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Er starrte durch die vergitterten Fenster seines Büros. Eigentlich hätte er heute, am Tag des nächsten Versuchs, freinehmen wollen, aber es gab zwei Gründe, es nicht zu tun. Erstens fielen heute große Baumschnittarbeiten auf dem Friedhof an. Da musste er schon Präsenz zeigen und zweitens würde es sich bei möglichen Nachforschungen der Polizei gut machen, wenn er zur Arbeit gegangen war. Die Utensilien, welche er brauchte, hatte er im Auto verstaut. Diesmal würde er es mit einer blauen Jacke versuchen, die häufig von Fahrern eines ganz bestimmten Paketdienstes getragen wurden. Eine blonde Perücke gehörte ebenfalls zu seiner Ausrüstung. Darüber würde er eine schwarze Kappe tragen. Diesmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, hatte er erneut verworfen. Ein Paketbote würde nicht in der Straßenbahn sitzen und irgendwie musste er das kleine Paket und seine Ausrüstung ja transportieren. Das Auto musste in einer anderen Nebenstraße abgestellt werden, das war sicherer. Plötzlich klopfte es an der Bürotür. Eine alte Frau fragte nach dem Grab des Schlägersängers Ronny. Die Nummer des Gräberfeldes kannte er mittlerweile auswendig. Gerade ältere Menschen hatten häufig nach diesem Grab gefragt. Häufig fragten auch Schüler nach den Gräbern berühmter Persönlichkeiten. Die Lehrer ließen die Kinder dann, mit Fragebögen bewaffnet, nach bestimmten Gräbern suchen. Mittlerweile war er so gut mit den Geschichten der Toten vertraut, dass er Schülern, die ihm sympathisch erschienen, hilfreiche Hinweise geben konnte. Über das Denkmal der Gefallenen der Bremer Räterepublik konnte er inzwischen ein fünfminütiges Referat halten.

Er schaute auf die Uhr. Der Feierabend kam näher, der für ihn diesmal nicht Sofa oder einkaufen bedeuten sollte. Seine Nervosität nahm zu. Es bildete sich kalter Schweiß auf seiner Stirn. Das war kein gutes Zeichen, wenn er jetzt schon nervös wurde. Wie sollte es erst werden, wenn er sein Vorhaben in die Tat umsetzen würde. Er nahm noch einen letzten Schluck Grünen Tee aus der Thermoskanne und begann aufzuräumen. PC runterfahren, abschließen, dann war es soweit. Langsam ging er durch das breite Portal des Friedhofeingangs zum Parkplatz. Vorort würde er sich in keinem Fall umziehen, dazu kannten ihn hier zu viele Leute. Ohne sich noch einmal umzusehen, stieg er ins Auto und fuhr los.

Es hatte einige Zeit gedauert, bis er sich durch den Feierabendverkehr auf die andere Weserseite gequält hatte. Auf einem weit abgelegenen Parkplatz hatte er sich umgezogen. Jetzt steuerte er die Nebenstraße an, die etwas weiter entfernt war. Seine Ruhe war wieder da. Sehr entschlossen nahm er das Paket in die Hand und machte sich auf den Weg zu Reginas Haus. Wieder war in dieser kleinen Straße niemand zu sehen. Bloß nicht auf die Nachbarin vom letzten Mal treffen, deshalb kam er jetzt auch von der anderen Seite. Er blickte sich noch einmal um. Dann stand er vor ihrer Tür. Diesmal stand das Vorderfenster auf kipp, ein gutes Zeichen. Sie war augenscheinlich zu Hause. Kurz entschlossen drückte er auf die Klingel und trat wieder etwas zurück, weil die echten Paketboten das ja auch so machen mussten in diesen Zeiten. Er hörte Schritte. Es war soweit. Langsam öffnete sich die Tür. Scheiße, dachte er, Maske vergessen. Er sah direkt in Reginas Gesicht, aber sie erkannte ihn scheinbar nicht. Nach so langer Zeit hätte ihn das auch gewundert.

„Ich habe nichts bestellt“, flötete sie gekünstelt.

Das war schon mal gut. Sie nahm ihm den Paketboten ab. „Aber Sie können doch sicherlich dieses Paket für Ihre Nachbarin annehmen?“

Er ließ ihr nicht die geringste Chance auf eine Antwort, schnellte nach vorne und schob sie unvermittelt in den Hausflur, wobei das Paket unsanft auf den Bodenfliesen landete. Noch bevor sie schreien konnte, presste er ihr seine Hand fest auf den Mund, zog sie grob ins Wohnzimmer und drückte sie dort zu Boden. Hastig drückte er das Klebeband über ihre Lippen, dann band er ihr die Hände mit einem langen Kabelbinder auf den Rücken. Zwar wehrte sie sich so gut sie konnte, aber irgendwie hatte er mit stärkerer Gegenwehr gerechnet. Es war relativ leicht gewesen, ihren Widerstand zu brechen. Sie zitterte jetzt am ganzen Leib und verfiel dann urplötzlich in eine Schockstarre. Jetzt um Himmels Willen kein Mitleid, dachte er, auch sie hatte damals keines gezeigt. Ihr Gesicht lief rot an, ihre Augen waren voller Panik. Jetzt bloß möglichst keinen Herzinfarkt auslösen. Er musste doch unbedingt noch seine Zeremonie erledigen. Er holte einen Gegenstand, eine Art Metallring, aus seiner Tasche. So ein Teil hatte er mal in einem Pornofilm gesehen. Er riss ihr das Klebeband aus dem Gesicht. Ihre Schockstarre war immer noch so stark, dass sie gar nicht mehr schreien konnte. Mit brutaler Gewalt stopfte er die Maulsperre in ihren Mund, mehrfach musste er nachhelfen, dabei biss sie in seinen Handschuh. Als die Sperre saß, flößte er ihr das Brechmittel quasi wie durch einen Trichter ein. Nach kurzer Zeit schon würgte sie und erbrach sich. Genau darauf hatte er gewartet. Mit einem mitgebrachten Gummispachtel schabte er das Erbrochene auf und stopfte es ihr unerbittlich wieder in den Hals. Um ein erneutes Erbrechen zu verhindern, hielt er ihr zusätzlich den Mund zu.

„Jetzt weißt du hoffentlich, wer ich bin und warum ich das hier tue, Regina“, flüsterte er ihr in gepresstem Ton direkt ins Ohr. Obwohl er sich selbst nicht für einen Sadisten hielt, genoss er, wie sie jetzt leiden musste und ganz langsam qualvoll an dem eigenen Erbrochenem erstickte.

Nach etwa fünfzehn Minuten zeigte sein Opfer keine Reaktion mehr.

Er räumte seine Sachen zusammen, versuchte dabei möglichst keine Spuren zu hinterlassen, nahm noch schnell das Paket unter den Arm und klappte dann einfach die Tür hinter sich zu. Wieder war niemand auf der Straße zu sehen. Er zwang sich trotzdem langsam zu gehen, um nicht aufzufallen. Als er endlich wieder im Auto saß, schüttelte ihn ein heftiger Weinkrampf. Erst nach ungefähr einer Viertelstunde war er in der Lage, mit seinem Auto davonzufahren.

Zerbrochen auf Wangerooge

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