige eiserne
Öfen
Von zierlichster Gestalt trugen getriebene Bildnisse:
arbeitende Bauern.
In den kühlen Flur mit den eichenen Bänken und
Tischen
Führten starke Türen, ihre Erzklinken
Waren nicht die erstbesten, und die Steinfliesen um das
bräunliche Haus
Waren glatt und eingesunken von den Tritten
Früherer Bewohner. Was für wohltuende Maße! Jeder
Raum anders
Und jeder der beste! Und wie veränderten sich alle mit
den Tageszeiten!
Den Wandel der Jahreszeiten, sicher köstlich, erlebten
wir nicht, denn
Nach sieben Wochen echten Reichtums verließen wir das
Besitztum, bald
Flohen wir über die Grenze.