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Südostasien – Schnittpunkt der Weltreligionen

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SOA liegt im Schnittpunkt der vier großen Weltreligionen Hinduismus (Brahmanismus), Buddhismus, Islam und Christentum, die jeweils Geschichte und Kultur der Länder stark prägen. Der Hinduismus verbreitete sich im Zuge der Indisierung als erste der vier Religionen etwa ab der Zeitenwende, der Buddhismus expandierte mit seinen zwei wesentlichen Richtungen von unterschiedlichen Zentren aus.

Verbreitung des Buddhismus

Der einige Jahrhunderte nach dem Tode Buddhas von der ursprünglichen Lehre (Hinayana) abgespaltene Mahayana-Buddhismus (Lehre vom „größeren Fahrzeug“) verbreitete sich, in Verbindung mit Glaubensrichtungen wie dem Taoismus und Konfuzianismus, von China aus. Er erreichte ab dem 2. Jh. Vietnam und ab dem 4. Jh. Java und Sumatra, wo er den dort schon praktizierten Hinayana-Buddhismus und den Hinduismus verdrängte und schließlich ab 1295 dem Islam weichen musste. Im 7. Jh. war Sumatra ein bedeutendes Zentrum buddhistischer Kultur, mit Beginn des 8. Jh. entfaltete sich der Mahayana-Buddhismus in Zentraljava zu großer Blüte: Eindrucksvollstes Zeugnis des Mahayana-Buddhismus ist die ab 775 n. Chr. erbaute gigantische Tempelanlage Borobudur in Zentraljava. Kurz nach Vollendung dieses Bauwerks wurde der Shivaismus, eine hinduistische Richtung, nach der Shiva als höchste Gottheit verehrt wird, Staatsreligion, und in der Nähe Yogyakartas entstand um 900 n. Chr. der eindrucksvolle hinduistische Tempelbezirk Prambanan. Borobudur und Prambanan sind heute UNESCO-Weltkulturerbestätten und von großer touristischer Attraktivität. Der starke kulturelle Einfluss des Hinduismus in Java dokumentiert sich auch in den zahlreichen, im 8. und 9. Jh. entstandenen shivaitischen Tempeln auf dem ca. 2000m hohen Dieng-Plateau.

Vietnam ist trotz einer beachtlichen christlichen Minorität und einer großen Zahl von Menschen, die sich nach eigenen Angaben keiner Religion zugehörig fühlen (Abb. 9), bis heute stark durch den sinisierten Mahayana-Buddhismus geprägt.

Der Theravada-Buddhismus, die Lehre der „hohen Geistlichkeit“ oder des „kleinen Fahrzeugs“, ist der orthodoxe Zweig des (ursprünglichen) Hinayana-Buddhismus und wurde von Sri Lanka aus ab dem 5. Jh. über Burma nach Kambodscha, Thailand (Siam) und Laos übertragen. In diesen Ländern bekennen sich über 90 % der Bevölkerung zu dieser buddhistischen Richtung. Der Theravada-Buddhismus ist heute die prägende Kraft in den Ländern westlich des Mekong. Hier wirkt der indisch-buddhistische Einfluss auch in den Staatssprachen Thailands, Burmas, Kambodschas und von Laos fort, die in der Schrift auf dem südindischen Pali basieren.


| Abb. 9 | Die Religionsstruktur in den sozioökonomischen Regionen und ausgewählten Provinzen sowie in Vietnam insgesamt 2009

Ein Merkmal des Buddhismus in SOA ist seine Tendenz zum Synkretismus mit älteren Hindu-Kulturen und sogar mit vorhinduistischen Bekenntnissen. In Thailand z.B. gehören „Geisterhäuser“ nicht nur in Dörfern, sondern auch vor modernen städtischen Einrichtungen zum typischen Bild. Dieser Synkretismus manifestiert sich in vielen Bauten und Denkmälern besonders in Kambodscha und Java: Hinduistische, buddhistische und animistische Elemente verquicken sich oft in einem Bauwerk, so etwa in vielen Angkor-Tempeln Kambodschas. Die kambodschanischen Khmer unterstanden im 8. Jh. kurz der Oberherrschaft javanischer Fürsten, die Anhänger des Mahayana-Buddhismus waren, mit dem zahlreiche Kultur- und Stilelemente nach Hinterindien kamen. Nach Beendigung der Oberherrschaft Javas, ab 802, begann die Blütezeit Angkors. Die Khmer-Könige identifizierten sich mit dem hinduistischen Gott Shiva als Gottkönige (= Devaraja), dem zahlreiche Tempel geweiht waren. Das mächtigste religiöse Bauwerk der Erde, der im 12. Jh. erbaute Angkor Wat, war dem Hindu-Gott Vishnu geweiht; zudem waren Tempel buddhistischen Zeremonien vorbehalten. Der Hauptturm des Angkor Wat symbolisiert den Weltenberg Meru, der in der indisch-hinduistischen Mythologie im Zentrum des Kosmos steht und in der Architektur sowohl hinduistischer als auch buddhistischer Tempel und Pagoden oft dargestellt wird. Der um 1200 in Angkor erbaute und durch riesenhafte Darstellung von Gesichtern beeindruckende Tempel Bayon wurde demgegenüber von einem buddhistischen Khmer-König erbaut, der sich als Bodhisattva verstand (Daseinsform des künftigen Buddha). Mit dem Niedergang Angkors im späten 13. Jh. – auch infolge von Angriffen der Siamesen – wurde durch die Tai-Invasionen der Theravada-Buddhismus in Kambodscha verbreitet, der wiederum Elemente der Mahayana-Richtung absorbierte.


