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HELENE BÖHLAU Im Garten der Frau Maria Storm

Aus dem 3. Kapitel

Der See rauschte im frischen Wind Schaumwellenköpfchen auf. Das Gebirge stand leuchtend und strahlend in Sonnenherrlichkeit. Die Dörfer und einzelne Häuser am Seeufer waren eingebettet wie Kleinodien in grüner Emaille. Ein Funkeln und Strahlen. Die Herrlichkeit Gottes lag ausgebreitet vor jedermanns Augen, und alles Häßliche, Alltägliche war wie versunken, so wie es in einer Seele ist, in der der Stern des Lebens aufgegangen ist. In einer kleinen Bauernstube, nahe am Seeufer waren vier Wesen eifrig dabei, den kleinen Raum zu schmücken. Blumensträuße, grüne Maienzweige, und ein emsiges Huschen und eifriges Tun. Da war ein zartes feinknochiges Dirnlein mit einem Blumengesichtchen, zwei Buben Ottomar und Heinrich und ein Weiblein mit einer kleinen Stumpfnase, zwei Zöpfen um die Ohren gelegt, mager und gelenk wie ein Bub, ein Weiblein, das Kind, Bub und Weiblein war, nicht hübsch, ein wenig seltsam für den, der es zuerst gewahrte.

Diese vier waren versunken in ihrer fröhlichen Arbeit, das Gemach mit allen Herrlichkeiten der Erde zu schmücken und dazu gehörte auch ein roter baumwollener Sonnenschirm mit einer Blumenkante. „Die wird schauen! Das Muttili! Jubeln müssen wir, - entgegenlaufen und laut jubeln!“

Und das taten sie. Sie standen am See auf dem Dampfschiffsteg und der Wind zauste ihnen die Haare, die Gewändchen flogen. Hand in Hand standen sie alle vier, so leicht, so beflügelt, als müßten sie sich, um nicht fortgeweht zu werden, aneinander halten.

Das alte würdige Dampfschiff, das aus der Ferne herangewachsen war, rauschte gewaltig auf. Die grünen Wogen hoben sich und schwollen an, das Schiff schnob, die Seile wurden geworfen, die Balken des Steges krachten. Alles schwankte. Die Kette der Leichtbeflügelten jubelte auf, Dampf, Rauch, Stöße, Bewegung aller Art, und Heinrich und Ottomar stürzten voran, auch das Dirnlein.

„Onkel Sebald!“ jubelte Heinrich, „da ist sie schon!“ und der gute Freund, mit dem frohen Wanderschritt, kam und begrüßte Maria. „Aber jetzt wird’s ernst“, sagte er, „frag deine Buben, jetzt bleibt ihr hier, wir lassen dich nicht wieder fort, frag Heinrich und Ottomar.“ Die gingen, die Mutter fest umschlungen haltend, neben ihr. „Ja“, sagte Ottomar, „hier geblieben wird! ?s Häusel ist da.“

Maria lächelte und sah in die strahlenden festen Augen ihres guten Freundes. „Ich glaube, das weißt du, an deine Wunder“, sagte sie; „aber laßt mich nur zu Atem kommen, es ist ja, als käme ich hier in einen Wind hinein.“

Und der Wind blies auch überdies frisch und lebensvoll, die Wellen rauschten und das Mailaub rauschte weich und lebendig, wie junge unverhärtete Herzen in Lebensseligkeit rauschen. Jung und voll keimender Kraft war alles um Maria, Menschen, Kinder, Laub, Blüten, Baum und Strauch und das tiefe große Wasser klang mit starken Akkorden. Die blaue Himmelsbahn, mit ihren sonnendurchleuchteten segelnden Riesenwolkenbergen, überwölbte alles. Die gewaltige Gebirgskette war im Sonnenglast zu zarten schimmernden Gebilden aufgelöst, eine große Herrlichkeit, die in die Herzen drang.

Der starke duftende Maiwind war mächtiger als alles Wollen. Da waren sie am Bauernhaus und in Marias Stübchen, das mit allen Herrlichkeiten der Erde geschmückt worden war. Und jeder zeigte nun, welchen Anteil er an der ganzen Pracht hatte.

Maria fühlte sich wie betäubt vom Andrang des Lebens. Sie verstand sich selbst nicht, daß ihr alles zu viel wurde und ihr wie ein Bedrängnis erschien.

Als ihr Sebald, an dessen Armen beide Buben hingen, sagte: „Maria, Eure Heimat hat sich gefunden.“ Da schaute sie in so lebendige Augen, daß sie den Schreck überwand und fröhlich sagte: „Habt ihr ein Schneckenhaus gefunden, ihr drei?“

„Nein“, rief Heinrich, „es ist ganz ein wirkliches Haus und ein wirklicher Garten.“

„Aber“, sagte Sebald, „für Euch wie vom Himmel gefallen.“

Es währte nicht lange, und Maria wußte alles, sie waren dort gewesen und hatten geschaut und hatten wirklich ihre neue Heimat gesehen, ein niederes breites Haus, mitten in einem Garten, der Blick über den See auf das Gebirge, das in seiner ganzen Herrlichkeit vor ihnen lag und alle waren mitgezogen, das Dirnlein Brankoni und die glückseligen Buben.

Und dann saßen sie miteinander im blumenreichen Stübchen, daß die Kinder und das Weibchen mit allen Herrlichkeiten dieser Erde geschmückt hatten – und beide waren, jedes auf seine Art, tief bewegt. Der Wind hatte sich gelegt, der See lag ruhig und schimmerte perlmuttfarbig, die Sonne stand hinter leichtem Dunst, das Gebirge hell wie ein Hauch, farblos geisterhaft, das Grün des Maienlaubes zart hineingewoben in das sanfte Abendbild. So kamen sie ins Dorf, in dem alles noch farbig, stark leuchtend war, die Gerüche, die Laute voller Leben sich aufdrängend; und wieder ging’s durch einen Bauerngarten unter spät blühenden Apfelbäumen hin, Blüten, junge Blätter, rosige Pracht des Mai und man stand vor einer Scheune, um welche ländliche Gerätschaften lehnten und lagen, Bretter, entrindete Birken und Eschenstämmen.

Sebald holte den Schlüssel zu Garten und Haus, und sie besahen sich alles andächtig noch einmal. Abendstille lag in den sauberen, leeren, gut gehaltenen Zimmern, aus denen ein fremdes Leben geschwunden war, und die nun bereit waren, neues Leben in sich aufzunehmen. Der Garten in seiner abendlichen Maienpracht duftete ganz wundersam nach blühenden Apfelbäumen. Vom Gras stieg der feien Opferruch der lieben Veilchen auf, ein paar Kaiserkronen hoben die stolzen Häupter, und alles keimte und drängte aus der dunklen Erde hervor. Weit zog sich der Garten bis zum Seeufer hin; da schatteten alte weichlaubige helle Buchen einen festen Rasenboden, auf dem man wandeln konnte, der teppichgleich moosig sich ausbreitete. Das Gebirge leuchtete in seiner letzten Sonnenpracht über das Dämmerland.

Mich gelüstet's nach Idylle

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