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Kapitel 5 Schüsse im Dunkeln – 31.08.2014

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Ein regnerischer Sonntagabend im Spätsommer des Jahres 2014. Der in der privaten Sicherheitsbranche tätige Unternehmer Alexander Kranz hatte den Nachmittag bei einem Freund aus Schultagen, Bernhard Baron von Selb, in Bernried verbracht. Bernhard hatte ihn nämlich schon vor Wochen gebeten, doch einmal an einem Wochenende das elektronische Sicherungssystem seiner besonders exquisiten Kunst- und Antiquitätensammlung in seinem Haus in Bernried am Starnberger See zu begutachten, um es dann nötigenfalls mit seiner Firma auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Das hatte länger als von Alex geplant gedauert und so hatte er sich noch von Bernhard zu einem Abendbrot überreden lassen.

Jetzt, gegen 18:30 Uhr, war er wieder auf dem Rückweg nach München, wo er sich werktags mit seiner Firma K&H Security nicht nur um den Verkauf und die Installation von technischen Absicherungssystemen und das Angebot von Security-Dienstleistungen, sondern in Zusammenarbeit mit seinen ehemaligen Kollegen von der Polizei München mittlerweile auch immer häufiger um die Aufklärung von Kunstdiebstählen und vor allem um die Wiederbeschaffung entsprechenden Diebesguts kümmerte.

Aufgewachsen war Alex Kranz auf einem bayerischen Bauernhof, den seine schon damals sehr betagten Eltern kurz vor ihrem Tod verkauft hatten. Da es sonst keine Verwandtschaft gab, hatte Alex damit schon in jungen Jahren ein beträchtliches Vermögen geerbt,

Schon während seines Kriminalistik- und Informatikstudiums hatte Kranz sein Interesse an historischen Artefakten und Kunstgegenständen entdeckt. Seither war er in seiner Freizeit oft auf großen und kleineren Antikmärkten unterwegs – immer mit dem Ziel, inmitten des zuhauf angebotenen Kitschs verborgene Schätze zu entdecken. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil seiner Meinung nach ‚Sehen und Anfassen‘ eindeutig bessere Kaufentscheidungen lieferten, als wenn er sich die Sachen im Internet betrachtet hätte.

Den Besuch des Andechser Antiquitätenmarkts an diesem Sonntag hatte er aber leider verpasst, weil es ihm wichtiger war, seinem ziemlich vermögenden Freund zu helfen. „Na dann halt das nächste Mal“, dachte Alex, als er schließlich am frühen Sonntagabend bei Seeshaupt auf die Autobahn A95 nach München einbog.

In seinem anfänglichen Berufsleben als IT-Spezialist und wissenschaftlicher Ermittler im Kriminaltechnischen Institut des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA), das hausintern meist nur als ‚KTI‘ bezeichnet wurde, hatte er sich auf die Untersuchung von Kunstdiebstählen aller Art sowie auf die Auswertung elektronischer Spuren spezialisiert.

Da er mit der Zeit feststellte, dass er nicht mehr Tag für Tag im Labor oder vor einem Bildschirm verbringen wollte, strebte er nach einiger Zeit einen Wechsel von der Abteilung II (KTI) zum Kriminalfachdezernat 6 an, um stattdessen bei der Suche nach verschwundenen oder gestohlenen, hoch versicherten Kunstgegenständen im operativen Bereich der kriminalistischen Polizeiarbeit mitzuwirken.

Wegen seiner profunden kriminaltechnischen Kenntnisse waren seine damaligen Vorgesetzten diesem Wunsch gefolgt und hatten ihn als Quereinsteiger im Alter von 25 Jahren im Rang eines Kriminalrats in das KFD 62 (Zentrale Ermittlungen / Diebstahl / Ausländerkriminalität) des Polizeipräsidiums München versetzt.

Gerade in Oberbayern und im benachbarten Österreich hatten zu jener Zeit Kirchen- und Museumsdiebstähle stark zugenommen, aber auch reiche Privatleute in Stadt und Landkreis mussten, trotz umfassender Sicherung ihrer Anwesen, immer öfter feststellen, dass sie bei längerer Abwesenheit Opfer einschlägiger Kunstdiebe geworden waren. Häufiger waren dabei aus dem Ausland agierende Banden als Auftraggeber und Täter ermittelt worden, die meist auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckten.

