Читать книгу Mama im Unruhestand - Lucinde Hutzenlaub - Страница 12

»Würdest du sagen, dass dich der Krieg geprägt hat?«

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»Natürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Menschen gibt, den Krieg nicht prägen würde. Manche Dinge sind kostbarer als andere – das habe ich schon als Kind begriffen. Leben. Schöne Erlebnisse. Zeit mit Menschen zu verbringen. Man weiß nie, wie oft man noch die Gelegenheit dazu hat. Und ich habe gelernt, auch in kritischen Situationen immer pragmatisch und einigermaßen gelassen zu bleiben.«

»Das hat dir sicher auch in deiner Ehe geholfen, oder? Mit einem Mann wie meinem Vater verheiratet gewesen zu sein, konnte ja manchmal ganz schon abenteuerlich werden, nicht wahr? Zum Beispiel damals in Südamerika, als ihr beide mit dem alten Jeep mitten in diesem ziemlich reißenden Fluss steckengeblieben seid, ohne eine Menschenseele weit und breit, und du dann losgezogen bist und Hilfe geholt hast?«

»Ganz genau. Mir wird immer noch ganz flau, wenn ich nur daran denke, was alles hätte passieren können. Da, in diesem Moment habe ich allerdings nicht wirklich viel darüber nachgedacht, was zu tun ist. Ich bin einfach los. Na ja. Hätte auch anders ausgehen können. Und es ist mir immer noch schleierhaft, wie wir da rausgekommen sind. Und dann hat dein Vater auch noch kurz darauf die Höhenkrankheit bekommen. Ich habe wirklich gedacht, er stirbt. Das war schlimm. Manchmal hatten wir wirklich mehr Glück als Verstand. Aber darum geht es doch auch manchmal im Leben, oder? Glück.«

»Hauptsache, es ging gut aus, oder?«

»Da hast du recht. Aber vielleicht haben der Krieg und überhaupt mein ganzes Leben auch dazu geführt, dass ich großes Vertrauen habe.«

»Vertrauen? Darauf, dass alles gut wird?«

»Na ja, ganz so einfach ist das Leben ja auch nicht. Nein, es wird nicht immer alles gut. Wie soll das auch gehen? Aber ein Spruch hat mich immer begleitet und auch bestärkt, wenn etwas eben nicht gut war. Er hat mich schon oft getröstet. ›Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand.‹ Daran glaube ich, und diese Geborgenheit fühle ich auch, wenn ich mir das so vorstelle. Schön, nicht?«

»Das ist wirklich ein sehr schöner Gedanke.«

»Darum geht es doch: Die Verantwortung für sein eigenes Tun übernehmen und darauf vertrauen, dass alles einen Sinn hat. Das ist vielleicht sogar wichtiger, als dass alles gut ausgeht. Dieses Vertrauen macht mutig. Und reiselustig. Ach ja, weil du gefragt hast, worauf ich stolz bin: Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mit 18 mit dem Schiff in die USA gefahren bin, ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Ich wollte einfach weg und die Welt erkunden. Ohne Telefon und Fax. Ohne Mails oder Whatsapp. Das kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen. Aber ich habe es ganz allein geschafft. Klar hat mich mein Onkel erst einmal aufgenommen, aber ich habe mir dort sofort einen Job im Krankenhaus besorgt. Das hat wirklich riesig Spaß gemacht. Und obwohl mich das schon ein bisschen Überwindung gekostet hat, habe ich einen Verein gesucht und auch gefunden, in dem ich trainieren konnte.«

»Das wusste ich gar nicht.« HA! Genau solche Dinge wollte ich herausfinden.

»Ich hab es dir ja auch noch nie erzählt. Aber das macht mir jetzt doch auch ein bisschen Spaß, muss ich sagen. Und noch etwas weißt du nicht: Ich habe in diesem Verein mit Wyoma Tyus trainiert. Die hat später drei Medaillen bei Olympia gewonnen, und wir sind uns in Tokio wiederbegegnet und haben dort Trikots getauscht. Aber als wir gerade angefangen hatten, gab es auch in den USA Wettkämpfe und ich durfte auch mitmachen, weil ich ja für meinen Verein gestartet bin. Und stell dir vor: Ich war sogar mal amerikanische Meisterin. Unglaublich!«

Scheint, als hätte meine Mutter doch noch Spaß an unserem Gespräch gefunden. Und das ist gut, denn ich fange ja quasi gerade erst an.

Mama im Unruhestand

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