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2.3 Erwartungen an den Arzt

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Viele Krankheiten wie Herzkranzgefäßverengungen mit Angina Pectoris, Karzinome, chronische Bronchitis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre lassen sich besser als früher behandeln. Vor wenigen Jahren bestieg eine 42-jährige Amerikanerin mit einem Herztransplantat das Matterhorn 10. Die Menschen hoffen, dass die Medizin weiter fortschreitet und die Ärzte sich entsprechend fortbilden. Diese Hoffnung ist berechtigt, aber ein unkritischer Glaube an eine Medizin ohne Grenzen, an ein Leben ohne Krankheit und Tod, führt zu Enttäuschung.

Auf der einen Seite existieren unter Nichtärzten und Ärzten utopische Vorstellungen von medizinischer Machbarkeit, auf der anderen Seite begegnet man einem scheinbar paradoxen Unbehagen an der Hightech-Medizin. Man wirft der an den Universitäten gelehrten „Schulmedizin“ vor, sie sei „kalte Apparatemedizin“ und behandle mit nebenwirkungsreicher „Chemie“. Viele Menschen wenden sich der alternativen Medizin zu. Vielleicht suchen sie hier das vertrauensvolle Gespräch und mehr Zeit eines Arztes für sie, der sich für ihre Vorstellungen und Sorgen interessiert. Mit anderen Worten: Sie suchen das „Medikament Arzt“.

Das Patient-Arzt-Verhältnis ist von Natur aus asymmetrisch. Der Arzt ist gesund und besitzt mehr Fachwissen, der Patient, vor allem wenn es sich um eine schwere oder chronische Krankheit handelt, fühlt sich oft ohnmächtig, emotional angespannt und dem Arzt ausgeliefert. Auch im Krankenhaus wird oft vergessen, dass die naturwissenschaftlichtechnische Medizin nicht alles ist, dass sie Grenzen hat und durch eine menschlich-verstehende Medizin ergänzt werden muss 11 . Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Patient im Krankenhaus den Namen des behandelnden Arztes kennt. Bei der Befragung von 2807 Patienten einer Universitätsklinik waren 75 % nicht in der Lage, den Namen eines Arztes zu nennen 12 . In einer großen, geschäftigen Klinik kann der Kranke rätseln, wer für ihn verantwortlich ist. Junge Ärzte stellen sich nicht immer richtig und deutlich vor und die Ärzte wechseln. Wenn man seinen Betreuer nicht zu identifizieren vermag, wagt man nicht zu fragen und wird weniger informiert.

Machbarkeit sucht Menschlichkeit. Dass beide eine Allianz bilden, kommt nicht von allein. An Universitäts- und anderen Kliniken sollten deshalb Studenten besser auf ihre zukünftige Berufspraxis vorbereitet werden 13.

Patienten erwarten Wissen und Können des Arztes. Gleichzeitig wünschen sie eine gute zwischenmenschliche Beziehung. Das gilt vor allem für den Primär- und Hausarzt. Ein Arzt, der zuhört und sich für die Sicht des Kranken interessiert, schafft Vertrauen. Eine Untersuchung 14 ergab, dass Patienten in der Sprechstunde durchschnittlich nur 22 Sekunden Zeit haben, ihre Beschwerden darzustellen, dann übernimmt der Arzt die Führung, der offenbar „Langatmigkeit“ fürchtet. Ohne Unterbrechung dauerte die mittlere spontane Redezeit 92 Sekunden. Ärzte riskieren demnach nicht, von Symptomschilderungen überschwemmt zu werden. Stattdessen unterbrechen sie den Kranken. Dabei führt ärztliches Zuhören zu Vertrauen, Befriedigung des Kranken und zu besseren Krankheitsverläufen 15.

Verlorene Patienten?

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