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Komplexe Mimikrysysteme
ОглавлениеDie am auffälligsten mit leuchtenden Farben und Farbmustern gefärbten Schmetterlinge sind oft träge und wenig scheu. Man kann sich ihnen auf kurze Distanz nähern. Die Widderchen (Zygaenidae) sind ein Beispiel für diesen Zusammenhang: Viele Arten wie Zygaena filipendulae, Z. punctum und Z. lonicerae haben schwarz gefärbte Flügel mit leuchtend roten Punkten. Sie sitzen gern auf Skabiosenblüten und bleiben ruhig sitzen, wenn man näher kommt. Ihre blausäurehaltigen Giftstoffe schützen sie wirksam vor Prädatoren. Den drei zusammen in demselben Gebiet vorkommenden allesamt giftigen Widderchen ähneln ungiftige Arten wie das Blutströpfchen (Cercopis sanguinolenta), eine Schaumzikade (Cercopidae) und der Immenkäfer Trichodes apiarius (Cleridae).
▲ 18 Farbmuster und stammesgeschichtliche Verwandtschaft von Melinaea-Arten, Heliconius numata, H. melpomene und H. erato. Jeweils von links 1. Reihe: M. menophilus ssp. nov., M. ludovica ludovica, M. marsaeus rileyi, M. marsaeus mothone, and M. marsaeus phasiana. 2. Reihe H. numata tarapotensis, H. n. silvana, H. n. aurora, H. n. bicoloratus, H. n. arcuella. 3. Reihe H. melpomene rosina, H. m. cythera, H. m. aglaope, H. m. melpomene, and H. m. plesseni. 4. Reihe H. erato cf. petiveranus, H. e. cyrbia, H. e. emma, H. e. hydara, H. e. notabilis. (Aus Joron et al. 2006 in PlosBiology)
Schutzmimikrysysteme können einen beträchtlichen Grad an Komplexität aufweisen. Die Passionsblumenfalter (Heliconiinae) haben in ungewöhnlicher Weise aus der Giftigkeit ihrer Raupenfutterpflanzen Kapital geschlagen. Schwarze, rote, gelbe und weiße Farbkombinationen warnen jeden potentiellen Fressfeind der giftigen Falter. Ein ganz bestimmtes Muster von Warnfarben auf den Flügeln ist das ausschlaggebende Signal. Giftige Schmetterlinge anderer Unterfamilien der Fleckenfalter (Nymphalidae) schließen sich an und warnen mit identischem Farbmuster. Aber auch schmackhafte Weißlinge (Pierideae) ahmen das Farbmuster nach. Sie segeln unter falscher Flagge, die sie vor dem Gefressenwerden schützt.
Regional können die wirksamen Muster der Warnfarben deutlich verschieden sein. Das ist jedoch kein Problem für die Arten Heliconius melpomene und H. erato, die beide in ca. 30 verschiedenen Farbmorphen vorkommen, und zwar parallel, so dass gleich aussehende Falter beider Arten in vielen Gebieten gemeinsam vorkommen (Sheppard et al. 1985). Es handelt sich hier um ein komplexes System von Signalnormierung (in der älteren Literatur als Müller’sches Mimikrysystem bezeichnet). Da beide Arten ehrlich ihre Giftigkeit mit Warnfarben signalisieren, liegt keine Signalfälschung vor.