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2.1 Tempus und Aspekt aus einer typologischen Perspektive 2.1.1 Lexikalischer Aspekt

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Beim lexikalischen Aspekt (en. lexical aspect) handelt es sich um die inhärente Semantik des Verbs und dessen Argumente.1 In Anlehnung an Vendler (1957) spricht man von vier sogenannten Zeitschemata (en. time schemata) oder Aspektklassen, die mithilfe folgender Taxonomie zusammengefasst werden können:

Aspektklassen dynamisch telisch durativ Beispiel
Zustände (en. states ) - - + sein
Aktivitäten (en. activities ) + - + (Lieder) singen
Accomplishments 2 + + + ein Lied singen
Achievements + + - den Gipfel erreichen

Tab. 1:

Klassifikation lexikalischer Aspektklassen (in Anlehnung an Vendler 1957)

Diese Taxonomie beruht im Wesentlichen auf drei aspektuellen Unterschieden: (1) Zustandswechsel (statisch vs. dynamisch), (2) inhärente(s) Ende/Limit/Grenze (telisch vs. atelisch) und (3) zeitliche Ausdehnung (punktuell vs. durativ) (vgl. Filip 2012). Diese drei aspektuellen Unterschiede werden im Folgenden voneinander abgegrenzt:

(1) Der wesentliche Unterschied zwischen statischen und dynamischen Prädikaten liegt darin, dass die Semantik eines Zustands keinen Zustandswechsel nach sich zieht, jene einer Aktivität hingegen schon (vgl. ebd.: 728). Laut Comrie (1976: 48–51) müssen dynamische Prädikate einer ständigen Zufuhr von Energie unterliegen, um fortgesetzt zu werden. Wenn beispielsweise eine Person keine Energie aufwendet, um die Aktivität des Singens aufrechtzuerhalten, wird die Handlung abrupt ein Ende nehmen. Zustände hingegen benötigen Energie, um in den Zustand gebracht zu werden. Haben sie diesen aber erreicht, verweilen sie darin und benötigen keine Energie für die Aufrechterhaltung desselben (z. B. das Buch, das ins Regal gestellt wird, bleibt dort stehen – es ist/verweilt in dem Regal):

With a state, unless something happens to change that state, then the state will continue […]. With a dynamic situation, […] the situation will only continue if it is continually subject to a new input of energy (ebd.: 49).

(2) Der wesentliche Unterschied zwischen telischen und atelischen Prädikaten liegt darin, dass die Semantik von telischen Prädikaten einen inhärenten Endpunkt besitzt. Sie beschreiben also Aktionen, die sich in Richtung eines Endpunktes bewegen und erst dann wahr sind, wenn dieser erreicht wurde. Atelische Situationen hingegen sind schon in dem Moment wahr, in dem sie beginnen (vgl. Garey 1957: 106). Diesen Unterschied veranschaulicht Comrie (1976: 44–48) anhand der Sätze John singt und John singt ein Lied. Obwohl beide Prädikate eine gewisse Dauer ausdrücken und dynamisch sind, gibt es einen wichtigen Unterschied hinsichtlich der Telizität. Egal zu welchem Zeitpunkt John mit dem Singen aufhört, ist die Aussage, dass er gesungen hat, wahr, was auf die Atelizität des Prädikats zurückzuführen ist. Beim zweiten Satz hingegen ist dies nicht der Fall. Wenn John das Singen eines Liedes in der Mitte abbricht und beispielsweise noch die letzte Strophe fehlt, ist die Aussage, dass John ein Lied gesungen hat, nicht wahr, sondern nur dann, wenn John das Lied (inkl. der letzten Strophe) tatsächlich fertig gesungen hat. Dies ist auf den inhärenten Endpunkt von telischen Prädikaten wie bei ein Lied singen zurückzuführen. Wie dieses Beispiel zeigt, interagiert die Semantik der Verben mit den Argumenten derselben. Das atelischen Verb singen in John singt erhält erst durch das Hinzufügen des Akkusativobjektes ein Lied einen inhärenten Endpunkt (= das Ende des Liedes) und wird somit zu einem telischen Prädikat (vgl. auch Comrie 1976: 45).

Die Aspektklasse hängt allerdings nicht nur von der Präsenz oder Nichtpräsenz eines Objekts ab, sondern auch davon, ob es sich um eine gequantelte oder eine kumulative Nominalphrase handelt (vgl. Krifka 1989).3 Beispielsweise wird ein Prädikat als telisch interpretiert, wenn die Nominalphrase gequantelt ist und als atelisch, wenn sie kumulativ ist:

(1) John singt ein Lied. (gequantelt → telisch)
(2) John singt Lieder. (kumulativ → atelisch)

(3) Der dritte aspektuelle Unterschied, auf dem die oben genannte Taxonomie beruht, ist derjenige zwischen Durativität und Punktualität. Im Gegensatz zu punktuellen Prädikaten nehmen durative eine gewisse Zeitspanne ein:

[D]urativity simply refers to the fact that the given situation lasts for a certain period of time […], [whereas] punctuality […] means the quality of a situation that does not last in time (Comrie 1976: 41–42).

Die oben diskutierte Verbalphrase ein Lied singen drückt eindeutig eine gewisse zeitliche Ausdehnung aus, weshalb ihr das Merkmal [+ durativ] zukommt und sie in der Vendlerschen Taxonomie den accomplishments zugeordnet wird. Achievements unterscheiden sich insofern von dieser Kategorie, als sie durch das Merkmal [+ punktuell] zu charakterisieren sind. Dies trifft prinzipiell auf das in Tabelle 1 genannte Prädikat den Gipfel erreichen zu. Das Problem, das mit der Opposition durativ/punktuell einhergeht, ist, dass eigentlich jede Handlung eine gewisse Dauer hat. Comrie (1976: 41–44) veranschaulicht dies folgendermaßen: Wenn man sich einen Film ansieht, in welchem eine Person hustet, und diese Szene in Zeitlupe abspielt, dann wird das vermeintlich punktuelle Verb husten in die Länge gezogen und dadurch durativ. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die Semantik der Punktualität nur schwer zu fassen ist. Aufgrund dieser Problematik, und in Anlehnung an zahlreiche dreiteilige Taxonomien, werden in der vorliegenden Arbeit die Kategorien der accomplishments und achievements zusammengefasst und unter den Begriff der telics subsumiert (vgl. De Swart 1998; Klein 1994; Salaberry 2011; Verkuyl 1999; für einen Überblick vgl. Tatevosov 2002: 320–321):

Aspektklassen dynamisch telisch
Zustände (statisch) - -
Aktivitäten (aktivisch) + -
Telics (telisch) + +

Tab. 2:

Dreigliedrige Einteilung von lexikalischem Aspekt

Nachdem in diesem Kapitel über lexikalischen Aspekt gesprochen und dieser in Zustände, Aktivitäten und telics eingeteilt wurde, wird das nächste Kapitel von der grammatischen Kategorie des Aspekts handeln.

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