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2.4 Der Patient als Kunde, der Arzt als Anbieter?

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Ratsuchende werden heute oft zu wohlinformierten Kunden, die gewisse ärztliche Leistungen wünschen: Medikamente zur Jungerhaltung des Gedächtnisses, Steigerung der sexuellen Leistung, Wachstumshormon bei kleiner Statur, Antidepressiva bei sozialer Angst und Lampenfieber. Wird bei Befriedigung dieser Wünsche medizinisch Notwendiges getan oder gibt der Arzt Forderungen von Kunden nach? Die Industrie behauptet: Fast ein Drittel aller Männer leide unter einem Mangel an Testosteron 16. Zwar gibt es Krankheiten mit einem Testosteronverlust, aber die Werbung verspricht, Testosteron könne im Alter die Jugend zurückbringen. Es gibt Hinweise, dass Testosteron, wenn nicht ein wirklicher Ausfall vorliegt, mehr schadet als nützt.

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind wissenschaftlich ungesichert und werden mit Recht von den Kassen nicht bezahlt. Zu ihnen gehören sonografische Vorsorge-Untersuchungen ohne Symptome, fragwürdige Hormonbestimmungen und Bluttests zur Krebsfrüherkennung wie Prostata-spezifisches Antigen (PSA), Vitaminspritzen, Vital- und Aufbaukuren. Aus Furcht vor einer Praxispleite wird der Arzt zum Anbieter, der Patient zum Kunden und Medizin zum Geschäft. In Fachzeitschriften 17 werden Praxistipps gegeben, wie man richtig „igelt“. Individuelle Gesundheitsleistungen seien aus dem deutschen Gesundheitswesen nicht wegzudenken.

In den Medien wird für diagnostische Bildgebung, z. B. für einen „vorsorglichen“ Ganzkörper-Check-up in vier Stunden 18, 19 geworben. Reklamebroschüren betonen Gesundheit und versprechen Gewissheit über den eigenen Körper. Es wird nicht empfohlen, sich an eine unabhängige Informationsquelle zu wenden. Diese sich direkt an den Kunden wendende Werbung gibt keine balancierte Auskunft über Nutzen und Risiken. Die Strahlenbelastung durch ein Computertomogramm wird nicht erwähnt, auch falsch krankhafte Ergebnisse mit aggressiven Folgeprozeduren werden nicht genannt. Die Reklame verschweigt, dass es falsch normale Befunde gibt, sodass sich die untersuchte Person unangebracht sicher und gesund fühlt. Die Medizin wird hier zu einem Teil des Marktes, der Patientenfurcht benutzt, um Geld zu verdienen.

Krankenhausmanager nennen den Patienten einen Kunden, der von den Leistungen der Klinik befriedigt werden will 20. Krankhäuser konkurrieren heute miteinander um Kunden. Klinikpatienten sind für Krankenhausmanager externe Kunden. Die Definition lautet: Kunden nehmen Leistungen in Anspruch, eine Ware oder Dienstleistung. In dieser Definition schwingt besonders für Privatpatienten mit: Je mehr gemacht wird, je teurer die Leistung ist, umso besser muss die angebotene Medizin sein. Ich werde auch in den nächsten Kapiteln diskutieren, ob diese Annahme richtig ist.

Krankenhausmanagern ist der Begriff Patient – das lateinische Wort patiens heißt erduldend – zu passiv. Er soll souveräner Kunde werden. Bei dem Konkurrenzkampf um den Kunden soll die Freundlichkeit des Personals dem geschäftlichen Erfolg dienen. Zuwendung geschieht nicht um ihrer selbst willen, sondern wird Mittel zum Zweck. Einfühlung in den Kunden und Freundlichkeit können gemimt werden, sodass Gefühle kommerzialisiert werden. Viele Patienten spüren jedoch, ob es sich bei Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten nur um ein gespieltes Verhalten oder um wirkliches Interesse am Kranken handelt.

Da der Kunde Geld bringt, ist die Möglichkeit unnötiger Labortests, bildgebender Verfahren und Eingriffe sehr real. Ein Kunde kann in unserer Warenwelt alles kaufen, wozu er Lust hat, wenn er das nötige Geld besitzt: einen Anzug, einen bestimmten Autotyp, eine Reise. Wenn Krankenhausmanager fragen, was technische Angebote einbringen, muss man gegenfragen: Sind die technischen Interventionen, z. B. die vielen in Deutschland üblichen Herzkatheter, immer angebracht oder werden sie eingesetzt, um die hohen Kosten der Apparate zu amortisieren?

Der Arzt muss im Gegensatz zum Verkäufer auch Nein sagen können 21, wenn der Patient unangemessene Tests und eine unangemessene Behandlung wünscht. Nur befriedigt ein nacktes Nein nicht. Der Patient möchte seine Perspektive verstanden und den Grund der Ablehnung wissen. Dazu braucht er gute Kommunikation.

Verlorene Patienten?

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