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Kapitel 10 Angriff aus der Luft – 01.09.2014

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In Bernhaupten angekommen erklärte Mora mit einem Fingerzeig Alex die weitere Fahrtrichtung.

„Wir müssen diese Hauptstraße ganz hinunter und da vorne wieder aus dem Ort herausfahren. Nach rund 2 Kilometern geht‘s dann rechts ab zum Sonnleitnerhof, wo wir zuhause sind. Wir wohnen nämlich nicht in, sondern bei Bernhaupten und das ist ein Detail, das Leitner übrigens nicht kennt.“

„Das hieße also, falls er, Gruber oder gar von ihm angeheuerte Balkansöldner dir wider Erwarten doch an deinem Wohnort aufzulauern versuchen, müssten sie im Ort erst mal fragen, wo du wohnst – und das bleibt uns und der Polizei in einer so kleinen Gemeinde, wie Bernhaupten, wo Fremde sofort auffallen, sicher nicht verborgen“, sagte Alex, der in diesem Moment von der Hauptstraße auf den geteerten Feldweg zum Sonnleitnerhof einbog. Schon kurz danach kam auf einer Anhöhe das hübsche Anwesen der Klausners, ein weiß angestrichener umgebauter ehemaliger Bauernhof im oberbayrischen Landhausstil, in Sicht.

Gerade als Alex und Mora ausgestiegen waren, bremste auch Max Klausner mit seinem älteren Mercedes vor der angebauten Garage. „Gut, dass wir noch so schönes Herbstwetter haben, da denke ich, dass auch Bill, wenn er den Flugplan rasch genehmigt bekommen hat, in Kürze hier eintreffen wird“, sagte Alex.

Dann erklärte er auch Max Klausner, dass er schon auf der Herfahrt einen gewieften Personenschützer aus seiner Firma als zusätzliche Unterstützung beim professionellen Personenschutz angefordert hatte.

„Papa, stell dir vor, dieser Bill wird mit dem Firmenhubschrauber von Alex hierherkommen, vielleicht machen wir heute Nachmittag ja noch einen kleinen Alpenrundflug“, platzte Mora mit einem Blick auf den grimmig dreinschauenden Alex heraus.

„Sie nimmt ihre Gefährdungslage einfach immer noch nicht ernst“, erwiderte Max Klausner in Richtung des zustimmend nickenden Alex. „Ich wusste ja, dass ihre Firma gut läuft und Sie inzwischen sehr gut verdienen, aber dass Sie sogar eine eigene Flugbereitschaft betreiben, ist mir neu“, bemerkte er gleich danach.

„Tja, in meinem eigentlichen Geschäft kommt es eben häufig darauf an, schnell über große Distanzen verlegen zu können und deshalb haben wir letztes Jahr, nachdem auch ich den Pilotenschein gemacht habe, einen gebrauchten Jet Ranger vom Typ Bell 206 L-4 angeschafft. Die Maschine wird aber meistens von Bill und seinem Bruder Nick Carter, aus meiner Gruppe Personenschutz geflogen.

Die beiden haben das Hubschrauberfliegen schon während ihrer Zeit als U.S. Marines profimäßig gelernt. Und es ist ein Unterschied, ob ein Kampfpilot fliegt oder ob ich die Kiste steuere – bei mir reicht‘s halt nur, um sicher auf einem vorgeplanten Kurs von A nach B zu kommen. Da fällt mir ein, wo kann Bill denn mit unserem Vogel landen?“

„Nun sei mal nicht sauer, mein Lieber, man wird doch noch mal ‘nen Spaß machen dürfen – aber jetzt wieder ernsthaft: Ich denke, dass unsere große Wiese hinter dem Haupthaus dafür am besten geeignet ist“, schaltete sich Mora in das Gespräch ein.

„Bringen wir doch erstmal unsere Sachen ins Haus und ich zeige Alex unser Gästezimmer, in dem er übernachten kann“, fuhr sie an ihren Vater gewandt fort. „Und mein lieber Alex, morgen Vormittag kannst du mich zu unserem Grabungsfeld bei Bergen begleiten, das liegt nur wenige Kilometer von hier.

