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Klackend landete die Tür des kleinen Hauses in der Neuenburger Straße im Schloss. Leise zog Erik seine Schuhe aus und hängte seine Jacke an den Haken über dem Schuhregal. Seine Jeans – Größe 32 / 34 – war hinten vom Hosenbund abwärts mit getrockneter Erde verschmutzt. Sie war schmutzig geworden als Mark, dieser kleine Hurensohn, ihn in den Dreck geschubst hatte. Dafür hatte er ihm zwar eine verdiente Abreibung verpasst, aber an seiner mit Erde verunreinigten Hose änderte das, außer, dass Mark sie zudem mit ein paar Blutflecken an den Oberschenkeln versehen hatte, verhältnismäßig wenig. Eilig, aber immer noch mit möglichst geringer Lautstärke verschwand er im Badezimmer und warf seine Hose in den Wäscheeimer, wo er sie unter ein paar T-Shirts vergrub, damit sie seinem Vater nicht sofort ins Auge fallen würde.

Eigentlich hatte er überhaupt keinen Grund, einen Blick in den Eimer zu werfen, wo das Waschen doch Aufgabe der Frauen und nicht des Hausherren sei. Wofür hatte man das Weibsbild schließlich im Haus, wenn es sich nicht um das Waschen, das Kochen und das Putzen kümmerte? Um sich belehren zu lassen? Harald brachte der Gedanke jedes Mal aufs Neue zum Lachen, wenn jemand von gebildeten oder intellektuellen Frauen sprach. Weiber waren nicht dafür da, schlaue Sprüche zu bringen von Sachen, die sie entweder nichts angingen oder nicht verstanden. Sie gehörten hinter den Herd, in die Besenkammer und in jeden anderen Raum, höchstens mit einem Putzlappen oder dem Staubsauger in der Hand. Und selbstverständlich gehörten sie darüber hinaus noch in das Bett des Ehemannes, um ihm jedes Mal, wenn ihm danach war, einen guten Fick zu geben.

Derjenige, der auf die Idee gekommen war, den Frauen damals ein Mitspracherecht an den Entscheidungen in der Welt zu geben, musste ohne jeden Zweifel eine verdammte Schwuchtel gewesen sein, die ihr Bier abends in der Kneipe mit einem feuchten Kuss auf den Zauberstab des Wirtes bezahlte, anstatt in barer Münze. Harald mochte Schwuchteln nicht, aber noch viel weniger mochte er es, wenn sein Sohn mit schmutziger Hose und dreckigem Gesicht nach Hause kam. Denn wenn er mit Dreck an den Klamotten zuhause auftauchte, bedeutete das für seinen Vater, dass er sich geprügelt und zudem auch noch verloren hatte. Harald konnte es natürlich nicht auf sich sitzen lassen, dass sein Sohn die Stärke des männlichen Geschlechts seiner Familie ins Lächerliche zog, also musste er ihm bisweilen immer wieder aufs Neue seine Lektionen erteilen, dass er bloß nicht vergaß, dass eine Niederlage nichts war, womit er sich zufriedengab. Seine Lektionen, die er mit dem Gürtel oder einer alten Reitgerte erteilte, dauerten in den häufigsten Fällen ein paar Minuten und hinterließen meist farbenfrohe Blutergüsse auf dem Körper seines vierzehnjährigen Sohnes. Schwäche war etwas, das Harald mindestens genauso verabscheute wie Frauen, die in dem Irrglauben lebten, sie seien relevant und gleichberechtigt. Auch Jesus hat sich die Füße von euch küssen und den Schwanz blasen lassen und ist trotzdem als Heiliger Geist in den Himmel aufgestiegen oder so ähnlich.

Mittlerweile hatte Erik sich eine Jogginghose angezogen und sich mit seinem Ranzen in der Hand nach oben in sein Zimmer begeben, um für den Rest des Tages die Tasten auf dem Controller seiner Playstation zu bearbeiten. Nachdem er zwei Stunden damit verbracht hatte, in der simulierten Version des Zweiten Weltkriegs Zielpunkte einzunehmen, brüllte sein Vater von unten energisch.

