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Die vorkoloniale Zeit

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Obwohl SOA schon vor mehr als 35.000 Jahren und damit länger als Europa vom „modernen“ Menschen Homo sapiens besiedelt wurde, setzte erst um 3000 – 1000 v. Chr. die umfangreichere Zuwanderung der sog. Alt- oder Protomalaien aus Zentralasien ein, die heute in den meisten Ländern SOAs in Gebirgs- und Peripherieräumen leben (s. Kap. „Die Bevölkerung/Die ethnolinguistische Vielfalt“, S. 52). Sie überlagerten oder verdrängten die heute nur noch in Restgruppen lebende (auf den Philippinen als „Negritos“ bezeichnete) bodenständige Bevölkerung australoider oder melanesischer Herkunft (Villiers 1965). Mit den Altmalaien kam eine spätsteinzeitliche Kultur nach SOA, die u.a. durch vierkantige Breitbeile, Auslegerkanus, gezähmte Rinder, Büffel und Schweine, Kopfjagd, Bandkeramik-Töpferware und Megalith-Monumente gekennzeichnet ist. Sie bauten Bananen, Zuckerrohr, Gurken, Kokosnüsse, Bambus, Gerste und – auch auf bewässerten Terrassen – Reis an. Viele dieser Kulturelemente haben sich bei den Altmalaien bis in die Gegenwart erhalten. Megalith-Steinmale werden noch heute u.a. bei Bergvölkern im nördlichen Luzon und auf der Insel Nias vor der Westküste Sumatras errichtet; die Kopfjagd wurde noch bis ins 20. Jh. praktiziert. Eindrucksvollstes Zeugnis protomalaiischer Kultur sind die von den Ifugao über Jahrhunderte erbauten Reisterrassen von Banaue auf N-Luzon, ein UNESCO-Weltkulturerbe (Abb. 154).

Ab ca. 1000 v. Chr. setzte eine zweite große Einwanderungswelle ein, die der Deutero- oder Jungmalaien. Sie besaßen einen höheren Zivilisationsgrad und fortgeschrittenere Technologien als die Altmalaien und siedelten vornehmlich in fruchtbaren Schwemmlandebenen oder in den vulkanischen Landschaften z.B. Javas. Die Jungmalaien stellen heute in Indonesien, auf den Philippinen und der Malaiischen Halbinsel die Bevölkerungsmehrheit.

Die Indisierung

Die Indisierung erfasste weite Bereiche der Kultur SOAs. Der tiefgreifendste Einfluss war mit der Ausbreitung des Hinduismus und Buddhismus verbunden. Sanskrit wurde neben Pali die Sprache des Hinayana-Buddhismus – dem Latein im Mittelalter Europas vergleichbar, die Sprache für Religion und Wissenschaft. Ein wichtiges Ergebnis der Ausbreitung indischer Kultur war die Einrichtung monarchischer Regierungsformen. Erst dank kraftvoller Monarchien konnten riesige Kollektivvorhaben realisiert werden: Bewässerungs- und Drainagesysteme, Straßenbau, befestigte Städte und prachtvolle Tempel, wie sie sich bis heute in Pagan, Angkor, Borobudur oder Prambanan und in „modernen“ Pagoden insbesondere Thailands oder Burmas darstellen. Die indische Auffassung göttlichen Königtums, die Vorstellung, dass die Monarchen die Verkörperung der Götter auf Erden seien, bestimmte über 1500 Jahre die Geschichte und lebt bis heute etwa in der hochgeachteten Rolle des thailändischen Königs fort. Hindu-Monarchen sahen sich als Vertreter Vishnus oder Shivas auf Erden, buddhistische Könige als Manifestationen Buddhas.

Typisch war zudem eine Synkretisierung beider Religionen: In den Tempelanlagen Angkors z.B. verknüpfen sich hinduistische und buddhistische Elemente. Auch das Kastensystem wurde weithin übernommen und ist bis heute in Bali noch abgeschwächt vorhanden. Erst der Arbeitseinsatz einer breiten Sklavenkaste hat die Errichtung der Monumentalanlagen ermöglicht.