Ich muss meinem Team zumindest sagen, was passiert ist und warum ich voraussichtlich erst wieder in einer Woche voll mit in die Ausgrabung einsteige.“

„Zuvor checke ich aber erst mal das Haus und die Nebengebäude – schließlich wollen wir keine Überraschung erleben – und außerdem sollten wir jetzt gleich unsere Fahrzeuge von der Bildfläche verschwinden lassen“, erwiderte Alex.

Dabei betrachtete er prüfend die zum Anwesen gehörende große Scheune und das Nebengebäude. „Sie, Herr Klausner, haben ja eine angebaute Garage, daher werde ich meinen BMW, sofern dort Platz ist, dort in der großen Scheune unterbringen.“

„Kein Problem“, sagte Max Klausner. „Die Scheune steht seit Jahren bis auf einen alten Traktor komplett leer und das Rolltor ist groß genug, so dass man notfalls auch noch Ihren Hubschrauber darin unterbringen könnte.

Übrigens hat unser Wohnhaus eine moderne Überwachungs- und Alarmanlage – schließlich bringen wir beide hin und wieder auch teure Kunstgegenstände zur Begutachtung mit nach Hause. Wir hätten es also schon gemerkt, wenn wir inzwischen ungebetenen Besuch gehabt hätten.“

„Gut, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, deshalb drehe ich jetzt erst mal eine Runde um Ihr schönes Anwesen – ich komme dann gleich nach, außerdem muss ich Bill noch die GPS-Koordinaten des Landeplatzes durchgeben.“

Alex begann zu telefonieren, während er sich auf den Weg machte, konnte aber auf seinem Rundgang nichts Verdächtiges entdecken. Da der Hof auf einer nicht bewaldeten Anhöhe lag, war es zudem kaum möglich, unentdeckt bis zu den Gebäuden zu kommen. „Ein Pluspunkt für uns“, dachte Alex auf dem Weg zurück zum Haus. Dann parkte er seinen Wagen in die Scheune um, nahm seinen kleinen Notfallkoffer mit Ersatzwäsche und Reisenecessaire aus dem BMW und betrat das Wohnhaus.

Schon im Flur kam ihm Mora entgegen. „Komm mit, ich zeige dir dein Zimmer“, sagte sie, „Papa hat sich etwas hingelegt, die Aufregung der letzten Tage und die heutige Hin- und Rückfahrt nach München waren ein bisschen viel für ihn, schließlich ist er nicht mehr der Jüngste.“

„Okay, gönnen wir ihm seinen Nachmittagsschlaf, draußen ist übrigens alles in Ordnung“, erwiderte Alex. „Ein hübsch ausgestattetes Bauernhaus habt ihr hier – du musst mir nachher noch die Lage der Räume erklären.“

„Du willst doch nur wissen, wo mein Schlafzimmer ist“, entgegnete Mora mit einem Augenzwinkern. „Aber so weit sind wir noch lange nicht, mein schöner Polizist.“

„Blödsinn, was denkst du eigentlich von mir!“ Alex machte eine künstliche Pause und fixierte Mora grinsend mit seinen blauen Augen, was ihr sichtbar unter die Haut ging. „Du musst aber verstehen, dass ich einen Raum- und Lageplan des Hauses brauche, wenn ich euch wirksam beschützen soll. Außerdem hast du gelobt, all‘ meinen Sicherheitsanordnungen brav Folge zu leisten, oder?“

„Ist ja schon gut“, entgegnete Mora mit scheinbar missbilligend hochgezogenen Augenbrauen und einem scheinbar genervten Augenaufschlag. „Also, hier im Erdgeschoss haben wir das Wohnzimmer mit Gartenterrasse, eine Küche und zwei Büros, die mein Vater und ich als häusliche Arbeitszimmer nutzen und da vorne ist ein Gäste-WC und die Tür daneben führt zum Keller. Oben liegen die Schlafzimmer von meinem Vater und mir sowie zwei Bäder und noch vier Gästezimmer, die ich dir jetzt zeige – du hast also momentan die freie Auswahl für deine Unterbringung.“

Bei diesen Worten hatte sich Mora bereits mit raschen Schritten über die handgeschnitzte Eichentreppe zum Obergeschoss aufgemacht.

