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2.3.4 Die romanischen Sprachen

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Das folgende Kapitel stellt zuerst kurz das romanische System der Verbalkategorien von Coseriu (1976) vor. Im Anschluss werden diesbezüglich die für die vorliegende Arbeit relevanten romanischen Sprachen, das Französische und das Spanische, näher beschrieben und es wird darauf eingegangen, wie die Opposition perfektiv/imperfektiv ausgedrückt wird.

Die romanischen Sprachen weisen im Hinblick auf den perfektiven Part der aspektuellen Opposition eine relativ hohe innerromanische Variation auf. In den konservativeren Sprachen (z. B. Spanisch oder Katalanisch) existiert weiterhin ein perfektisches Perfekt (perfecto compuesto oder perfet compost); in den innovativeren hingegen (Italienisch oder Französisch) hat die analytische Form (passato prossimo oder passé composé) die synthetische (passato remoto oder passé simple) weitgehend aus der Alltagssprache bzw. aus der mündlichen Domäne verdrängt (vgl. Lindschouw 2017: 398). Aufgrund der Entwicklung der modernen romanischen Sprachen aus dem Lateinischen kann man aber auch panromanische Tendenzen feststellen (vgl. Oesterreicher 1996). Beispielsweise kann das romanische Imperfekt, wenn man einige wenige Ausnahmen außer Acht lässt, als panromanische Form beschrieben werden (vgl. Haßler 2016: 107).

Coseriu (1976: 91) schlägt ein System vor, das er selbst als „romanisch“ bezeichnet und das auf alle romanischen Sprachen anwendbar ist, was allerdings nicht bedeutet, dass man

in allen romanischen Sprachen genau dieselben Oppositionen feststellen [kann], noch daß in jedem Fall zwischen den romanischen Verbalformen eine völlige Übereinstimmung, eine Korrespondenz eins zu eins besteht. Aber die Grundlage der Organisation des Verbs ist in allen romanischen Sprachen ziemlich dieselbe und das berechtigt uns, von einem romanischen ‚Verbalsystem‘ nicht nur historisch, sondern auch synchronisch zu sprechen.

Laut Coseriu (1976: 92) weist das romanische Verb eine doppelte zeitliche Struktur auf. Er unterscheidet eine aktuelle und eine inaktuelle Zeitebene. Erstere kommt dem „Vordergrund [gleich], der der Zeitlinie entspricht, die durch das Präsens geht […].“ Die inaktuelle Ebene hingegen wird durch Handlungen dargestellt, die einen parallelen Hintergrund bilden. Ihr Zentrum ist das Imperfekt.

Neben diesen beiden Zeitebenen führt Coseriu (1976: 93) die sogenannte Perspektive ein, welche „der Stellung des Sprechers im Verhältnis zur Verbalhandlung“ entspricht. Sie stimmt demnach in etwa mit der Relation von Topik- und Situationszeit im Kleinschen System überein. Daraus ergeben sich für jede Zeitebene drei Zeiträume (parallel, retro- und prospektiv). Der Sprecher kann eine parallele Perspektive einnehmen, wodurch die Handlung in ihrem Verlauf betrachtet wird. Dies entspricht im weitesten Sinne der Kleinschen Relation von TT incl TSit (graphische Darstellung: – – – [ – – – ] – – –) und wird von Coseriu (1976: 94) als kursiv bezeichnet. Der Sprecher kann die Handlung aber auch aus einer nicht parallelen Perspektive betrachten (retro- oder prospektiv), bei welcher die Handlung „außerhalb ihres Ablaufs als Ganzes betrachtet“ wird. Dies kommt der Kleinschen Relation von TT at TSit gleich und wird von Coseriu (1976: 94) als komplexiv bezeichnet. Jeder in der primären Perspektive abgegrenzte Zeitraum kann in der sekundären Perspektive nach denselben Prinzipien noch einmal aufgeteilt werden. Prinzipiell wäre auch eine tertiäre Perspektive möglich (z. B. die formes surcomposées im Französischen wie j’ai eu fait; vgl. ebd.: 96). Diese wird allerdings nur selten realisiert und wird in der folgenden Darstellung aufgrund der besseren Anschaulichkeit weggelassen:

Zeitebene Perspektive Vergangenheit retrospektiv Gegenwart parallel Zukunft prospektiv
aktuell primär sp. hice fr. je fis sp. hago fr. je fais sp. haré fr. je ferai
sekundär sp. he hecho fr. j’ai fait sp. voy a hacer fr. je vais faire
inaktuell primär - sp. hacía fr. je faisais sp. haría fr. je ferais
sekundär sp. había hecho fr. j’avais fait sp. habré hecho fr. j’allais faire

Tab. 7:

Das spanische und französische Verbalsystem (in Anlehnung an Coseriu 1976: 92–96; vgl. auch Dessì Schmid 2014: 33)

Es handelt sich bei Coseriu also um ein dreistufiges System, das aus einem Grundsystem (d. h. den Zeitebenen und der primären Perspektive) besteht, das die einfachen Tempora beschreibt. Im System der sekundären Perspektive werden die periphrastischen Formen dargestellt und schließlich spricht er von einem System, das die Bestimmung spezieller aspektiver Werte für jeden Zeitpunkt betrifft. Dieses umfasst die Kategorien der Dauer, der Wiederholung, der Vollendung, des Resultats, der Schau und der Phase (vgl. Coseriu 1976: 115). Da das dritte System formal den verschiedenen romanischen Periphrasen entspricht und diese in der vorliegenden Arbeit bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter behandelt werden, wird es nicht näher beschrieben (für einen Überblick vgl. ebd.: 96–108).

Coseriu versucht, diskursive Erklärungsansätze (d. h. die Unterscheidung zwischen aktueller und inaktueller Zeitebene) mit zeitrelationalen (d. h. der primären und sekundären Perspektive) zu verbinden. Dieses Zusammendenken der beiden Ansätze und die Beschreibung der zahlreichen aspektiven Werte führen dazu, dass Coserius System relativ schwer zu fassen ist (vgl. Coseriu 1976: 33; Haßler 2016: 189). Dennoch wird seine Beschreibung vor allem in der deutschsprachigen Romanistik weiterhin viel rezipiert.

Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen

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