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Opfer der Gentrifizierung

Er sitzt auf einem der Betonklötze, mit denen die Stadt die Admiralbrücke verschönert hat und die seit einiger Zeit von jugendlichen Rucksacktouristen­schwärmen belagert werden. Seine grauen Haare, der Schnau­zer und seine akkurate, von Rentnern bevorzugte, in Beige-Tönen gehaltene C&A-Kleidung macht ihn auf dieser Brücke der schnatternden U-18-Jährigen suspekt.

Ich denke: Wenn sich solche Leute unter das Jungvolk mischen, ist das der Anfang vom Ende für das neue KOZ, wie das Kommunikationszentrum in den Kleinstädten in einer Mischung aus Frustration und Überdruss genannt wird, hier aber als spontaner Treffpunkt schon Fernsehen und Zeitungen beschäftigt hat und die Anwohner ebenso nervt wie den türkischen Billigbierverkäufer an der Ecke frohlocken lässt, denn er macht den Umsatz seines Lebens.

Der Mann in Beige sitzt einfach nur da und raucht. Und wenn er eine Zigarette ausgetreten hat, steckt er sich eine neue an. Das hat etwas Systematisches und Verlässliches an sich. Unter seinen Füßen hat sich eine beachtliche Sammlung von platten Stummeln angehäuft. »Überall nur Latte macchia­to. Was soll der Scheiß?«, hustet er kurzatmig.

Wie sich herausstellt, ist er ein Opfer der Gentrifizierung des Viertels. Als er vor dreißig Jahren nach der Arbeit mit gesteiftem Hemdkragen und einem Blazer aus dem Haus trat, konnte er einfach eine Kneipe ansteuern, um am Tresen kurz einen zu zwitschern. Und dann noch einen, und noch einen, bevor er leicht derangiert nach Hause wankte. Und heute? »Nur noch dieses Milchkaffeezeugs. Sieben verschiedene Sorten. Und Kuchenzeugs. Wer braucht das eigentlich? Reingehen und ein Bierchen zischen ist nicht mehr. Gibt hier einfach keine anständige Kneipe mehr.«

Ein Verlierer in der neuen schönen Welt auf der Admiralbrücke, ein Relikt, das der guten alten »Sorgenpause« nachtrauert. »Aber da ist ja jetzt ein Italiener drin«, sagt er verächtlich und zieht an einem weiteren kleinen Sargnagel.

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen

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