„Sehr geschmackvoll und gediegen“, bemerkte Alex anerkennend beim Anblick seines im Landhausstil eingerichteten Gästezimmers. „Gibt es oben drüber auch noch einen Dachboden?“

„Yep!“, und der Zugang dorthin führt über eine ausklappbare Leiter hier im oberen Flur“, antwortete Mora. „Ich geh‘ uns jetzt erst mal Kaffee machen und richte einen kleinen Imbiss her, aber vorher brauche ich noch etwas von dir.“

Bei diesen Worten hatte sich Mora katzengleich zu Alex herum gedreht und ihm einen heftigen, atemberaubenden Kuss aufgedrückt. „So, das muss erst mal reichen, wie du siehst, bist du nicht der Einzige, der sich ungefragt Küsse rauben darf.“

Noch ehe Alex darauf reagieren konnte, war Mora auch schon leise lachend durch die Tür und die Treppe hinunter gewirbelt. „Das kann ja heiter werden“, dachte sich Alex. „Diesen Wildfang zu zähmen, dürfte keine leichte Aufgabe werden – aber der Mensch wächst mit seinen Aufgaben – und ich wollte es auch gar nicht anders haben. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es mit meinen Verflossenen nicht funktioniert hat, die waren mir halt mit der Zeit einfach zu oberflächlich und fade.“

In diesem Moment klingelte sein Mobiltelefon und es meldete sich Pitt Breuer, der Chef seiner Labortechnischen Gruppe.

„Hallo, Alex, ich habe einige sehr interessante Neuigkeiten für dich. Wir haben den elektronischen Footprint dieses Mitarbeiters von Frau Dr. Klausner analysiert. Demnach steht fest, dass sein Handy am Sonntagabend erst in eine Funkzelle bei Starnberg und kurz darauf in eine benachbarte Funkzelle nahe der Autobahn A95 eingeloggt war. Wenn du mich fragst, der Kerl war zur Tatzeit am Tatort.

Von diesem Gruber, den wir ja schon länger als Hehler von Kunstgegenständen verdächtigen, wissen wir bereits aus unseren bisherigen Ermittlungen, dass er in seinem Geschäft in München offenbar mit mehreren Prepaid-Handys arbeitet, die er zwar öfter mal wechselt, die wir aber nummerntechnisch alle kennen. Und jetzt kommt‘s: Eine der von ihm benutzten Rufnummern war am Sonntagabend exakt zur selben Zeit in die gleichen Funkzellen, wie das Handy von Leitner eingeloggt. Das kann ja wohl kaum mehr ein Zufall sein.“

„Dank‘ dir für diese hervorragende Arbeit. Ihr gebt das jetzt - wie besprochen – mit allen Auswertungen der Bewegungsprofile sofort an LPDir Breitner im Präsidium und EKHK Schröder im K11 in München weiter.

Meines Erachtens besteht damit dringender Tatverdacht und Kurt Schröder kann jetzt problemlos die Durchsuchungsbefehle beantragen und die beiden Figuren zur Fahndung ausschreiben. Bitte beteiligt nachrichtlich auch KOR Engel von der Kripo Traunstein. Ich werde Engel gleich anrufen, und über die Entwicklung des Falls ins Bild setzen.“

Alex wollte schon auflegen, da hörte er ein „Halt, halt!“ von Pitt aus dem kleinen Kopfhörer, den er sich zum besseren Verstehen ins Ohr gesteckt hatte. „Das Wichtigste kommt ja noch“, sagte Pitt.

„Wir sind uns inzwischen nach zweimaliger Überprüfung sicher, dass sowohl das Leitnersche Handy, als auch eine der von Gruber benutzten Prepaid-Nummern seit heute am frühen Nachmittag in der Traunsteiner Innenstadt ins D2-Netz eingeloggt sind. Damit sind die Alibis von Leitners Vermieterin und der Bürotante aus Grubers Firma ja wohl Makulatur.

Und noch etwas, Gruber hat heute Mittag längere Zeit mit einer mobilen serbischen Vorwahlnummer telefoniert, die wir aber bisher nicht zuordnen können. Und dieses serbische Handy scheint bereits zu diesem Zeitpunkt in Österreich gewesen zu sein und wir haben es, ehe es gegen 14:30 Uhr ausgeschaltet wurde, zuletzt in der Nähe des Salzburger Flughafens geortet.“

„Klasse Arbeit, Pitt, du hast keine Ahnung, wie sehr du und dein Team mir gerade geholfen habt – und jetzt mit Tempo alle Infos an das Präsidium in München und an die Kripo Traunstein.“ „Immer wieder gerne, mein Lieber, und pass auf dich und deine neue Freundin gut auf.“ Damit legte Pitt auf.

