Читать книгу Ich bin Luis! - Karin Dornhöfer-Neumann - Страница 9

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5. Ein schlimmer Verdacht

„Hallo! Erde an Mila! Bitte kommen!“

Noahs Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

Heute ist der letzte Schultag vor den Sommerferien, und weil es genauso schön warm ist wie die ganze letzte Woche, hat Peter am Nachmittag die Musik-AG ausfallen lassen und ist stattdessen mit uns hierher ins Städtische Schwimmbad gefahren. Die anderen acht aus der Gruppe schwimmen im tiefen Becken um die Wette. Sie haben bestimmt noch nicht gemerkt, dass Noah und ich uns auf die Liegewiese verdrückt haben, ganz an den hinteren Rand. Dahin, wo die Mütter mit ihren quäkenden Babies campieren. Und wo deshalb kein normaler Mensch freiwillig sein Badetuch ausbreitet. Aber hier haben Noah und ich für kurze Zeit unsere Ruhe.

Wir sind beide nicht so genial im Schwimmen. Wenn wir uns ein bisschen abgekühlt haben und die Wasserrutsche zweihundert Mal hinuntergesaust sind, reicht uns das. Außerdem sind die anderen aus unserer Gruppe sowieso froh, wenn sie uns los sind.

Wir liegen also gerade auf unseren Handtüchern, als mir der blöde Traum von letzter Nacht wieder einfällt. Sofort fange ich an zu frieren.

„Was machst du denn für ein Gesicht?“, fragt Noah so- fort.

Mann, der sieht aber auch alles! „Och, nichts. Ich musste nur gerade an etwas denken.“

Jetzt ist seine Neugier geweckt, und er wird nicht eher Ruhe geben, als bis er alles weiß, ich kenne ihn. „Sag schon! Ist was passiert?“

„Nö. Bloß ein Traum.“

Seine Augen werden kreisrund. „War's schlimm?“

Ich nicke.

Noah holt tief Luft. „Also, mein Papa sagt immer, etwas Schlimmes wird nicht dadurch besser, dass man es für sich behält. Man muss drüber reden, dann ist es nur noch halb so wild. Wirst sehen!“

Das glaube ich nicht. Noah wird mich für bekloppt halten, wenn ich ihm alles erzähle.

Aber jetzt fängt er an, mit den Fingern zu schnipsen und guckt mich dabei voll an. Soll heißen: Ich. Will. Es. Wissen. Jetzt!

„Okay“, gebe ich nach, „aber du wirst es doof finden.“

„Schieß los!“

Er setzt sich auf und hört mir atemlos zu. Seine Augen werden dabei so groß wie Satellitenschüsseln. Am Schluss schnappt er nach Luft.

„Boah! Das ist das Härteste, was ich je gehört habe, echt! So was kann sich keiner ausdenken. Und du bist sicher, dass das dein Onkel war, der dich da verfolgt hat?“

„Ja-ha.“

Er pfeift durch die Zähne. „Also, ich finde ja auch, dass er nicht der Netteste ist, aber umbringen will er dich, glaube ich, nicht. Dafür kommt man ja in den Knast.“

Noah sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Da ist doch noch was. Das sehe ich dir an. Du verschweigst noch etwas, oder?“

Ich nicke. „Hm, ja … Gestern Abend … Da war Onkel Dennis tierisch böse. Nicht nur ein bisschen, sondern er sah so aus, als würde er gleich mit Messern um sich werfen.“

„Warum?“

Ich hole tief Luft. „Er und Alexander wollen für zwei Wochen nach Italien fliegen. Und ich soll mitfliegen.“

Noah strahlt. „Hey! Das ist doch super! Da könnt ihr mich mitnehmen!“

Ich grinse schwach. „Würde ich gerne. Aber Onkel Dennis will, dass ich dort richtig schwimmen lerne. Im Meer.“

„Ups …“ Er wiegt den Kopf hin und her. „Ich glaube, das tun die Leute dort im Urlaub.“

„Aber du weißt doch, dass ich solche Angst vor dunklem Wasser habe. Hier im Schwimmbad kann ich den Boden sehen. Aber das Meer ist so tief …“

„Schon kapiert. Wär auch nicht mein Ding, das weißt du ja. Mit tiefem Wasser habe ich es auch nicht so.“

Ich fahre zitternd fort. „Und als ich gesagt habe, dass ich lieber hier bleibe oder zu Onkel Richard fliege, ist er ausgerastet.“

„Das tut er doch ständig, oder?“ Noah gluckst. „Ist doch nichts Neues.“

„Aber diesmal habe ich voll Angst bekommen, so giftig hat er dabei geguckt. Und Alexander hat gesagt, wir sollten es doch mal miteinander versuchen, und Italien ist um diese Jahreszeit so schön … “

Noah seufzt. „Ist es bestimmt auch. Wahnsinnig schön.“

„Danach hat Onkel Dennis gesagt, das ist für ihn beschlossen. Und er und Alexander sind in den Reitstall gefahren. Ohne mich. Er sagte, er ist jetzt so sauer, dass er mich vor heute früh nicht mehr sehen will.