In den ersten Jahrhunderten setzte ein bis heute die Kultur SOAs prägender Prozess, die Indisierung, die Ausbreitung indischer Kulturelemente ein. Sie verlief schrittweise und friedlich: zunächst entlang der von Indern befahrenen Seehandelsrouten an der Westküste der Malaiischen Halbinsel, durch die Malakkastraße und an der Nordostküste Sumatras. Etwas später expandierte der indische Seehandel bis nach Kanton (China) und damit entlang der Ostküste Hinterindiens. An den Handelsrouten entfalteten sich Ketten von Hafenorten und die ersten Städte, zumal dort ab etwa 100 n. Chr. die ersten indisierten Königreiche mit Herrschaftszentren entstanden: Handel und Herrschaft waren die städtebildenden Faktoren (Abb. 24). Indisierte Reiche entstanden in Hinterindien, auf Sumatra und Java in wechselnder Existenz und räumlicher Ausdehnung bis etwa um 1500 n. Chr., und sie gingen schließlich in islamischen Sultanaten auf, die durch ihre „indische“ Vorgeschichte bis heute eine von anderen islamischen Ländern etwas abweichende Kultur besitzen. Wichtigster Faktor der Indisierung war die Ausbreitung des Hinduismus und Buddhismus über fast das gesamte SOA mit Ausnahme der von Altmalaien besiedelten Bergländer und der Philippinen sowie der melanesischen und Papua-Völker im östlichen Indonesien.

Von dieser für den größten Teil SOAs typischen kulturellen Entwicklung weicht zunächst das heutige Nordvietnam eklatant ab, da es als Teil des Chinesischen Reiches von dessen Kultur beeinflusst, also sinisiert wurde. Mit dem Niedergang des indisierten Champa-Reiches im heutigen Südvietnam und der ungefähr tausendjährigen Oberherrschaft über fast das gesamte heutige Vietnam wurde die Sinisierung räumlich ausgeweitet. Schon ab dem 1. Jh. n. Chr. breitete sich über China der (Mahayana-)Buddhismus insbesondere in Vietnam aus, beeinflusste aber auch u.a. Burma.

An den schon bedeutenden Handelsrouten entlang der Küsten Burmas und Thailands entfalteten sich ab 100 n. Chr. herrschaftlich organisierte Staaten, so die Stadtstaaten der Pyu und das erste buddhistische Königreich SOAs, der Staat der Mon, Dvaravati. Das erste Jahrtausend der burmesischen Geschichte vor Entfaltung des Pagan-Staates (ab 849) wird als „städtisches Zeitalter“ der Pyu und Mon bezeichnet, da in dieser Periode ab etwa 200 n. Chr. die ersten Städte Hinterindiens entstanden (Cooler o. J.). Die Pyu gründeten z.B. die erste von Mauern umgebene Stadt, Beikthano, die heute nicht mehr existiert – im Unterschied zu den etwa zur gleichen Zeit gegründeten Hauptstädten des Mon-Reiches, Thaton, Pegu (Bago) oder Mataraban. Frühe, noch bestehende Mon-Städte im heutigen Thailand waren West u.a. Nakhon Pathom, Logburi oder Lamphun. Größte Pyu-Stadt war Sri Ksetra. Diese seit 1904 von Archäologen freigelegte Stadt war von einer Mauer mit 32 Haupt- und 32 Nebentoren umgeben und wurde 1996 zum Weltkulturerbe vorgeschlagen. Einige dieser Städte hatten vormals einen direkten Zugang zum Meer, wurden aber – wie Logburi – infolge der Küstenveränderungen Binnenstädte.


| Abb. 2 | Die historische Entwicklung Südostasiens bis ca. 850 n. Chr.

Das schon im 1. Jh. n. Chr. entstandene und im Mekong-Delta gelegene Funan war das erste indisierte Reich SOAs. Über die Hafenstadt Oc Eo verlief der Handel zwischen Indien und China. Oc Eo und die im Mekong-Delta angelegten Kanäle dienten Handelsschiffen als Ankerplätze, um den Wechsel der Monsunwinde abzuwarten: Mit dem SW-Monsun wurde nach China, mit dem NO-Monsun nach Indien gesegelt. 357 n. Chr. wurde Funan ein Vasall Chinas und die Sinisierung verstärkte sich, der aus China expandierende Mahayana-Buddhismus vermischte sich mit dem aus Indien übernommenen Shiva-Kult. Aus der Mon-Khmer-Bevölkerung Funans entstand das heutige Staatsvolk Kambodschas, die Khmer.

An der Ostküste Hinterindiens beherrschte das bereits oben genannte Königreich Champa für über 1500 Jahre (197 – 1720) das heutige Süd- und Zentralvietnam. Obwohl der nördliche Teil des heutigen Vietnam schon von 257 v. Chr.–905 n. Chr. (nochmals von 1407 bis 1427) Teil Chinas war und dessen Kultur auch in den S ausstrahlte, war in Champa die Indisierung dominant. Die fünf „Fürstentümer“ des Champa-Reiches mit ihren Hauptstädten (Abb. 2) waren nach Regionen Indiens benannt; Sanskrit war Schriftsprache, der Hinduismus war Staatsreligion. Etwas südlich des heutigen Da Nang entstand im 4. Jh. eine große, dem Hindugottt Shiva geweihte Tempelstadt, My Son. Ein Großteil der bis ins 20. Jh. noch gut erhaltenen Tempelruinen wurde im Vietnamkrieg durch Bombardements der USA zerstört. 1999 wurde My Son UNESCO-Weltkulturerbe.