| Abb. 10 | Die 1909 erbaute Freitagsmoschee (Hasjid Jamek) im Zentrum von Kuala Lumpur

Verbreitung des Islam

Ab dem späten 13. Jh. wurde v.a. durch arabische Händler der Islam im heutigen Malaysia, in Brunei und Indonesien sowie in den Philippinen auf Mindanao und dem Sulu-Archipel verbreitet. Der von den Jungmalaien praktizierte Hinduismus und Buddhismus wurde hier verdrängt; nur auf Bali und im W der Nachbarinsel Lombok hat sich bis heute eine Variante des Hinduismus erhalten. Erst durch die starke Zuwanderung indischer Arbeitskräfte ab dem 19. Jh. nach Malaysia und Singapur wurde der Hinduismus wieder zu einer Religion mit großer Anhängerschaft in SOA.

In den heute buddhistisch geprägten Ländern Hinterindiens sind Muslime nur eine kleine Minderheit. Die im Grenzbereich zu Vietnam siedelnden (jungmalaiischen) Cham sowie die in Südthailand lebenden und erst Anfang des 20. Jh. dem Thai-Königreich eingegliederten (Jung-)Malaien sind jedoch mehrheitlich Muslime.

Um 1500 war der Islam an der Ost- und Nordküste Sumatras, an der Nordküste Javas und auf Borneo punktuell um Brunei und an der Westküste um Sukadana verbreitet. Das Innere der großen Inseln und alle Außeninseln waren noch nicht islamisiert. Unter Verdrängung der hinduistischen Fürstentümer entstanden jedoch von 1500 bis 1800 mit Ausnahme Balis in den Siedlungsräumen fast aller Jungmalaien islamische Reiche, während die Altmalaien, wie die Dayak-Völker auf Borneo, die Batak auf Sumatra, die Toraja auf Sulawesi und die melanesischen Ethnien der östlichen Insulinde ebenso wie die Völker Papuas nicht islamisiert wurden und z.T. bis heute dem Schamanismus bzw. Animismus anhängen (Villier 1965).

Indonesien weist heute unter allen Ländern SOAs die vielfältigste Religionsstruktur auf. Mit etwa 200 Mio. Muslimen ist das Land zwar der bevölkerungsgrößte islamische Staat der Erde, jedoch haben auch die anderen Weltreligionen eine große Anhängerschaft (Abb. 11).

Verbreitung des Hinduismus

Der vor der Islamisierung dominierende Hinduismus ist heute nur noch in Bali und im W der Nachbarinsel Lombok stärkste Religionsgruppe. Durch die Umsiedlung vieler Balinesen über das Transmigrasi-Programm entstanden jedoch auf Sumatra, in Kalimantan und Papua hinduistische Minoritäten (Abb. 12): Heute bekennen sich ca. 4 Mio. Menschen zum Hinduismus, sie machen in Indonesien aber nur knapp 2 % der Bevölkerung aus. Größte nicht islamische Religionsgruppe bilden dort die Christen mit ca. 10 % der Bevölkerung.


| Abb. 11 | Die Religionsstruktur der Bevölkerung ausgewählter Regionen Indonesiens 2010


| Abb. 12 | Bis zur Ausbreitung des Islam im 13. Jh. war der Hinduismus in großen Teilen des heutigen Indonesien die bedeutendste Hochreligion, die sich heute nur noch in Bali (und Westlombok) in einer spezifischen, mit animistischen Elementen durchsetzten Variante erhalten hat. In den zahlreichen Dorftempeln bringen die Balinesen fast täglich Opfergaben und empfangen den Segen der Priester.

