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4. Bedeutungsspielraum und Polyvalenz
ОглавлениеMetaphern sind grundsätzlich bedeutungsoffen und polyvalent. Das bedeutet, sie können ihre Bedeutung je nach Kontext und Hörer- bzw. Leserschaft wechseln.
Beispiel: Die biblische Metapher ‚Weinberg‘ verweist nicht immer auf das Volk Israel (so expressis verbis im Weinberglied Jes 5,1-7). ‚Weinberg‘ meint in Mt 20,1-16 eher die Welt insgesamt, in Mk 12,1-12 ein besonderes Erwählungsprivileg. Selbst in ein und demselben Text kann ‚Weinberg‘ Unterschiedliches bedeuten; in Mt 20,1-16 lässt sich in ihm, je nach Deutungsrahmen, die Welt, die Gemeinde oder Israel als Missionsgebiet früher Christen sehen. – Ein weiteres Beispiel findet sich unter → 3.3.1.
Für wen der Hausherr, König oder Sämann in neutestamentlichen Gleichnissen steht, ist längst nicht eindeutig.1 Die vom Autor intendierte Bedeutung der Metapher ergibt sich in der Regel durch den Ko- oder Kontext. Hinzu kommen der Verstehens- und Erwartungshorizont der Hörer- bzw. Leserschaft. Mit veränderten Verstehensbedingungen und Leserschaften ändert sich oft die Bedeutung. Metaphern haben im Unterschied zu Vergleichen einen bleibenden Sinnüberschuss, der sie für die Rezeption reizvoll (aber auch schwierig) macht (→ 3.3).