„Woher weiß er das jetzt schon wieder“, dachte Alex, „der Kerl ist ja schlimmer als die NSA, aber er ist spitze, sonst würde er ja auch schließlich nicht für mich arbeiten.“

Nachdem Alex seine wenigen mitgebrachten Kleidungsstücke ausgepackt hatte, machte er sich auf den Weg nach unten. „Und, was gibt‘s Neues?“, kam Mora fragend mit einer herrlich duftenden Tasse Espresso auf ihn zu. „Gehen wir in die Küche, da stören wir Vater nicht.“

Alex nahm seine Tasse und folgte Mora in den von ihr gezeigten, gemütlich eingerichteten Raum. „Das nennt man hierzulande bei euch also Küche“, bemerkte Alex bewundernd, „die ist ja fast größer als mein Wohnzimmer!“

Als er sich daraufhin in einen der bequemen Ledersessel setzen wollte, raste ein dunkelbraunes Fellbündel auf ihn zu.

„Und das ist unser Max, mein – zugegebenermaßen – arg verwöhnter und anspruchsvoller Kampfkater, pass nur auf, normalerweise kratzt er Fremden nämlich die Augen aus“, sagte Mora mit einem unterdrückten Lachen.

„Also ganz so, wie seine Besitzerin“, sagte Alex und machte es sich jetzt im ihm zugewiesenen rustikalen Ledersessel gemütlich. Sehr zur Überraschung von Mora sprang Max umgehend auf Alex Schoß und schmiegte sich schnurrend an ihn. „Das hat er …, das hat er ja bei Fremden noch nie gemacht“. Mora schien völlig perplex.

„Pfui, du stellst mich hier als Lügnerin hin und wirfst dich diesem Bodyguard-Kerl gleich beim ersten Zusammentreffen an den Hals?“ Kater Max schien von diesen Worten unbeeindruckt und schaute Mora laut vernehmlich schnurrend mit einem unschuldigen Augenaufschlag an. „Und gleich lässt du dir von diesem Kerl auch noch den Bauch kraulen – oder was?“

Kater Max schnurrte unbeeindruckt weiter und schloss völlig unschuldig seine Augen. Sollten doch diese beiden Zweibeiner sich weiter streiten – in seiner Katerphilosophie wusste er genau, dass sein Frauchen es gar nicht so meinte, wie sie sich gerade gab und er wusste darüber hinaus genau, dass er den fremden Zweibeiner schon vom ersten Anblick an gemocht hatte.

„Beeindruckend, wie du mit Tieren umgehen kannst“, sagte Mora. Alex grinste. „Du musst wissen, ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und konnte schon immer ganz gut mit all unseren tierischen Mitbewohnern umgehen, Katzen eingeschlossen.

Aber zurück zu deiner Frage – ja, wir kommen voran, inzwischen dürfte die Fahndung nach Leitner und Gruber angelaufen sein und es wird Zeit, dass ich mich bei KOR Engel melde.“

Alex nahm sein Handy und schaltete den Lautsprecher ein. Als er Engel an der Strippe hatte, berichtete er ihm zunächst alle wichtigen Falldetails einschließlich der Vermutung, dass sich die beiden Täter direkt vor seiner Nase in Traunstein aufhielten.

„Das Fahndungsersuchen und die Infos der Münchner Kollegen haben wir gerade herein bekommen“, sagte der Kriminaloberrat gerade. „Und wir werden diese Brüder und ihre Helfershelfer auch schnappen, zumal wenn sie es tatsächlich gewagt haben sollten in meinem Zuständigkeitsbereich aufzutauchen.

Ich habe, neben unserem für organisierte Kriminalität (OK) zuständigen Kommissariat 4, auch meinen Kriminaldauerdienst (KDD) mit Vorrang auf diese Sache angesetzt. Und wie Sie, Herr Kranz, mich ja von früher kennen, verstehe ich in so einer Sache überhaupt keinen Spaß.“

„Ja, da habe ich keinen Zweifel.“ Alex war froh, dass er es gerade in diesem Fall mit dem überaus kompetenten Kriminaloberrat Engel zu tun hatte, den seine verbrecherische Klientel zu Recht fürchtete und der von diesen weniger als Engel, sondern eher als schlimmer Teufel betrachtet wurde.