„Erik!“, rief er wütend und kam donnernd die Treppen hoch. Erschrocken ließ er den Controller aus der Hand fallen und drehte sich wie vom Hafer gestochen herum. Noch bevor er überhaupt wusste, auf was er sich einstellen musste, flog die Tür auf und sein Vater stand mit streitlustigem Blick im Türrahmen.

„Das ist doch wohl hoffentlich nicht deine Hose, oder etwa doch?“, fragte er und präsentierte ihm das verdreckte Kleidungsstück, das er in der Hand hielt.

„Antworte mir!“, befahl er seinem kreidebleichen Jungen, der mit einem Male alle Lust auf sein Videospiel verloren hatte.

„Ja ...“, antwortete er kleinlaut.

„Sprich gefälligst lauter!“

„Ja.“

„Was ist passiert? Wer war das?“, fragte Harald mit messerscharfem Unterton. Eine schmierige Haarsträhne hing ihm vor der Stirn und wippte im Takt seiner Worte auf und ab.

„Ich wurde geschubst“, gab Erik schüchtern zu. Er war froh, dass niemand aus der Schule ihn so sah. Dann wäre es mit seinem Ruf als starker Junge, vor dem man sich fürchten müsste, vorbei gewesen. Man würde mit Fingern auf ihn zeigen und ihn als Weichei und Pussy verhöhnen, wenn er die Flure entlangging. Zum Glück würde es nie jemand erfahren, dass er in Wahrheit genauso ein Opfer seines Vaters war, wie Mark und Jonas die seinen waren.

„Von wem?“

Erik traute sich nicht zu antworten. Er wusste, dass sein Vater Mark und dessen Familie kannte, und er wusste auch, dass er ihn für einen vollkommenen Versager halten würde, wenn er ihm beichten würde, dass er es war, der ihn geschubst hatte.

„Von wem hab ich gefragt!“, brüllte er seinen Jungen an und schlug mit der schmutzigen Jeanshose nach ihm. Ein Knopf traf ihn am Auge, welches sich sofort mit Tränen füllte, die ihm wenige Sekunden später über die Wangen liefen und ihm noch weitere Schläge einbringen würden.

„Mark Buscher, aber Papa ...“ Ein zweites Mal holte Harald mit der Hose aus und verpasste ihm einen Schlag.

„Von diesem kleinen Scheißer hast du dich in den Dreck werfen lassen?“ Nochmal schleuderte er ihm die Jeans ins Gesicht, wobei sich winzige Brocken Erde von ihr lösten und durch das Zimmer flogen.

„Papa nein ...“

„Und geblutet hast du auch noch, wie ein kleines Mädchen!“, fuhr er in seinem Wutrausch fort und hielt ihm die Blutflecken so dicht vor das Gesicht, dass er einige der winzigen Fasern beinahe einatmen konnte. Doch noch ehe Erik irgendetwas zu seiner Verteidigung sagen oder anbringen konnte, landete ein weiteres Mal ein Knopf der Jeans in seinem Auge, welches inzwischen gerötet war.

„Du bist eine Schande für mich! Jawohl eine Schande!“, brüllte sein Vater so laut, dass die Nachbarn vier Häuser weiter vermutlich noch jedes einzelne Wort ohne Mühe verstehen konnten.

„Ich hätte meine Samen besser spenden sollen, als sie in deine Mutter zu spritzen! Dann würde man meinen guten Namen nicht mit so einem erbärmlichen Haufen Mist wie dir in Verbindung bringen können! Du bist eine Schande, hast du das verstanden? Eine Schande!“, brüllte er weiter, sodass sein Kopf knallrot wurde und die Adern an seinem Hals heraustraten. Drei Schläge und eine Menge Tränen von Erik später, wurde sein Kopf langsam wieder schweinchenrosa, anstatt purpurrot und er wischte sich kopfschüttelnd den Schweiß von der Stirn.

„Du bist nicht mein Sohn. So sehr kann Gott mich nicht bestrafen“, sagte er mit ruhigerer, aber nicht leiser Stimme, dann verließ er das Zimmer und ließ seinen flennenden Jungen alleine zurück.

Die Grenze

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