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1.5.8 Extravaganz
ОглавлениеExtravaganzen sind Erzählzüge, welche die Realistik des Erzählten und damit den Erwartungshorizont der Rezipienten durchbrechen. Welche Erzählzüge für die ursprünglichen Rezipienten extravagant erschienen, ist durch Klärung der so genannten Realien und des sozialgeschichtlichen Hintergrunds zu recherchieren.1 Als Transfersignale weisen Extravaganzen darauf hin, dass das Erzählte nicht wörtlich zu verstehen ist. Sie sind Hinweisschilder auf die Punkte, wo der Vergleich ‚hinkt‘; so gleicht Gott eben doch nicht zu hundert Prozent einem irdischen König, sondern unterscheidet sich in markanten Punkten von ihm.
Damit ist eine Eigenart der Gleichnisse angedeutet, die sie für die Rede von Gott geradezu prädestiniert: Sie bringen Gott nicht nur nah, indem sie ihn mit irdischen Rollenträgern vergleichbar erscheinen lassen, sondern bringen zugleich das bleibende Anderssein Gottes zum Ausdruck. Das legitimiert vergleichende Rede von Gott, trotz des alttestamentlichen Bilderverbots.
Definition: Extravagant sind Erzählzüge, die den Rahmen des realistisch Erwartbaren sprengen, für Aha-Effekte sorgen, den vergleichenden Charakter des Textes markieren und auf Differenzen zwischen Erzähl- und Deutungsebene hinweisen.