„Ich glaube, es wäre eine gute Idee, mal die örtlichen Hotels, Gasthöfe und Pensionen, vor allem in der Innenstadt von Traunstein zu überprüfen, die Handyortung deutet auf einen Bereich im Radius von rund 1.000 Metern um den Bahnhof herum hin“, meinte Alex gerade.

„Das habe ich schon beauftragt“, sagte Engel, „brauchen Sie für heute noch Unterstützung von uns vor Ort in Bernhaupten?“, fragte er dann zum Abschluss. „Nein, ich denke, ich hab‘ hier alles im Griff, zudem erwarte ich minütlich professionelle Verstärkung aus meiner Gruppe Personenschutz in Fürstenfeldbruck. Allerdings denke ich, dass wir uns morgen im Lauf des Tages mal persönlich treffen sollten – wenn's vorher was Neues gibt, rufe ich Sie an.“

Damit legte Alex sein Handy aus der Hand und griff nach seinem inzwischen erkalteten Espresso. „Ich mach‘ dir schnell ‘nen Neuen“, Mora nahm die Tasse und war schon auf dem Weg zu ihrer Saecco-Maschine, als sich kurz nach 15:00 Uhr ein immer lauter werdendes flappendes Rotorgeräusch rasch näherte.

„Das ist bestimmt Bill mit dem Helikopter – fast ‘ne halbe Stunde verspätet“, stellte er mit Blick auf seine Armbanduhr fest. „Wahrscheinlich musste er heute länger auf die Genehmigung des Flugplans durch die Flugsicherung warten. Ich geh‘ mal kurz raus und weise ihn ein.“

Doch noch ehe Alex sich aus dem Sessel erheben konnte, war Mora bereits zur Hintertür hinaus gefegt und versuchte den Hubschrauber gegen die tief stehende Sonne auszumachen.

„Dieser Hubschrauber ist aber grün und nicht rot, wie du gesagt hast und außerdem hat er Werbung auf den Türen.“

Mora hatte den Satz kaum beendet, da sprang Alex schon vor sie hin und riss sie zurück. Und nahezu zeitgleich fielen auch schon vom Hubschrauber heraus Schüsse aus einem Schnellfeuergewehr. Alex drängte Mora zurück ins Haus und feuerte mit seiner 357er Magnum zurück, als er einen heißen Stich in der linken Hüfte verspürte. Er zuckte kurz zusammen, schoss aber dennoch sein ganzes Magazin im Combat-Anschlag leer. Auch wenn ihm klar war, dass er von der Reichweite seiner Waffe her wenig ausrichten konnte, lud er sofort mit einem Speed-Loader-Magazin nach und feuerte erneut.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass jetzt in nur noch geringer Entfernung der rote Bell Jet Ranger seiner Firma mit Höchstgeschwindigkeit auf die Szenerie zustrebte. Bill Carter hatte anscheinend das MG-Feuer aus dem anderen Helikopter bereits bemerkt und ging sofort in den Kampfmodus. Alex Firmenhubschrauber war nämlich nicht nur ein einfaches Transportgerät, sondern hatte nach einem firmeninternen, von den Behörden genehmigten Umbau auch Zähne in Form von einer, unter dem Bug angebrachten 20 mm-Kanone.

Auch der blaue Helikopter hatte die anfliegende rote Maschine bemerkt, drehte ab und seine Insassen feuerten mit ihren automatischen Waffen jetzt bereits auf Bill, trafen aber nicht.

Dagegen schoss Bill schon beim ersten Anflug den grünen Hubschrauber aus einer perfekt geflogenen Kampfkurve heraus mit seiner Bordkanone ab. „Du hättest dich besser nicht mit Profis anlegen sollen, du Affenarsch“, knurrte er in seinen Bart. Das grüne Fluggerät explodierte noch in der Luft und seine Trümmer stürzten auf ein benachbartes Feld, während Bill auf der ihm zuvor angewiesenen Grünfläche zur Landung ansetzte.

