Читать книгу Mama im Unruhestand - Lucinde Hutzenlaub - Страница 14

»Was bereust du denn sonst noch?«

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»Ich habe als Jugendliche mal meinen Vater angelogen. Einmal nur, wegen irgendeiner Party. Ich hab gesagt, ich würde mit einer Freundin Mathe lernen. Kein Wunder, dass er mir das nicht geglaubt hat. Er hat mich auflaufen lassen. Als ich nach Hause kam, hat er mich gefragt, wie es bei meiner Freundin gewesen war. Und ich habe weitergelogen. Ich wusste nicht, wie ich da wieder rauskommen soll und habe mich gleichzeitig schrecklich gefühlt. Jemanden anzulügen ist schon furchtbar genug, aber wenn derjenige jemand ist, der an dich glaubt und dem du selbst absolut vertraust, und du begreifst, dass du etwas so Kostbares vielleicht zerstört hast – wegen einer Party, an die ich mich noch nicht einmal mehr erinnern kann -, das ist einfach das Schlimmste. Immerhin ist Vertrauen eines der höchsten Güter, die man hat, finde ich. Das bereue ich wirklich und dass ich mich immer noch nach all den Jahren an diesen Moment erinnern kann, zeigt einfach auch, wie viel es mir ausgemacht hat.

Aber vielleicht habe ich dadurch etwas Wesentliches über Werte begriffen. Siehst du? Schon wieder sind wir beim Sinn.«

»Wenn man es so sieht, war es vielleicht sogar wichtig, oder?«

»Ja, das kann natürlich sein. Und wenn wir schon dabei sind: Ich wäre gern weiter in die Schule gegangen. Hätte sehr gern das Abitur gemacht. Aber wir waren zu viert, meine beiden Schwestern und mein Bruder, und Abitur war eben für uns Mädchen nicht vorgesehen. Ich habe meinen Vater ewig bearbeitet, und schließlich hat er mir erlaubt, auf ein kaufmännisches Gymnasium zu gehen. Aber diese ganzen Zahlen und Formeln waren einfach nichts für mich. Nach einem Jahr ging es einfach nicht mehr. Dabei wäre ich wirklich gern Forscherin geworden. Am liebsten Biologin. Ich hatte als Kind die tollste Gräsersammlung, die man sich nur vorstellen kann. Da habe ich jahrelang dran gearbeitet und bin viele Kilometer dafür gelaufen. Manchmal denke ich darüber nach, wie es gewesen wäre, wenn ich das wirklich durchgezogen hätte. Aber dann wären andere Dinge nicht passiert, die mich auch sehr glücklich gemacht haben. Ich hätte vielleicht deinen Vater nie kennengelernt und dich hätte ich womöglich auch nicht.«

»Das würdest du aber wirklich bereuen, oder?«

»Absolut. Aber ach, es gibt einfach immer so viele Möglichkeiten, sich zu entscheiden. Das macht mich manchmal ganz irre.«

»Entscheidungen sind nicht so wirklich deine Stärke, oder?«

Meine Mutter wirft ein Handtuch nach mir.

»Was willst du damit sagen?«

»Ich? Gar nichts.« Ich probe einen unschuldigen Augenaufschlag, der mir gründlich misslingt. Meine Mutter lacht.

»Und vielleicht hätte ich auch im Ausland bleiben sollen. Neuseeland hat mir echt gut gefallen.«

»Aber als du dort warst, warst du ja schon siebzig?«

»Na und? Es ist doch nie zu spät für ein Abenteuer, wenn es ein gutes ist, oder?«

Mama im Unruhestand

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