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Asche zu Asche

Das hat er nicht verdient, mein alter Freund Wolfgang. Ein professioneller Grabredner hält die Grabrede. Er spricht salbungsvoll esoterisch angehauchte Weisheiten über den Menschen, der in uns allen weiterlebt und dort ein neues Zuhause findet. Das hätte ich eigentlich nicht so gern. Da würden sich inzwischen ganz schön viele Leute tummeln, einige auch, die sich schon zu Lebzeiten nicht ausstehen konnten. Das gäbe ein Gekeife und Gezanke, und das in mir drin, wo ich schon selber oft genug mit mir in den Haaren liege. Und selbst die Leute, die sich gut verstehen, ich meine, was sollen die den ganzen Tag miteinander reden? Das will man ja auch nicht immer hören.

Ich denke an Doris, die einmal bei einem Begräbnis mitten in die Totenrede hineinplatzte: »Das ist doch alles gelogen!« Okay, sie war vielleicht ein wenig zugekokst, aber das muss man erstmal bringen. In Gedanken ziehe ich den Hut vor ihr. Da hätte der Grabredner aber einpacken können. Diesmal ist keine Doris da. Das Ritual nimmt seinen Lauf. »Asche zu Asche«, sagt der Grabredner und wirft Sand auf den Sarg. Kann man ihn nicht gleich hinterherwerfen?

Als ich Wolfgang kennenlernte, hatte er gerade eine kleine Yacht in Nizza geklaut und schipperte mit ihr auf dem Mittelmeer herum. Als ihm das Geld ausging, kam er nach Berlin zurück, zog bei mir ein und fuhr Taxi. Er war immer gut gekleidet dank einer Kreditkarte, die nicht ihm gehörte. Dann wurde die Yacht in einem kleinen Hafen einer kleinen Insel auf dem Atlantik anhand der Motornummer identifiziert. Ein Detektiv der Versicherung hatte sich nachts heimlich auf das Schiff geschlichen. Also immer die Motornummer wegfeilen, wenn man eine Yacht klaut. Nur mal so als Tipp.

Früh um sechs klingelte mich die Polizei aus dem Bett, um sein Zimmer zu durchsuchen. Wolfgang sprang aus dem Fenster. Zum Glück Parterre. Der Fall wurde in Bild breitgetreten, nachweisen konnte man ihm nichts.

Jahre später fragte ich ihn, ob er diese Geschichte nicht mal aufschreiben wolle für eine Anthologie mit dem Titel »Little Criminals«. Er wollte nicht. Wegen seiner Tochter. Sie wird jetzt nie erfahren, was für einen tollen Vater sie hatte. Meiner Tochter hätte ich das schon kurz nach der Geburt erzählt, und später dann auch immer wieder mal, und jedes Mal wäre die Geschichte besser geworden. Ich meine, dazu sind solche grandiosen Geschichten doch da. Oder, Wolfgang?

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen

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