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b) Auffangfunktion des Aufklärungsfehlers

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Gerade wenn man die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren mit in die Betrachtung einbezieht und die amtsrichterliche Spruchpraxis in Gestalt rechtskräftiger Strafbefehle durchforstet, tritt der Aufklärungsfehler weitaus häufiger in Erscheinung, und zwar meist als Annex oder nachgeschobener zusätzlicher Vorwurf. Insofern kann man auch in Strafverfahren immer wieder die Feststellung machen, die derjenigen in Arzthaftungsprozessen vor den Zivilgerichten gleicht: Das Schwergewicht der Anzeige oder der von Amts wegen aufgenommenen Ermittlungen liegt zunächst auf einem ärztlichen Behandlungsfehler, dessen Nachweis jedoch im konkreten Fall schwierig ist oder – meist nach Einholung eines Gutachtens – scheitert. In einer Vielzahl von Fällen weichen Anzeigeerstatter und Staatsanwalt dann auf den Vorwurf unzureichender oder fehlender Aufklärung aus,[8] der somit auch hier eine Auffangfunktion übernimmt.[9] Insofern vermag ich weder Ulrich zuzustimmen, wenn er unter Hinweis auf den im Strafprozess geltenden Grundsatz in dubio pro reo meint, „die Chance einer Strafanzeige“ erhöhe sich „nicht deshalb, wenn allein oder zusätzlich“ ein Aufklärungsmangel gerügt wird,[10] noch überzeugt die These von Lilie/Orben[11], die Bedeutung des Aufklärungsfehlers sei im Strafverfahren durch die Beweiskraft der Aufklärungsformulare „limitiert“. Richtig ist zwar, dass die Beweislast für die Risikoaufklärung im Strafverfahren nicht – wie im Zivilprozess – beim beschuldigten/angeklagten Arzt liegt, die „marktgängigen“ Merkblätter zur Dokumentation der Aufklärung bei richtigem Gebrauch beweiskräftig sind und es im Strafprozess auch keinen Anscheinsbeweis gibt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verstoß gegen die ärztliche Aufklärungspflicht angesichts der bestehenden Unklarheit über ihren Umfang, der – verfehlten – Übernahme der zum Teil überstrengen Grundsätze der zivilrechtlichen Judikatur durch die Strafgerichte (gegen diese Rn. 337 ff.),[12] der vielfach ungenügenden Aufklärungsdokumentation und – deshalb vor allem – infolge der Stellung des Verletzten als „Kronzeuge“ der Staatsanwaltschaft viel leichter beweisbar ist.[13]

Arztstrafrecht in der Praxis

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