„Das war ja ganz schön knapp“, sagte Alex mit gepresster Stimme und hielt sich die Hüfte, als er sich zu Mora herum drehte. „Mein Gott, du blutest ja“, schrie Mora entsetzt auf. Ihr Vater, wach geworden von dem höllischen Lärm, hatte die Lage sofort erfasst und hastete bereits nach dem Erste-Hilfe-Koffer im Bad. „Oh, mein Gott, du wurdest angeschossen, weil du dich direkt vor mich gestellt hast. Alex, Alex, du darfst nicht sterben, ich brauche dich doch.“

Ehe Mora mit Tränen in den Augen völlig in Panik geriet, sagte Alex mit noch immer schmerzverzerrten Gesicht: „Es ist nicht so schlimm, wie‘s aussieht – nur ein Streifschuss; ich habe wohl nochmal Glück gehabt. Das ist nur ‘ne Fleischwunde, aber es tut dennoch höllisch weh.“

Inzwischen waren Bill Carter und ein weiterer Mann in schwarzem Kampfkombi aus der gelandeten Maschine gesprungen und beide kamen im Laufschritt auf das Haus zu.

„Tut uns Leid, Boss“, sagte Bill, „aber wir waren wohl nur um wenige Minuten zu spät dran, sonst hätten wir noch vor der Luft-Boden-Schießerei eingreifen können.

Wir haben erst während des Flugs erfahren, dass heute am frühen Nachmittag auf dem Salzburger Flughafen der Hubschrauber einer Reklamefirma geklaut wurde und das passt mit dem Bewegungsprofil des serbischen Handys gut zusammen. Ich habe dann 1+1 zusammengezählt und mich, nachdem ich das MG-Feuer aus dem grünen Heli gesehen habe, dann auch nicht mehr mit Warnschüssen aufgehalten.“

„Gute Arbeit, Bill“, lobte der inzwischen von Mora und ihrem Vater mit einem Druckverband ausgestattete Alex zähneknirschend, „Du hast alles richtig gemacht, immerhin hätten die uns wie Hühner auf der Stange abgeschossen, wenn ihr nicht so zielgerichtet und massiv eingegriffen hättet.

Übrigens, darf ich vorstellen: das hier sind Frau Professor Dr. Klausner und ihr Vater, deren Schutz wir im Auftrag der Kripo München zu gewährleisten haben – und ich finde es gut, dass du gleich deinen Bruder Nick mit hierher gebracht hast; wie's scheint, sind beide Klausners angesichts dieses unerwarteten Angriffs aus der Luft gefährdeter, als ich bisher dachte und wir beide allein reichen da wahrscheinlich für einen nachhaltigen Personenschutz nicht aus.“

Mora und ihr Vater begrüßten die beiden Ex-Marines und schüttelten den puertoamerikanisch aussehenden Männern dankbar die Hand.

„Huhn Nr. 1 bedankt sich sehr, dass es zusammen mit Huhn Nr. 2 und 3 noch weiter auf der Stange sitzen bleiben darf“, meinte Mora daraufhin mit einem listig-schiefen Grinsen, „aber meinem designierten Verlobten von eigenen Gnaden beliebte ja gerade dieser bescheuerte Vergleich“, sagte Mora zu den beiden Neuankömmlingen. „So, ich denke, sie sollten erst mal ins Haus kommen, damit ich meinen Imbiss nicht völlig umsonst gemacht habe.“ Und in Richtung Alex drohte sie mit dem Zeigefinger: „Wage es ja nicht nochmal, mich so zu erschrecken und das ist zum Dank, dass du mir erneut das Leben gerettet hast!“

Damit schnappte sie sich Alex Kopf mit beiden Händen und drückte dem Überraschten zum zweiten Mal für heute einen innigen Kuss auf. „So, das war jetzt mal wieder fällig“, sagte Mora zufrieden lächelnd, „komm deswegen aber ja nicht auf komische Gedanken.“

Nick grinste seinen Bruder an: „Danke, lieber Gott, für diesen Augenblick, ich habe nämlich den Chef noch nie so sprachlos gesehen. Hier geht's ja zu, wie zuhause bei dir und deiner Maria.“

„Halt die Klappe, Kleiner – kümmre dich lieber für uns um eine nahe gelegene Bleibe für die nächsten paar Tage“.