Und bei Alexander, den seine Freunde kurz Alex nannten, hatte sich – nach erfolgreicher Aufklärungsarbeit und vielen gelungenen Wiederbeschaffungen in seinen letzten 5 Jahren als Polizeibeamter – mehr und mehr die Idee der Selbständigkeit in den Vordergrund gedrängt. Im Alter von 30 Jahren hatte er diesen Schritt unter Einsatz seines geerbten Vermögens gewagt und angesichts seines Erfolgs in den letzten fünf Jahren privatwirtschaftlicher Tätigkeit auch nie bereut.

Inzwischen war er Chef einer sehr gut laufenden Security-Firma, die sowohl für Versicherungen, immer öfter aber auch für Privatleute direkt arbeitete und die ihm bereits über das investierte Kapital hinaus ein hübsches Vermögen eingebracht hatte.

Dabei ging es inzwischen nicht mehr nur um die Diebstahlsaufklärung und Wiederbeschaffung, sondern in letzter Zeit vermehrt auch um die präventive Installation von ausgeklügelt entwickelten, technischen Sicherheitssystemen bei seiner wohlhabenden Privatkundschaft.

Wegen des in diesem Zusammenhang von ihm erkannten Schutzbedarfs seiner vermögenden Klientel, hatte Alex vor wenigen Jahren in seiner Firma zusätzlich eine ‚Gruppe Personenschutz’ als drittes Standbein von K&H Security aufgebaut – ein Angebot, das inzwischen immer häufiger von seiner meist prominenten Kundschaft angenommen wurde. Außerdem arbeitete er nach wie vor noch immer als zeitweiser und gefragter Berater für die Münchener Kripo.

Zugegebenermaßen war aber, wegen der inzwischen sehr guten Auftragslage, sein Privatleben ein Stück weit auf der Strecke geblieben. Sein schon lange glücklich verheirateter Partner und Geschäftsführer Hans Huber und seine ebenfalls seit Jahren verheiratete Sekretärin Susanne hatten schon des Öfteren versucht, ihn, den gut aussehenden Junggesellen, mit Damen aus der sogenannten besseren Gesellschaft zu verkuppeln.

Freilich waren beide dabei wenig erfolgreich gewesen, denn meist hatte Alex dafür aufgrund gerade laufender aufwändiger Ermittlungsarbeiten keine Zeit – und mit Kundinnen fing er sowieso schon aus Prinzip nichts an.

„Was du dringend mal brauchst, mein lieber Alexander, ist ein längerer Urlaub“, hatte Susanne ihm gerade erst am Freitag anlässlich eines erfolgreich abgeschlossenen Falls nahe gelegt. „Sonst endest du noch als vertrocknete Jungfrau – geh‘ halt endlich mal unter die Leute – wenn du niemanden kennen lernst, wird das sonst nie was mit einer Familie und jünger und schöner wirst du mit deinen bald 40 Jahren ja schließlich auch nicht.“

Mit seinem vollen Namen, den er traditionsgemäß seiner väterlichen Abstammungslinie verdankte, redete Susanne ihn nur an, wenn sie Alex ärgern oder von der Ernsthaftigkeit ihres Ansinnens überzeugen wollte – oder immer dann, falls aller Spaß ein Ende hatte.

„Du siehst mit deinen 35 Lenzen jetzt ja noch ganz passabel aus, bist im Job unter den Führenden unserer Branche, da wird es langsam Zeit, mal ein wenig auszuspannen. Und wenn du das nicht selbst in Angriff nimmst, buche ich dir einen Urlaub im Mekka aller Junggesellen auf Teneriffa, ohne dich vorher zu fragen.“

„Und wer kümmert sich dann um unsere Aufträge?“, hatte Alex – eher belustigt von Susannes Ansinnen – entgegnet. „Mein lieber Alex, unser Laden läuft doch prima und dein Kumpel Hansi und ich, können die Firma auch mal einige Wochen lang alleine schmeißen“, hatte Susanne entgegnet. „Und, falls du es vergessen haben solltest, hast du ja auch noch so um die 100 ziemlich fähige weitere Mitarbeiter – oder?“

Als er mit seinem BMW 640d Cabrio so in der heraufziehenden Dämmerung des trotz leichtem Regens noch immer sommerlich warmen Abends auf der ziemlich unbelebten, nassen A95 in Richtung München fuhr, dachte er grinsend über diese Worte seiner Vorzimmerlöwin nach.

