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Bachelor of Arts

Wie das Schlagwort „Pisa“ bei den Schulen aller Stufen, so hat das Schlagwort „Bologna“ bei den Universitäten zugeschlagen: Unter dem Namen der norditalienischen Metropole werden die europäischen Universitäten auf gleichlaufende Studiengänge und gleichlautende B. A.- und M. A.-Abschlüsse verpflichtet. Was ein M. A. ist, das pfeifen in Oxford und Cambridge die Spatzen von den College-Dächern: Das ist im Latein des Mittelalters ein Magister Artium, ein „Meister der Künste“, im Englischen mit den gleichen Initialen ein Master of Arts. Der stolze Meistertitel bezieht sich auf den spätantiken und dann mittelalterlichen Bildungskanon der sieben artes liberales, der einem freien Bürger wohl anstehenden „freien Künste“ im Unterschied zu den banausischen Handwerkskünsten; dazu zählten die drei sprachlichen „Künste“ Grammatik, Dialektik und Rhetorik und die vier mathematischen „Künste“ Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik.

Aber was ist ein B. A.? Gehen wir den gleichen Weg zurück, so begegnet uns zunächst wieder ein mittelalterlicher, mittellateinischer Baccalaureus Artium, im Englischen wieder mit den gleichen Initialen ein Bachelor of Arts. Wer ein feines Gehör für Anklänge, ein waches Gespür für Bezüge und obendrein noch ein paar Wörter Latein im Hinterkopf hat, sieht bei diesem Stichwort Baccalaureus einen frischexaminierten Studienabsolventen mit einem früchtetragenden Lorbeerkranz auf dem Kopf vor dem inneren Auge. Gibt es im Lateinischen nicht eine – weibliche – laurus mit der Bedeutung „Lorbeer“, und ist ein Poeta laureatus nicht ein „lorbeerbekränzter Dichter“? Und gibt es im Lateinischen nicht auch eine bac(c)a mit der Bedeutung „Beere“, und ist die mittelhochdeutsche – wieder weibliche – lorber, unser „Lorbeer“, nicht eigentlich eine „Lor(beer)-Beere“ wie der lorboum ein „Lor(beer)-baum“?

Nun hätte unser Baccalaureus ja gewiss solch einen früchtetragenden Lorbeerkranz verdient; doch irritierend ist, dass das klassische Latein keinen baccalaureus kennt, und irritierend auch, wieso hier schon der angehende B. A., der Geselle, und nicht erst der fortgeschrittene M. A., der Meister, so ehrenvoll bekränzt daherkommt. Tatsächlich sind der Lorbeerkranz und die Beeren daran erst später an der Reihe. Der englische Bachelor of Arts und der entsprechende französische bachelier lassen sich noch bis ins 11. Jahrhundert auf einen altfranzösischen bachelor in der Bedeutung eines „Knappen“, eines Jungritters, zurückführen, und dieser altfranzösische bachelor lässt uns darüber hinaus noch auf einen spätlateinischen baccalarius zurückschließen; danach verliert sich die Spur unseres Baccalaureus Artium im Dämmerlicht zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Wahrscheinlich hat sich hier – wer weiß, wann, wo und wie – eine ursprünglich gallische Bezeichnung für einen jungen Adligen mit einer ordentlichen Endung zu einem fortschrittlichen lateinischen baccalarius aufgeputzt.

Mit dem Aufkommen der Universitäten ist das Wort von den ritterlichen Turnieren in Helm und Harnisch zu den akademischen Disputationen in lateinischer Rüstung übergesprungen. Es lag nahe, aus jenem doch wohl gallischstämmigen, schon längst nicht mehr verstandenen baccalarius die beiden geläufigen lateinischen Wörter bac(c)a, „Beere“, und laurus, „Lorbeer“, herauszuhören und jenen verstummten baccalarius mit einer unbekümmerten Volksetymologie zu einem sprechenden baccalaureus, einem „Lorbeerbekränzten“, zu erheben; da konnte man sich bei dem Wort doch wieder etwas denken. Und es lag wiederum nahe, das derart auf den klassischen Siegespreis der Dichter und Sänger umgedeutete Wort fortan auf ein erstes akademisches Examen, sozusagen einen ersten akademischen Ritterschlag zu übertragen.

Soweit lässt sich die Verwandlung des ritterlichen baccalarius und dann bachelor in einen akademischen Baccalaureus und dann Baccalaureatus noch mit einiger Wahrscheinlichkeit rekonstruieren. Im Englischen führte der Bedeutungswandel darauf noch einen Schritt weiter zum bürgerlichen Status eines noch nicht verheirateten jungen bachelor, eines der Ehe- und Familienlast noch ledigen „Junggesellen“. Stufenfolgen, Leitersprossen: Da wird im Studium der B. A., der „Lorbeerbekränzte“, auf der nächsten Stufe zum M. A., zum „Meister der – freien – Künste“, im Handwerk der Geselle auf der nächsten Stufe zum Meister. Ja, sollte dann entsprechend der Junggeselle mit der bloßen Heirat zum Meister der Lebenskünste werden? Schön wär’s und stimmig auch; aber dafür kann die Sprache keine Haftung übernehmen.

Die Sau im Porzellanladen

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