„Das kommt ja überhaupt nicht in Frage!“, mischte sich Mora sofort in den Dialog ein. „Wir haben hier wirklich mehr als genug Platz. Vater muss nur noch unserer Hauswirtschafterin sagen, dass sie heute Abend für fünf statt für zwei Personen kochen muss. Frau Loibl, so heißt die Gute, sollte gegen 17:00 Uhr hier aufkreuzen. Ihr gehört nämlich der Hof, gleich unten an der Straße – also erschießt sie nicht gleich, wenn sie nachher an der Haustür klingelt“, fügte sie dann mit einem jovialen Lächeln hinzu.

Während Mora so mit den beiden Amerikanern scherzte, hing Alex, trotz seiner Schmerzen schon wieder am Handy, um Feuerwehr und Polizei über den Absturz zu informieren.

„Auch wenn‘s nicht mehr viel zu löschen gibt, müssen wir dennoch das Wrack und das, was von dem Killerkommando übrig ist, schnellstens zur Spurensuche bergen und kriminaltechnisch untersuchen lassen. Jede Wette, dass es sich dabei um die von Gruber angeheuerten serbischen Auftragskiller handelt?“

Auf der anderen Seite der Leitung meinte KOR6 Engel gerade: Das ist schon alles veranlasst, schließlich wurden wir schon kurz nach der Explosion des Hubschraubers von Herrn Klausner alarmiert.

Und ich habe auch zusätzlich unsere Kriminaltechniker und einen örtlichen Arzt zu Ihnen in Marsch gesetzt. Was unsere beiden Verdächtigen, Leitner und Gruber, angeht, sind wir noch nicht fündig geworden. Zufälligerweise ist aber gerade einer unserer Streifen ein schwarzer Range Rover aufgefallen, der mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Autobahn fuhr, den sie aber leider bei der weiteren Verfolgung aus den Augen verloren haben.

Aber Alex, wie ich höre, sind Sie bei dem Anschlag selbst verletzt worden, ich hoffe es ist nichts Schlimmes. Übrigens komme ich morgen selber zu Ihnen raus, wir brauchen schließlich auch noch Ihre und die Aussagen Ihrer Männer.“

„Keine Sorge, das ist nur ein Streifschuss an der Hüfte, und der wurde schon mustergültig versorgt; wenn ich in den kommenden Tagen nicht gerade Bocksprünge absolvieren oder Lachen muss, kann man es aushalten“, erwiderte Alex.

„Aber ich wäre Ihnen, Herr Engel, sehr dankbar, wenn Sie morgen früh gegen 09:00 Uhr hier sein könnten; Frau Klausner möchte nämlich im Verlauf des Tages noch bei ihrer Ausgrabungsstelle in Bergen vorbei schauen – und das geht nicht ohne unsere Begleitung.“ „Das ist kein Problem, bis dann also“, verabschiedete sich KOR Engel von Alex.

Die mittlerweile eingetroffene Feuerwehr hatte den Brand des noch immer schwelenden Hubschrauberwracks schnell gelöscht und die zum Tatort herbei geeilten Streifenbeamten wurden gerade von Alex in die Sachlage eingewiesen und mit der Absperrung des Absturzorts bis zur Ankunft der kriminaltechnischen Spezialisten betraut.

Alex hatte mittlerweile, im Anschluss an das Gespräch mit KOR Engel, telefonisch auch die Bestätigung von Pitt Breuer erhalten, dass mindestens eines der überwachten serbischen Handys am Ort des Überfalls aus der Luft in Betrieb gewesen war, jetzt aber nicht mehr sendete.

Kurz darauf klingelte es an der Haustür des Klausnerschen Anwesens. „Ach, Herr Dr. Bartel, vielen Dank, dass Sie so rasch vorbeikommen konnten, der Patient ist dahinten, Herr Kranz, das ist unser Hausarzt, Herr Dr. Bartholomäus Bartel“, begrüßte Max Klausner den eintretenden älteren Landarzt.