Sie hatte ja Recht und ein Urlaub in den bayerischen Bergen wäre etwas, mit dem er sich durchaus anfreunden konnte. Besser vielleicht noch ein kunsthistorischer Trip zu einer Ausgrabungsstätte in den Voralpen, die ja inzwischen immer öfter von seriösen Reiseveranstaltern unter wissenschaftlicher Anleitung und in Zusammenarbeit mit einigen Universitäten des Freistaats angeboten wurden.

Aber Teneriffa, das kam für Alex überhaupt nicht in Frage; noch schlimmer wäre da nur der Ballermann auf Mallorca gewesen. Auch wenn Alex kein ausgewiesener ‚Bergfex‘ war und nie die ganz große Lust zum Erklimmen der heimatlichen Gipfel entwickelt hatte, konnte er sich dagegen erholsame Spaziergänge in der heimischen Bergwelt oder die körperliche Arbeit auf einem archäologischen Ausgrabungsfeld ganz gut als erholsame und entspannende Urlaubsmaßnahme vorstellen.

Wie er so diesem Gedanken nachhing, wurde er ein stückweit nach dem Starnberger Dreieck von einem mit hohem Tempo fahrenden roten BMW Z4 Sportwagen überholt. Gleich dahinter hing ein schwarzer Audi Q7 Geländewagen, der bei diesem Wetter nicht weniger kopflos mit über 200 Sachen fuhr. „Idioten“, dachte Alex, „die fünf Minuten, die ihr bis zur 80er Zone vor München schneller seid, sind das Risiko wirklich nicht wert. Und übrigens fahrt ihr hier bereits in einer bei Nässe auf Tempo 80 begrenzten Zone.“

Kurz vor München-Fürstenried wurde der Verkehr wieder ein wenig dichter und er hatte die beiden Raser inzwischen wieder auf 300 Metern Abstand vor sich, als es plötzlich seitlich aus dem Audi Geländewagen heraus zweimal hell aufblitzte. Der Fahrer des roten BMW-Sportwagens, der auf der rechten Spur fuhr, verlor daraufhin die Kontrolle über sein Fahrzeug und knallte mit immer noch überhöhter Geschwindigkeit in die rechte Leitplanke, wo er – daran entlang seitlich schliddernd – erst nach einigen 100 Metern zum Stehen kam.

Während der schwarze Audi nach kurzem Bremsen wieder beschleunigte und sich offenbar aus dem Staub machte, fuhr Alex mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf den Standstreifen und hielt ein stückweit hinter dem verunglückten BMW Z4. Als er an der Tür des Wagens rüttelte, sah Alex unter der rauchenden Motorhaube bereits erste bläuliche Flämmchen herauszüngeln. „Jetzt aber Tempo“, sagte er sich und riss die Fahrertür auf.

Der Fahrer, oder – wie er erst jetzt sah – die Fahrerin, war dank der ausgelösten Airbags kaum verletzt, allerdings hatte ihr der harte Aufprall das Bewusstsein geraubt. Alex zog die junge Frau schnellstens im Bergegriff aus ihrem Fahrzeug und brachte sie auf einer Decke aus seinem Fahrzeug in die stabile Seitenlage. Danach sicherte er die Unfallstelle mit seinem Warndreieck. Und gerade als er per Handy den Notruf absetzte, um Polizei, Feuerwehr sowie Notarzt zu verständigen, schossen erste hohe Flammen aus der Motorhaube des Z4, der binnen der nächsten fünf Minuten vollständig in Flammen stand.

Alex griff rasch nach seinem Feuerlöscher und rannte, nachdem er die Vitalzeichen der geretteten Fahrerin überprüft hatte, erneut zu dem verunfallten Fahrzeug. Vor allem kam es ihm darauf an, die Fahrerseite zu bearbeiten, da er ja die beiden Feuerblitze aus dem auf der Mittelspur vorbeiziehenden Audi Geländewagen in guter Erinnerung hatte.

