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Chlodwig, der neue Großherrscher des Westens (482 – 511)

Chlodwigs Verhältnis zur Religion

Im Bunde mit der Kirche gelang dem Merowinger Chlodwig (486) die Begründung einer neuen politischen Ordnung im Westen. Indem er sich für die Religion Roms ohne den Umweg des Arianismus entschied, gewann er Zugang zu seinen ehedem römischen Untertanen und gab durch seine Taufe dem Katholizismus seine universale Bedeutung zurück. Das wurde der Weg für die Verschmelzung von Barbarenwelt und Antike. Chlodwig schlug ein neues Kapitel in der Geschichte des Christentums auf. Er war ein Barbar, der sich zivilisierte und kultivierte, ein Germane, der sich teilweise romanisierte, ein Heide, der sich ein christliches Gewand umlegte.

Über Chlodwigs Wirken berichtet Bischof Gregor von Tours (538 – 594), aus der gallorömischen Senatorenaristokratie der Auvergne, in seiner »Frankengeschichte«, die ein europäisches Kulturdenkmal ersten Ranges ist. Der Bischof war Prototyp einer Gesellschaft des Übergangs. Das Reich sah er noch als den römischen Staat, sich selbst als Römer.

Fränkisch-gallorömische Verschmelzung ist das Hauptkennzeichen der merowingischen Epoche. Im Namen Chlodwigs (= Hludovicus = Ludwig) kommt das freilich nicht zum Ausdruck. Um 466 vielleicht zu Tournai geboren, trat Chlodwig 482 die legitime Nachfolge und Herrschaft seines Vaters in einem organisierten Königreich an; er übernahm von ihm die Pflege der guten Beziehungen zur gallisch-römischen Kirche und zu den einheimischen Gallorömern. Chlodwig, der nach Abstammung, Sprache, Sitte und Temperament Germane, Franke, war und blieb, zählte zu den großen Begründern europäischer Geschichte, er leitet die archaische Epoche europäischer Gesellschaft und Kultur ein. In ihm lebte das geistige und moralische Erbe seiner Ahnen, wirkten deren Traditionen, deren Glaube, Spruch- und Lebensweisheit, die er in Gesängen fränkischer Barden aufnahm. Auf die heidnisch-germanische Unterweisung folgte die christliche Lehre, und im täglichen Umgang unterlag er den Wirkungen römischer Kultur. Trotz Taufe blieb er noch lange Barbar und war es intensiver als sein Schwager, der Ostgotenkönig Theoderich I. der Große.

Chlodwig, dieser intelligente, aufgeschlossene Geist war grausam, hinterhältig und skrupellos. Er beseitigte alle, die sein Einigungswerk störten, und er war in der Wahl seiner Mittel nicht ängstlich. Das erfuhren der König Chararich von Tongern und sein Sohn, die er in ein Kloster sperren und nach mißlungenem Racheakt töten ließ. Chlodwig spaltete eigenhändig den Schädel des gefangenen Königs Ragnachar von Cambrai; dessen Krieger hatte er durch kupferne Halsketten und Schwertgehänge, die er für Gold ausgab, bestochen.

Das Christentum hatte die Natur dieses Merowingers nicht umgebildet. Zivilisation, Kultur und Bildung hatten Gefühl und Temperament noch nicht entschärft und Gefühl mit Verstand noch nicht ausgeglichen. Chlodwigs Herrschaft ruhte auf dem strikten Gehorsam. Er starb im frühen Alter von 45 Jahren.

Das Verhältnis dieses überragenden Merowingers zum Christentum ist nicht mit dem modernen Begriff der Bekehrung zu deuten. Dieser verschlagene Germane war nicht vom Skeptizismus spätantiker Intelligenz oder unserer Bildungsschicht angekränkelt. In der kraftvollen Brust dieser affektgeladenen, einfachen Menschen war Platz für zwei Religionen und Kulturen; ob das Schicksal zwischen Odin oder Christus entscheide, das überließen sie dem Schicksal. Bekehrungen sind die Frucht äußerer Umstände und innerer Erfahrungen. Der Vater Chlodwigs unterhielt herzliche Beziehungen zur Kirche, zu St. Geneviève (hl. Genoveva) und besonders zum heiligen Remigius, der auch großen Einfluß auf den Sohn gehabt haben mag. Ein wesentlicher Anstoß zur Taufe kam von Chlodwigs Heirat mit der katholischen Prinzessin Chrotechilde (Clotilde) aus der burgundischen Königssippe; der Episkopat hatte beide zusammengeführt.

Vom Arianismus hielt Chlodwig die Tatsache ab, daß seine burgundischen und westgotischen Rivalen in Gallien, aber auch sein ostgotischer Schwager Theoderich I., dessen Reichsplänen er mißtraute, Arianer waren. Man kann nicht übersehen, daß der Arianismus für einen Germanenherrscher Vorteile bot, so den einer romfreien, allein dem Herrscher untertanen Staatskirche, dann den Vorzug des Kompromisses zwischen christlichem und heidnischem Glauben; der Kult war volkssprachlich, Christus wurde nicht als Gott, sondern als Heros verstanden, die Lehre paßte sich an Geist und Tradition der Barbaren an.

Chlodwig war im Glauben seiner Franken Sproß eines Göttergeschlechts. Der Stammvater Merowech war der legendäre Sohn eines Meergottes. Chlodwig pflegte diesen Kult, der ihn in den Augen seiner Untertanen legitimierte. Wenn dieser Herrscher christlich wurde, dann konnte das nur so geschehen, daß ihm der Christengott, dem seine Frau ergeben war, überlegene Stärke gegenüber den anderen Göttern bewies und daß er ihn zum Träger eines besonderen Heils auserwählt hatte. Die Gelegenheit dazu kam, als der Merowinger sich anschickte, ganz Gallien zu erobern und dies den Widerstand der Burgunder, Westgoten, Alemannen und Sachsen, die alljährlich die Nordküste verheerten, hervorrief.

Wunder und Erfolg waren für die Menschen des 5. und 6. Jahrhunderts Beweis und Erfüllung ihres Glaubens. Das Heilszeichen des Sieges führte dem Eroberer die Menschen Mittel- und Südgalliens zu. In diesem Sinne war diese Bekehrung mit europäischen Folgen nicht nur politisches Kalkül, sondern Folge eines inneren Ringens; beides war eine psychologische Einheit, politische Religiosität, die die archaische Epoche beherrschte.

Dieser Schritt hat letztlich die Eroberung des Westens durch den Islam verhindert. Die Taufe Chlodwigs vom 25. Dezember 496 hatte der gallische Episkopat, vorab der Bischof von Reims, vorbereitet. Chlodwigs Gespür ging auf diese Initiative zur rechten Stunde und in Übereinstimmung mit ihren Forderungen ein.

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