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Mikroökonomie

»Pfoten weg, du alte Schachtel«, scheucht der Mann mit dem schwarzen und nach hinten gegelten Haar die »alte Schachtel« weg, die die neben ihm akkurat aufgereihten leeren Bierflaschen einsammeln will, denn das ist sein Leergut, das ist das Geld für sein nächstes Pils. »Was du wollen mit die ganze Flasche leer? Du besser arbeiten«, gibt es ihm die »alte Schachtel« zurück, während der Mann mit orientalisch gemusterten Hosen, deren Schritt irgendwie kurdisch in der Kniekehle hängt, versucht, ihr auf den Hintern zu klopfen. Aber da er im Schneidersitz auf dem Boden hockt, ist er nicht beweglich genug. »Haust du endlich ab, du Blindschleiche«, legt er nach, weil die »Blindschleiche« weiterhin so tut, als wolle sie ihm die Flaschen vor der Nase wegschnappen. Sie kabbeln sich auf freundschaftliche Weise.

Aber es gibt auch den grantigen alten Muffel, der mit einer großen Ikea-Einkaufstüte unterwegs ist und dabei ahnungslose, über die Revierkämpfe nicht informierte neue Sammler angiftet. Sechs ältere, weißhaarige Frauen zähle ich, die über die Brücke streifen, seitdem sie zum Treffpunkt junger Touris geworden ist, für die es das Größte ist, ganze Nächte damit zuzubringen, auf dem Bordstein oder am Brückengelände zu sitzen und zu trinken.

Sie haben eine Art Mikroökonomie ins Leben gerufen, oder vielleicht besser Elendsökonomie. Zu den Flaschensammlern hat sich auch eine Cocktailmixerin gesellt. Sie hat eine kleine Kühlbox dabei und ein wackliges Beistelltischchen, ist mit Minze, Zitrone und crushed ice rudimentär mit Beilagen ausgestattet, und schüttelt in Plas­tikbechern etwas zurecht, das Mojito sein soll. Ich probiere es lieber nicht. So risikofreudig bin ich auch wieder nicht.

Fünfzig Meter weiter in der Admiralstraße brennt ein Auto. Eine Art neuer Freizeitgestaltung Berliner Jugendlicher, die mit dem Herumlungern auf der Brücke nicht so richtig ausgelas­tet sind. Polizei rennt über die Brücke zum Tatort, Feuerwehr lalüt um die Kurve.

Die Frau rührt ungerührt zwei Flüssigkeiten zusammen und bewegt ganz professionell zwei ineinandergesteckte Plastikbecher rhythmisch über der Schulter. Leider setzt sich ihre Geschäftsidee nicht durch, denn die jugendlichen Herumlungerer bleiben beim Billigbier. Autos aber werden weiterhin abgefackelt.

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen

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