Schon im 10. Jh. kam mit arabischen Händlern der Islam in das südliche Champa: Bis heute ist hier der Islam bei einem Teil der in Vietnam siedelnden (malaiischen) Champa verbreitet. Die Macht Champas basierte über Jahrhunderte auf dem Fernhandel mit Gewürzen aus der Insulinde auch nach Arabien. Handelsbeziehungen bestanden mit den mächtigen, auf Sumatra bzw. Java beheimateten malaiischen Reichen Srivijaya und Mataram sowie ab etwa 1300 mit Majapahit.

Auf der Malaiischen Halbinsel entfaltete sich im 2. Jh. n. Chr. das erste indisierte Königreich dieses Raumes, Langkasuka. Es bestand bis ins 14. Jh. und war zuletzt Srivijaya tributpflichtig. Die Westküste ist in dem noch heute bestehenden Sultanat Kedah, einem Bundesstaat Malaysias, aufgegangen. Der heutige Konflikt zwischen dem Staatsvolk der buddhistischen Thai und den islamischen Bewohnern Südthailands hat hierin ihre geschichtlichen Wurzeln. Noch heute ist das Hofzeremoniell der (islamischen) Sultanate (Bundesstaaten) Malaysias vom indischen Vorbild geprägt.


| Abb. 3 | Südostasien in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts

Die vorkoloniale Geschichte Indonesiens wurde wesentlich durch die indisierten Reiche Srivijaya, Mataram und Majapahit bestimmt, die ihre Einflussbereiche im Verlauf vieler Jahrhunderte über ihren ursprünglichen Kernbereich ausdehnten (Abb. 24). Auch ihre Macht basierte u.a. auf der Kontrolle des Seehandels zwischen Indien und China sowie auf dem Gewürzhandel. Eine genaue Abgrenzung der Einflussbereiche dieser Reiche zu einem bestimmten Zeitpunkt wird dadurch unmöglich, dass exakte Staatsgrenzen nicht existierten, die Herrschaftsbereiche sich oft infolge kriegerischer Ereignisse verschoben bzw. überlagerten und kleinere Reiche häufig als Vasallen in unterschiedlicher Abhängigkeit von den dominanten Mächten standen.

Das 13. Jh. (s. Abb. 5) war durch besonders massive Veränderungen gekennzeichnet – einmal infolge der Südexpansion des Mongolenreiches. Im festländischen SOA wurde hierdurch die Südwanderung der Tai-Völker (Thai, Shan, Laoten) sowie der Burmesen ausgelöst. Zudem verbreitete sich verstärkt – wieder zunächst an den Seehandelsrouten – der von arabischen Händlern friedlich vertretene Islam. Bis zum 16. Jh. waren fast alle dichter und vornehmlich von Jungmalaien besiedelten Räume islamisiert. In den islamisierten Räumen entstanden z.T. mächtige Sultanate. Aufgrund seiner Standortgunst an einer wichtigen Seehandelsroute entfaltete sich seit 1409 Malakka zur dominanten Macht Hinterindiens. Der Aufstieg des islamischen Malakka veränderte das gesamte politische und wirtschaftsräumliche Machtgefüge SOAs. Der Handel mit China im Osten und mit Indien, Arabien sowie Persien im Westen wurde auf Malakka gebündelt. Hiervon profitierte auch der Inter-Insel-Verkehr, der zunächst auf javanische Häfen und dann auf Malakka ausgerichtet war. Auf Java stiegen neben Tuban u.a. Djapara, Gresik und Surabaya zu (islamischen) Handelszentren auf. Aufgrund ihrer starken Wirtschaftskraft und ihrer geostrategischen Gunstlage an der Küste dominierten sie zunehmend die zunächst noch eigenständigen hinduistischen Staaten im Inselinneren. Namentlich der Gewürzhandel expandierte drastisch; die Sultanate Makassar, Ternate und Tidore in der Nähe der Hauptanbaugebiete vieler Gewürze sowie Banten im wichtigen Pfefferanbaugebiet W-Java profitierten von dem auf Malakka ausgerichteten Handelsnetz. Auf dem Höhepunkt seiner Macht z.B.ginn des 16. Jh. hatte Malakka die unumstrittene politische und wirtschaftliche Vorherrschaft in SOA, zumal es die Südexpansion der Thai stoppen konnte und das Reich Majapahit sich bereits im Niedergang befand. Dieses Machtgefüge wurde zu Beginn des 16. Jh. durch das Erscheinen der europäischen Mächte Portugal und Spanien nachhaltig verändert.


| Abb. 4 | Südostasien im 16. Jahrhundert

Südostasien

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