Читать книгу Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen - Klaus Bittermann - Страница 24

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Jugendbanden

In der Umkleidekabine des Spreewaldbades treffe ich auf fünfzehn Halbstarke mit arabischem Migrationshintergrund und mit Oberwasser. Auf einem Haufen sind Pubertierende nie ein schöner Anblick, in diesem Fall ist die Sache besonders haarig, denn nach dem Prinzip »Gemeinsam sind wir unausstehlich« brüllen sie, was ihre Kehlen hergeben, was nicht wenig ist, und schlagen mit den flachen Händen rhythmisch auf die dünnen Pressspanzwischenwände der Umkleidekabinen. Kein Bademeister lässt sich blicken. Ich allein gegen eine halbnackte, randalierende Meute, die skandiert: »Tod den Juden! Tod den Juden!«

Schöne Scheiße. Ich tue so, als ob ich gar nicht da wäre, nichts höre und sehe schon gar nicht, was mir sogar gelingt, denn ich werde nicht be­läs­tigt, aber ich wünschte, mein alter Kumpel Eddy wäre hier. Ein Brocken von einem Mann. Nicht ganz so groß wie das Empire State Building, hätte er alle in eine Flasche gestopft und sie der Strömung eines reißenden Gebirgsflusses überlassen. Jedenfalls, wenn ich ihm gut zugeredet hätte.

Er hat mir mal einen vergilbten Zeitungsausschnitt gezeigt: »Jugendbande überfällt Polizeirevier. Fünf Beamte schwer verletzt im Krankenhaus.« Mit seiner riesigen Pranke deutete er darauf und meinte: »Ich habs gemacht. Solo!« Ich guckte ihn an wie ein Schwachsinniger. »Na, ist das nichts?« »Doch«, sagte ich.

Er wanderte dann nach Kanada aus, um Gras über die Sache wachsen zu lassen, wurde Holzfäller, und als er genügend Geld zusammenhatte, kam er zurück und lebt seither von seinen Ersparnissen.

Den Rest ihres Lebens hätten die Jungs lieber mit einem tollwütigen Hund in einem Wandschrank zugebracht, als noch einmal Eddy zu begegnen und an der Bodenleiste entlangzukriechen wie Fliegen, denen man die Flügel ausgerupft hat. Manchmal hilft eben nur Wunschdenken, um über die eine oder andere Demütigung hinwegzukommen, in die einen Leute wie in einen Scheißhaufen tunken, den sie im Kopf haben, wo sich sonst nichts anderes befindet.

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen

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