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g) Chiffre
ОглавлениеDas Wort Chiffre leitet sich vom arabischen Begriff sifr (leer; Zahlzeichen ohne absoluten Wert‘) ab.1 In der Lyrik ist die Chiffre ein „demonstrativ rätselhafte[s] Sprach- und Stilmittel eines weitgehend esoterischen, meist lyrischen Code-Gebrauchs“.2 Durch Verdichtung und Verkürzung „mit Hilfe mehrdeutiger, unvollständiger sowie unzusammenhängend erscheinender Worte und Sätze“3 erscheint die Chiffre rätselhaft. Ohne Deutungsschlüssel bleibt die Chiffre unverständlich. Vergleichend ist die Chiffre, weil sie auf „ungegenständliche, sprachlich nicht faßbare Sujets, auf komplexe Sprach- und Lebenserfahrungen“ verweist.4 Im Gegensatz zur Metapher verschweigt die Chiffre den Bildempfänger.
Biblische Chiffren finden sich in apokalyptischen Texten. In ihnen werden bekannte historische Größen (Personen, Institutionen, Entwicklungen) codiert gedeutet. Wer der Bildempfänger ist, weiß lediglich der eingeweihte Adressatenkreis. Semantisch können Chiffren aus lexikalisierten Metaphern hervorgehen. Andere Chiffren sind metaphorisch nicht vorgeprägt. Sie resultieren aus gematrischen Zahlenspielen oder aus apokalyptischen Periodisierungsschemata.
Gleichnisse arbeiten aufgrund ihrer missionarischen Grundtendenz nicht mit Chiffren. Außersprachliche Chiffren heißen Symbole (s.u.).
Beispiele: Lexikalisiert: ‚Das Tier‘ als Chiffre für Satan, Apk 13 u. a.; ‚das Lamm‘ als christologische Chiffre, Apk 5,12; 19,9 u. a. – Nicht vorgeprägt: ‚Hure Babylon‘ als Chiffre für Rom, Apk 14,8; 17,5. – Zahlenspiele: ‚666‘ als Chriffre für Kaiser Nero, Apk 13,18. – Periodisisierung: ‚3½ Zeiten‘ als Chiffre für die letzte satanische Bedrängnisperiode, Dan 7,15; Apk 11 u. a.
Definition: Die Chiffre ist eine abgekürzte Metapher, die ihren Bildempfänger verschweigt und dadurch einen subversiv-hermetischen Charakter erhält. Nur Kenner des Codes (Eingeweihte, Insider) können das Gemeinte dechiffrieren.