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Unterwegs mit der Gotthardbahn um 1900 Die Kirche von Wassen und die Inszenierung von Landschaft

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Daniel Speich Chassé

Dieser Beitrag handelt von der Reise mit der Eisenbahn über die Gotthardstrecke von der Zentralschweiz ins Tessin. Und es geht auch um eine Reise in die Vergangenheit. Ich möchte anhand der Gotthard-Strecke das Reiseerlebnis rekonstruieren, das sich vor etwa 130 Jahren auf der Fahrt durch eine imposante Landschaft eingestellt haben könnte. Dazu dient die Lektüre von drei Reiseführern. Die Technik – vor allem die Dampfmaschine – war im 19. Jahrhundert ein wichtiger Motor der Innovation. Sie hat die Produktion von Gütern in Fabriken ermöglicht, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital radikal verändert und die Bewegung im Raum revolutioniert. Das kam den Menschen damals neu vor, und sie protokollierten den Wandel in einer Fülle von Zeugnissen.

Nachdem im Jahr 1882 die Gotthardbahn eröffnet worden war, publizierten findige Unternehmer rasch viele Beschreibungen der neuen Strecke, die als ein Hilfsmittel für die Fahrgäste im Zug gedacht waren. Bereits im ersten Betriebsjahr 1883 benutzten über eine Million Reisende die neue Strecke, was alle Prognosen übertraf.1 Die Reiseführer dienten dazu, in der anbrechenden industriellen Moderne Sicherheit und Orientierung zu stiften. Dabei hat sich an der Nordrampe der Gotthardbahn etwas Seltsames ereignet: Ein katholischer Kirchenbau, der 1734 im Stil des Barocks fertiggestellt worden war, wurde zu einer Ikone der technischen Moderne.2 Die Kirche von Wassen ist eher zufällig zum Ankerpunkt der Reiseerlebnisse geworden. Auch ein Wasserfall oder eine spektakuläre Brücke hätten ihre Position einnehmen können. Die Kirche steht für die Verarbeitung des damaligen Schocks, der durch die moderne Technik ausgelöst worden war. Und die Kirche ist ein Fokus, in dem der Wandel der Landschaftswahrnehmung deutlich wird.

Gotthardfantasien

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