„Jetzt kriegt er endlich eins auf seine vorlaute Klappe“, bemerkte Mora zu den übrigen Gästen. „Mir erzählt er nämlich schon seit einer halben Stunde, dass ihm eigentlich gar nichts mehr weh tut, obwohl er bei jedem Schritt das Gesicht verzieht.“

Dr. Bartel ging sofort auf Alex zu und sagte: „Na, dann wollen wir uns dieses medizinische Wunder der Schnellgenesung doch direkt einmal anschauen. Grüß Gott, Herr Kranz, Sie legen sich jetzt mal auf diese gemütliche Couch dort, und zwar auf den Bauch, wenn ich bitten darf.“

Alex tat, wie ihm geheißen, schließlich – auch wenn er es nicht gerne zugab – hatte er an Hüfte und Rücken mittlerweile höllische Schmerzen, ganz so, als ob ihn ein Pferd in die Seite getreten hätte.

„Erstklassiger Verband, Mora, Sie haben ja in meinem Erste-Hilfe-Kurs an der Volkshochschule doch besser aufgepasst, als ich gedacht habe. Wollen mal sehen ...“ Dr. Bartel hatte die Hüfte von Alex, dem das sichtlich peinlich war, inzwischen bis auf dessen Shorts freigelegt und betrachtete die offene und ziemlich tiefe Fleischwunde aufmerksam.

„Bis Sie mal heiraten, spüren Sie davon nichts mehr, aber da anscheinend auch ein paar wenige Muskelstränge zum Rücken hin verletzt worden sind, haben Sie momentan sicher heftige Schmerzen. Ich desinfiziere jetzt die Wunde und gebe Ihnen dann etwas gegen die Schmerzen und dann geht‘s ab ins Bett.“

„Aber mir fehlt doch gar nichts, Herr Doktor“, setzte Alex gerade an, als ihm Dr. Bartel bereits das Wort abschnitt: „Sie beide da“, sagte er mit Blick auf Bill und Nick Carter. „Sie halten den Patienten jetzt mal kurz fest, Muckis dafür scheinen Sie ja genug zu haben. Jetzt gibt‘s erst mal einen feinen antibiotischen Puder auf diese stramme Hüfte und dann fehlt nur noch die Starrkrampfspritze ins Hinterteil.“

„Aber ich bin doch gegen Tetanus geimpft“, murmelte Alex, was Dr. Bartel aber scheinbar nicht interessierte. „Doppelt genäht hält besser“, meinte er nur – apropos, wo wir gerade beim Nähen sind, ihre Wunde werde ich nur klammern, für eine saubere Naht ist das Gewebe bereits zu stark angeschwollen.“ Dr. Bartel arbeitete rasch und ehe sich Alex versah, hatte er ihm noch eine zweite Spritze verabreicht.

„Und jetzt geht‘s ohne Umwege sofort ab ins Bett, das was ich Ihnen gerade verabreicht habe, war ein leichtes Schmerz- und Schlafmittel, also kommen Sie in Bewegung, schließlich wollen wir Sie ja nicht auch noch die ganze Treppe hinauf tragen.“

Mit Hilfe von Bill und Nick gelangte Alex zu seinem Zimmer im Obergeschoss und legte sich, wie angewiesen, ins Bett.

„So ist‘s brav und bleiben Sie ruhig liegen, sonst platzen meine Klammern wieder auf und dann zeigt Ihnen der Landarzt Bartel mal, wo sein Bruder den sprichwörtlichen Most holt.

Hier lege ich Ihnen noch eine Schmerztablette hin, die Sie – wenn‘s sein muss – heute Nacht noch nehmen können. Ich schaue dann morgen früh wieder bei Ihnen vorbei.“

Damit verließ Dr. Bartel das Zimmer und ging wieder nach unten, wo er sich von den Klausners und den Carter-Brüdern verabschiedete.

„Passen Sie mir ein bisschen auf den Patienten auf, ich habe nämlich den Eindruck, dass er sich nicht gern etwas vorschreiben lässt. Mit ein wenig Ruhe heute Nacht sollte er morgen wieder einigermaßen fit sein, aber überanstrengen darf er sich in den nächsten Tagen noch nicht.“

Nachdem Dr. Bartel gegangen war, hörte Alex noch ein undeutliches Murmeln im Erdgeschoss, wo man inzwischen beim von Frau Loibl vorbeigebrachten Abendessen beisammen saß. „Und der Held darf mal wieder hungern“, dachte er noch, ehe das verabreichte Schlafmittel seine Wirkung tat.

Die Erben der Larojaner

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