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Joséphine de Beauharnais
ОглавлениеImmerhin hatte der Auftritt Napoleon die Freundschaft von Barras eingebracht. Es war allerdings eine zweifelhafte Verbindung, die er einging, denn der neue Protektor war eher anrüchig als vertrauenerweckend. Barras war Napoleon als Henker der Aufständischen von Marseille und Toulon bekannt, deren politische Ziele Napoleon verabscheute, deren Bestrafung er aber für exzessiv hielt. Zudem galt der ehemalige Vicomte als gewiefter Taktiker und war überdies ein Frauenverführer, der seine Intrigen ebenso vom Schreibtisch wie vom Schlafzimmer aus betrieb. Zusammen mit Tallien, der seine Geliebte Thérèse Cabarrus überall herumzeigte, nachdem er sie vor dem Schafott gerettet hatte, gehörte Barras zu den großen Gewinnern des Neunten Thermidor. Sie inszenierten sich ganz offen als Überlebenskünstler der Revolution und stellten ihren neuen Reichtum schamlos zur Schau.
Die Beförderung zum Kommandierenden der Armee des Inneren brachte Napoleon neben dem Renommee auch eine Verbesserung seiner materiellen Lebensverhältnisse. Er residierte in einem ehemaligen Palais, verfügte über ein Jahresgehalt von 24 000 Francs und kommandierte eine Armee von 40 000 Mann. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf seinen Lebensstil, wenngleich er das Image des einfachen Soldaten, das er sich in Toulon zugelegt hatte, noch beibehielt. Als solchen hat ihn Junots Gemahlin porträtiert:
»Wenn ich mir […] Napoleon vorstelle, wie er 1795 den Vorplatz des Hotels de la Tranquillité betrat und ihn mit linkischen, unsicheren Schritten überquerte, mit seinem schäbigen runden Hut, den er tief ins Gesicht gedrückt trug, mit seinem unordentlichen Haar, das dazwischen hervorgerutscht war und auf den Kragen seines grauen Mantels fiel, […] ohne Handschuhe, die, behauptete er, eine überflüssige Ausgabe seien, mit schlecht gearbeiteten, schlecht gewichsten Stiefeln – kurzum, wenn ich mir seine ganze jämmerliche Erscheinung von damals in Erinnerung rufe und mir dann sein späteres Bild vor Augen halte, dann kann ich ihn kaum wiedererkennen.«51
Aber das erwies sich lediglich als Durchgangsstadium. Aus dem schlecht gekleideten, ärmlich wirkenden General ohne Aufgabe wurde allmählich eine Neuentdeckung in den Salons der Thermidorianer – allen voran dem der Madame Tallien – und ein Geheimtipp für reifere Damen, die in ihm offenbar das eigenwillige Flair des ehrgeizigen, aber noch ungeschliffenen jungen Mannes witterten. Eine von diesen war Joséphine de Beauharnais ( Abb. 5). Die 32-jährige Witwe zeichnete eine exotische Anmut aus – sie war die Tochter französischer Siedler auf Martinique –, deren Aura durch den tragischen Verlust ihres Gatten noch verstärkt wurde. Dieser, ein General ohne Fortüne, war der letzten großen Terrorwelle zum Opfer gefallen. Wie Thérèse Cabarrus, die sie im Gefängnis kennengelernt hatte, war auch sie Barras’ Geliebte geworden. Allerdings war sie von diesem gleichsam abgelegt worden, als sie – Mutter der damals 12-jährigen Hortense und des 14-jährigen Eugène – anfing sich Hoffnungen auf eine Ehe zu machen. Der Vicomte suchte sein schlechtes Gewissen dadurch zu beschwichtigen, dass er ihr einen Nachfolger vermittelte, der zugleich zum Versorger taugte. Darum verfiel er erneut auf seinen jungen Protégé. So jedenfalls will es eine Überlieferung wissen, die Intentionalität unterstellt, wo in Wahrheit Kontingenz regierte und das Ergebnis Schicksal nennt. Der Ursprung der Beziehung zwischen Napoleon und Joséphine geht jedenfalls auf einen Zufall zurück, bei dem Eugène den Postillon d’amour spielte.52 Der Rest bleibt der Fantasie überlassen. Man darf aber vermuten, dass der Reiz, der von der ebenso liebenswerten wie rätselhaften Frau ausging, einen erlebnishungrigen jungen Mann nicht unberührt ließ. Marmont und andere Zeitzeugen vermuteten daher wohl zu Recht, dass Napoleon ausnahmsweise nicht aus Ehrgeiz oder Ruhmsucht, sondern aus einem mächtigen emotionalen Impuls heraus handelte. Und Joséphine, die bei aller Verliebtheit kühl kalkulierend nach einer sicheren Bindung Ausschau hielt, wollte die Chance nicht verstreichen lassen und stimmte angesichts der bevorstehenden Abreise Napoleons einer »Blitzheirat« zu.
Abb. 5: Porträt der Kaiserin Joséphine de Beauharnais, 1763–1814 (Firmin Massot um 1812)