Und als sie später wieder zurückgekommen sind, war ich noch wach und habe zufällig gehört, wie er zu Alexander gesagt hat, er will das Problem Mila im Italien-Urlaub ein- für allemal lösen.“

„Ups … Was soll das denn heißen?“

„Genau das ist es, was mir solche Angst macht. Deshalb habe ich wohl hinterher diesen Mist geträumt.“

„Du meinst … er will, dass du im Meer ertrinkst oder so was?“

Ich kriege voll die Gänsehaut. „Weiß nicht.“

„Also, das glaube ich nicht! So was passiert nur im Film. Er hat damit bestimmt was ganz anderes gemeint.“

„Und was?“

Noah kratzt sich am Kopf. „Zum Beispiel, dass er dich im Urlaub von morgens bis abends zutextet, bis du ihn supertoll findest.“ Er seufzt. „Italien ist echt klasse. Aber für meine Mama wäre es dort zu warm. Sie müsste mit ihrem Asthma eher an die See fahren oder ins Gebirge. Sie hat schon lange eine Kur beantragt, aber da tut sich nichts. So was kriegen immer nur die reichen Leute, die es sich eigentlich leisten könnten, auch so hinzufahren.“

In diesem Augenblick fällt ein Schatten über uns.

„Aha! Da seid ihr zwei Ausreißer also!“

Peter! Er hat sich mit seiner erdbeerroten Badehose und seinen Spargelbeinen neben uns aufgebaut, die Hände gespielt zornig in die Hüften gestemmt. Aber ich sehe es in seinen Augen funkeln.

„Wollt ihr beiden Hübschen nicht auch mal vom Dreier springen? Er wird gleich zugemacht.“

Noah und ich verziehen das Gesicht.

„Nee. Muss nicht sein, oder?!“, murmelt Noah.

Ich schüttle den Kopf, dass die Wassertropfen nur so spritzen.

„So, so. Aber eine Runde schwimmen könnt ihr mit uns. Der Bademeister steckt uns gerade eine Bahn ab. Und ihr beide könnt noch ein wenig Übung vertragen, nicht wahr?!“

„Öhm …“, beginnen wir beide gleichzeitig.

„Kommt! Wer zuletzt am tiefen Becken ankommt, ist eine lahme Schnecke.“

Noah und ich haben überhaupt kein Problem damit, eine lahme Schnecke zu sein, aber Peter zuliebe sind wir ratzfatz auf den Beinen und hechten im Schweinsgalopp hinter ihm her über die Wiese und die Stufen zum großen Becken hinauf. Wir lassen ihn gewinnen und tun ihm danach den Gefallen, vom Einser zu springen, bevor der Bademeister das Gesperrt-Schild darauf stellt.

Die anderen aus der Gruppe, alles Mädels aus höheren Klassen, stehen wie eine Herde Schafe neben dem Becken und gucken angepisst, weil sie auf uns warten mussten. Noah schnaubt bei ihrem Getuschel, lässt sich aber nicht provozieren.

Unsere Bahn ist bereits abgesteckt, und wir schwimmen in Abständen voneinander los. Peter steht am Rand und gibt uns Ratschläge, wie wir uns kräftesparender bewegen können, um länger durchzuhalten.

Er und der Bademeister sind wohl befreundet, denn sie machen Späßchen miteinander und knuffen sich gegenseitig. Das sieht voll witzig aus: Erwachsene, die sich benehmen wie kleine Jungs … Echt abgefahren!

Noah schafft nur sechs Minuten, dann steuert er die Leiter an und klettert mit rotem Gesicht hinaus. Ich könnte noch etwas länger, lasse aber auch die Zunge heraushängen und setze mich neben ihn auf die Bank. Die anderen schaffen locker zwanzig Minuten, dann pfeift der Bademeister sie heraus, weil schon die nächste Gruppe wartet.

Anschließend legen wir uns alle nochmal zum Trocknen auf die Wiese. Es ist jetzt brechend voll, ein Badetuch liegt neben dem anderen. Und eine Viertelstunde später wird es auch schon Zeit nach Hause zu gehen.

Noah und ich haben es vom Schwimmbad aus nicht weit, deshalb gehen wir zu Fuß los, nachdem wir die geliehenen Badesachen zurückgegeben und uns von Peter verabschiedet haben. Er will die Ferien über in der Stadt bleiben, da sehen wir uns bestimmt hier im Schwimmbad bald wieder. Super!

Und während Noah und ich die schattige Adenauer-Allee hochstapfen, sehe ich ihn plötzlich plötzlich wieder: Den Mann mit der Sonnenbrille. Er sitzt auf einem der Stühle vor dem Café Feldmann und blättert in einer Zeitung. Im gleichen Augenblick, als ich zu ihm hinschaue, hebt er den Kopf, und wir schauen uns voll in die Augen. Eine oder zwei Sekunden lang. Dann steht er auf und verschwindet in der Menschenmenge. Ich sage Noah nichts davon, sonst würde er bestimmt sofort hinter ihm her spurten.

Ich glaube, das ist ein ganz harmloser Kerl.

Ich hoffe es …

Ich bin Luis!

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