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4. Kinder[30] (§ 828 BGB)

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Kinder bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres haften nicht für durch sie verursachte Schäden, weil sie gemäß § 828 Abs. 1 BGB nicht deliktsfähig sind. Mangels Zurechnungsfähigkeit trifft diese Personen auch kein Mitverschulden nach §§ 254 BGB, 9 StVG. Weil auch ältere Kinder im Straßenverkehr aufgrund ihrer Entwicklung überfordert sind, hat der Gesetzgeber in § 828 Abs. 2 BGB Kinder vom vollendeten siebenten Lebensjahr bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres den deliktsunfähigen Personen gleichgesetzt, sofern es sich um Unfälle mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn handelt (s.o. Rn. 42 ff.). Dies bedeutet, dass Kinder bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres für jede Form von Fahrlässigkeit im Straßenverkehr nicht haften und sie hinsichtlich eigener Ansprüche auch kein Mitverschulden trifft. Haftet weder der Halter noch eine andere (versicherte) Person, bleibt das Kind ungeschützt. Zur regelmäßig nicht gegebenen Haftung des Halters eines ordnungsgemäß geparkten Kfz bei fehlender Überforderungssituation des Kindes, vgl. Rn. 42 ff.

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In Ausnahmefällen kann zugunsten des durch ein Kind Geschädigten die Billigkeitshaftung des § 829 BGB eingreifen. Auch kann die Haftung des Aufsichtspflichtigen aus § 832 BGB gegeben sein. Die Haftungsprivilegierung des § 828 Abs. 2 BGB darf jedoch nicht durch eine Verschärfung der Aufsichtspflicht unterlaufen werden.[31]

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Hat ein Fahrer einen Unfall mit einem Kind bis zum vollendeten 10. Lebensjahr „mitverschuldet“, so haftet er für den materiellen und immateriellen Schaden voll; trifft ihn kein Verschulden, kann er jedoch nicht den Nachweis höherer Gewalt führen, so haftet er im Rahmen des § 12 StVG. Auch wenn ein Kind den Unfall überwiegend verursacht hat, sind seine Ansprüche nicht aus „Billigkeitsgründen“ zu kürzen.[32] Der Halter wird sich gegenüber Kindern bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres praktisch nie entlasten können, d.h. er haftet im Rahmen des § 12 StVG auch für Schmerzensgeldansprüche des Kindes. Zur existenzgefährdenden Haftung Minderjähriger s. BVerfG NZV 1999, 39.

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Kinder nach Vollendung des 10. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres haften gemäß § 828 Abs. 3 BGB. Danach ist entscheidend, ob ein Kind der genannten Altersgruppe bei Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Ist dies nicht der Fall, haftet der beschränkt Deliktsfähige nicht. Zurechnungsfähigkeit ist gegeben, solange das Kind nicht die gesetzliche Vermutung widerlegt, dass es die Fähigkeit besitzt, seine Verantwortung als Folge der Gefährlichkeit seines Tuns oder Unterlassens zu erkennen.[33] Eine Haftung des Kindes setzt auch Verschulden voraus. Ein solches liegt nur vor, wenn der Geschädigte beweist, dass das Kind die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt hat. Hierbei ist darauf abzustellen, ob das Kind nach dem allgemeinen Stand der Entwicklung seiner Altersgruppe die zur Bejahung seiner Fahrlässigkeit erforderliche Reife hatte.[34] Hierbei sind sämtliche Umstände zu berücksichtigen, wie z.B. Spieltrieb, Impulsivität und Affektionen.[35]

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Wird das Kind verletzt, ist zur Prüfung seines Mitverschuldens entsprechend zu verfahren.

Auch wenn ein Kind erst wenige Tage das 10. Lebensjahr vollendet hat, kann eine Alleinhaftung des Minderjährigen gegeben sein, wenn ein objektiv und altersspezifisch subjektiv besonders schweres Verschulden vorliegt.[36]

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Wird ein Fahrer aufgrund Fehlverhalten eines Kindes zum Ausweichen gezwungen und hierbei verletzt oder sein Fahrzeug beschädigt, so stehen ihm Ansprüche nach §§ 677 ff. BGB nur dann zu, wenn er den Beweis höherer Gewalt[37] (s. Rn. 34 ff.) erbringt. Den Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen hinsichtlich der Geschäftsführung ohne Auftrag hat der BGH hälftig gekürzt.[38]

Zu den Sorgfaltspflichten des Fahrers gegenüber Kindern s. Rn. 279 ff.

1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führersII. Verschuldenshaftung › 5. Billigkeitshaftung nach § 829 BGB

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