„Könnte gut sein, dass aus dem überholenden Audi Q7 auf die Fahrerin geschossen wurde“, gab er den zuerst eingetroffenen Beamten der Autobahnpolizei Starnberg zu Protokoll. „Ich bin überzeugt, dass ich Mündungsfeuer aus einer Waffe gesehen habe, die von dem Q7 aus zweimal in Richtung des BMWs abgefeuert wurde.“

Die Fahrerin des BMWs war inzwischen mit dem Notarztwagen in eine Münchener Klinik unterwegs und die Feuerwehr hatte das an der Leitplanke klebende Wrack des BMW Z4 rasch gelöscht. „Ich denke, wir werden das Fahrzeug erst mal zur kriminaltechnischen Untersuchung nach München bringen lassen“, sagte der aufnehmende Beamte, Polizeioberkommissar Hartmut Stein.

„Übrigens, Herr Kranz, Ihr Name und Ihr Gesicht kommen mir irgendwie bekannt vor, sind Sie etwa ein Kollege?“ „Nicht mehr, Herr Stein, aber Sie haben recht – ich glaube, wir sind uns im KTI München früher schon mal über den Weg gelaufen. Inzwischen bin ich freier Unternehmer im Security-Bereich, berate aber die Kripo München immer noch von Zeit zu Zeit.“ „Aha, also daher kommt’s“, bemerkte POK3 Stein mit einem anerkennenden Blick auf Alex 6er BMW, „hat mich gefreut Sie mal wieder zu treffen.“ Alex schüttelte Stein die Hand und ging in Richtung seines Fahrzeugs, drehte sich aber dann noch einmal um.

„Da wär noch was, Herr Stein“, sagte er, „ich weiß, dass Ihnen das ja eigentlich verboten ist, aber können Sie mir sagen, wie die Verunglückte heißt und in welches Krankenhaus sie eingeliefert wird?“ „Einem ehemaligen Kollegen kann ich das ja wohl kaum abschlagen, Herr Kranz. Übrigens erinnere ich mich jetzt, dass Sie damals der jüngste wissenschaftliche Ermittler des KTI waren – deshalb habe ich mir wohl auch Ihren Namen behalten.

Also, die schöne Frau Dr. Mora Klausner ist auf dem Weg ins Großhaderner Klinikum – alles Weitere müssen Sie aber bei den Kollegen der Münchener Kripo erfragen, da wir den Fall dorthin abgeben werden, weil die Tat ja schon in deren Zuständigkeitsbereich passiert ist.

Wir waren halt nur mal wieder schneller vor Ort als die Münchener Kollegen, da unsere Autobahnpolizeistation ja nur wenige Kilometer von hier entfernt liegt.“ „Ich danke Ihnen für die Auskunft, ich denke, ich werde Frau Klausner demnächst mal besuchen, aber keine Angst, ich werde vorher die Münchener Kollegen um Erlaubnis bitten“, verabschiedete sich Kranz von POK Stein.

Schon auf dem Weg nach Hause in seine Penthousewohnung in Schwabing rief Alex seinen alten Mitstreiter, den inzwischen Leitenden Polizeidirektor Hans Breitner vom Auto aus an. „Du Hans, ich muss morgen mal bei dir vorbeikommen, ich war heute Zeuge eines versuchten Mords an einer Frau Dr. Mora Klausner auf der Garmischer Autobahn kurz vor Fürstenried und da bist doch – soweit ich das noch weiß – du mit deinen Leuten von der Mordkommission zuständig.“

„Du alter Casanova“, sagte Hans Breitner, dem als Chef der Abteilung Einsatz im Polizeipräsidium München auch die mit Kommissariat 11 (K 11) bezeichnete Mordkommission im Kriminalfachdezernat 1 (KFD 1) unterstand. „Wahrscheinlich willst du alter Schwerenöter nur mal wieder ein Date klarmachen und hast die Adresse deiner Angebeteten nicht bekommen.“

„Nein Hans, das ist wirklich ernst – kein Scheiß, ihr habt den Fall spätestens morgen früh sowieso auf dem Tisch und ich bin Zeuge des Vorfalls, ihr müsst mich also ohnehin vernehmen.“ „Also gut, mein Lieber, wie wäre es dann mit 10:00 Uhr morgen früh hier bei mir im Präsidium, oder schlaft ihr Unternehmer zu der Zeit noch?“

„Okay, Hans, bis morgen früh dann – und nein, um 10:00 Uhr fährt der Unternehmer Kranz sonst schon seine zweite Vormittagsschicht“, sagte Alex lachend, ehe er die Freisprecheinrichtung abschaltete.

Die Erben der Larojaner

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