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Warum Gotthardfantasien? Eine Einführung

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Boris Previšić

2015 wurde die Geschwindigkeit der Versuchszüge im Gotthard-Basistunnel Stufe um Stufe erhöht. Die konstante Beschleunigung im Tunnelinnern konkretisiert den abstrakteren Vorgang der Modernisierung, der Automatisierung, der Vernetzung, des unbeschränkten Waren- und Personenverkehrs in einem Ausmass, wie es die Menschheit von Beginn der Industrialisierung bis in unsere Tage noch nie gekannt hat. Der Gotthard-Basistunnel ist zugleich Motor wie Symptom unserer Zeit. Er bricht mit seinen 153,3 Kilometern ausgebrochenen Tunnels unzählige Rekorde.1 Der Alpenbogen, das grösste geologische, topografische und meteorologische Hindernis, das Wasserschloss, aber auch die Kulturgrenze zwischen Norden und Süden Europas, wird erstmals ohne Höhenüberwindung technisch untergangen. Dennoch stehen wir vor einem Dilemma: Es hat sich noch nicht eine «Geschichte im Sinn eines etablierten Narrativs und eines in unseren Köpfen lebenden Geschichtsbildes» entwickelt.2 Wie kann das Abstrakte, vielleicht auch das unheimlich Unfassbare dieses Riesenbauwerks, dessen Ausbruchmaterial einen Güterzug von der Strecke von Luzern nach New York füllt, überhaupt erzählt werden? Gerade heute sind wir dazu angehalten, Sinnangebote zu konstruieren und anzubieten. Die Erzählung muss für ihre Sinnhaftigkeit perspektiviert werden – im Unterschied zum Mythos, der wie schon der Sirenengesang dem Odysseus uns vielleicht am verlockendsten erscheint.

Gotthardfantasien

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