Verbreitung des Christentums

Mit dem Eindringen Portugals und insbesondere Spaniens nach SOA ab 1500 wurde der Katholizismus zu einem bis heute kulturprägenden Faktor. Die Philippinen wurden von Spaniern bis auf die bereits islamisierten Teile Mindanaos, Palawan, die Suluinseln sowie die Bergländer mit ihrer altmalaiischen Bevölkerung vollständig christianisiert. Eingeschränkter war die Missionsarbeit der Portugiesen, da sie sich auf die Eroberung von Handelsplätzen an den Küsten konzentrierten. Bereits 1511 wurde Malakka der muslimischen Herrschaft entrissen: Bis heute hat diese Stadt eine auf die Portugiesenzeit zurückgehende kleine katholische Minorität mit einem eigenen Stadtviertel. Die Portugiesen unterhielten – von Malakka ausstrahlend – im indonesischen Archipel zahlreiche Niederlassungen über Makassar (Sulawesi), die Molukken (Ternate, Tidore, Ambon) bis nach Timor und Flores. Auf diesen im 16. Jh. noch nicht islamisierten Inseln wurde zunächst durch die Portugiesen und dann durch die Holländer das Christentum verbreitet, das hier bis heute bedeutend ist. Das Christentum konnte zudem – später auch durch protestantische Missionsarbeit – ab dem 19. Jh. bei den noch nicht islamisierten altmalaiischen Völkern der Insulinde und in den Philippinen Anhänger gewinnen. Die Dayak auf Borneo, die Batak auf Sumatra, die Minahasa und Toraja auf Sulawesi oder die Dani in Papua sind heute zu einem beachtlichen Teil christianisiert. Auf den Molukken und in Papua stellen Christen die Mehrheit, auf den Kleinen Sundainseln, v.a. auf Flores und Sumba (Nusatenggara), bilden sie eine starke Minorität.


| Abb. 13 | Die Religionszugehörigkeit der ethnischen Gruppen in Singapur 2010

Das generelle Muster der Religionsgruppen in Indonesien ist dadurch charakterisiert, dass die Jungmalaien weitgehend islamisiert sind oder noch den vorislamischen Religionen, dem Hinduismus (Bali) oder Buddhismus anhängen, während die Christianisierung vornehmlich bei den Altmalaien, Melanesiern und Papua-Völkern erfolgte. Nach der Pancasila-Doktrin ist der „Glaube an den allmächtigen Gott“ eines der fünf Grundprinzipien Indonesiens. Daher werden die faktisch noch weit verbreiteten animistischen Religionen als nicht existent betrachtet. Animisten werden amtlich dem (polytheistischen) Hinduismus zugerechnet. Im Unterschied zu Vietnam und den Chinesen in Singapur, wo sich ein beachtlicher Bevölkerungsteil als religionslos bezeichnet (vgl. Abb. 13), bekennen sich in Indonesien offiziell nur wenige Menschen hierzu: Religionslosigkeit gilt als Makel! Dies trifft in Singapur auch auf die fast ausschließlich muslimischen Malaien sowie die indische Minorität zu. Circa 15 % der chinesischen und indischen Minderheit bekennen sich hier zum Christentum.

In den buddhistischen Ländern Thailand, Myanmar, Laos und Kambodscha bilden Christen nur eine winzige Minderheit. Hier wurden vornehmlich im 20. Jh. durch protestantische Missionare einige Christianisierungserfolge bei den Bergvölkern erreicht. Nur in Vietnam ist das Christentum, v.a. der Katholizismus, mit knapp 10 % der Bevölkerung stärker verbreitet. Hier begann die Missionsarbeit durch Jesuiten bereits im 17. Jh., eine stärkere Christianisierung erfolgte in der französischen Kolonialzeit ab etwa 1850. Der Schwerpunkt der Missionsarbeit lag zunächst im dicht besiedelten Rote-Fluss-Delta, später erfolgte eine stärkere Christianisierung bei den noch dem Animismus verhafteten Bergvölkern. In der Provinz Nam Dinh (Rote-Fluss-Delta) z.B. sind die zahlreichen Kirchen in Städten und Dörfern bis heute Zeugnisse lebendiger christlicher Gemeinden, obwohl mit der kommunistischen Machtübernahme 1955 viele Katholiken Nordvietnam aus Furcht vor Repressionen nach Südvietnam verließen und ab 1975, nach der Vereinigung Nordund Südvietnams, z.T. ins Ausland flüchteten. Heute bilden Katholiken z.B. in Hanoi und Saigon eine auch wirtschaftlich bedeutende Minderheit, die in eindrucksvollen Kathedralen den Mittelpunkt ihres religiösen und kulturellen Lebens sieht.

Religionsvielfalt und -konflikte

Die größte Vielfalt an Religionen auf kleinstem Raum weist das multiethnische Singapur auf: Malaien sind fast ausschließlich Muslime, Chinesen sind vornehmlich Anhänger des (Mahayana-)Buddhismus, Taoismus oder Konfuzianismus und bekennen sich auch in größerer Zahl zum Christentum, Inder sind überwiegend Hindus und Muslime, in kleinerer Zahl Sikhs oder Christen (Abb. 13). Die Vielfalt der Religionen manifestiert sich im Stadtbild der Metropole mit zahlreichen Moscheen, Hindu-Tempeln, Pagoden und Kirchen.

Zahlreiche Regionalkonflikte verknüpfen sich mit religiösen Gegensätzen: Der schon seit Jahrhunderten währende Konflikt zwischen der christlichen Zentralmacht in Manila und den muslimischen „Separatisten“ auf Mindanao und den Suluinseln, zwischen buddhistischen Thai und muslimischen Malaien in Südthailand oder die oft blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen u.a. auf den Molukken oder Sulawesi sind Beispiele, wobei diese Konflikte mit wirtschaftlichen oder politischen Interessengegensätzen verquickt sind.

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