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4. Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung

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Als erheblich kursbeeinflussend gilt eine Information dann, wenn sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde.[29] Verständige Investoren stützen ihre Anlageentscheidungen auf Informationen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (Ex-ante-Informationen).[30] Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung wohl berücksichtigen würde, sollte folglich anhand der Ex-ante-Informationen erfolgen. Eine solche Prüfung sollte auch die voraussichtlichen Auswirkungen der Informationen in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das Finanzinstrument, die damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder die auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte unter den gegebenen Umständen beeinflussen dürften.[31] Ohne Relevanz ist dabei, ob sich aus ex-ante Sichtweise der Kurs nach oben oder unten entwickelt.[32] Eine besondere Bedeutung kann diesem Umstand insbesondere bei der Betrachtung von Zwischenschritten als mögliche Insiderinformation zukommen.[33]

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Die BaFin legt bislang ihre Verwaltungspraxis eine zweistufige Prüfung der Kurserheblichkeit zugrunde.[34] Zunächst ist auf Stufe 1 zu ermitteln, ob der Umstand für sich allein betrachtet (ex-ante) nach allgemeiner Erfahrung ein erhebliches Preisbeeinflussungspotenzial haben kann. Beispielhaft werden im Emittentenleitfaden folgende Sachverhalte aufgeführt:[35]

Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, Rückzug aus oder Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern,
Verschmelzungsverträge, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen sowie andere wesentliche Strukturmaßnahmen,
Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge,
Erwerb oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen,
Übernahme- und Abfindungs-/Kaufangebote,
Kapitalmaßnahmen (inkl. Kapitalberichtigung),
wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen,
wesentliche Änderung des Dividendensatzes,
bevorstehende Zahlungseinstellung/Überschuldung, Verlust nach § 92 AktG kurzfristige Kündigung wesentlicher Kreditlinien,
Verdacht auf Bilanzmanipulation, Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer,
erhebliche außerordentliche Aufwendungen (z.B. nach Großschäden oder Aufdeckung krimineller Machenschaften) oder erhebliche außerordentliche Erträge,
Ausfall wesentlicher Schuldner,
Abschluss, Änderung oder Kündigung besonders bedeutender Vertragsverhältnisse (einschließlich Kooperationsabkommen),
Restrukturierungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf die künftige Geschäftstätigkeit,
bedeutende Erfindungen, Erteilung bedeutender Patente und Gewährung wichtiger (aktiver/passiver) Lizenzen,
maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle,
Rechtstreitigkeiten von besonderer Bedeutung,
überraschende Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens (z.B. Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsratsvorsitzender, überraschender Ausstieg des Unternehmensgründers),
überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers,
Antrag des Emittenten auf Widerruf der Zulassung zum organisierten Markt, wenn nicht noch an einem anderen inländischen organisierten Markt eine Zulassung aufrechterhalten wird,
Lohnsenkungen oder Lohnerhöhungen, die nur den Emittenten betreffen,
Beschlussfassung des Vorstandes, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufprogramms Gebrauch zu machen.

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In den vorstehenden Fällen war bereits in der Vergangenheit nach Auffassung der BaFin in der Regel eine erhebliche Kursrelevanz indiziert.

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Auf Stufe 2 sind zur Beurteilung der Ad-hoc-Publizitätspflicht dann, ggf. als Korrektiv, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die das Preisbeeinflussungspotenzial vermindern können. Eine erhebliche Kursbeeinflussung scheidet beispielsweise bei einer Unternehmensübernahme für die Aktie des Erwerbers aus, wenn die Übernahme lediglich die marginale Erweiterung eines bereits bestehenden Geschäftsfeldes darstellt und damit für ihn nicht bedeutend ist. Als weiteres Beispiel kann eine signifikante Abweichung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, z.B. 50 % gegenüber dem Vorjahr, genannt werden, wenn sich diese Abweichung im Rahmen der bereits öffentlich verfügbaren Informationen und Prognosen bewegt.[36]

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