Читать книгу Zerbrochen auf Wangerooge - Malte Goosmann - Страница 6
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ОглавлениеEr blickte aus seinem kleinen Büro auf die große Wiese vor seinem Fenster. Die ersten Blumen begannen zu blühen und die Friedhofsgärtner waren fleißig dabei, die Frühjahrsbepflanzung auf die Gräber zu bringen. Sein kleines Büro am Eingang des Friedhofs war sein kleines Reich, in dem er der Herrscher war. Sicherlich, es gab gewisse vorgeschriebene Zwänge, die er abarbeiten musste. Doch das alles blieb im Rahmen, so dass er noch genügend Zeit für seine Recherche hatte. Heute musste noch eine Urnenbestattung durchgeführt werden. Zu diesem Zwecke hatte er schon die Feierhalle für die Bestatter aufgeschlossen, die dort ihre Vorbereitungen für die Trauerfeier trafen. Drei Briefe mussten noch geschrieben werden, an Angehörige, deren Grabnutzungsverträge ausliefen. Dann hatte er wieder Zeit, mit seiner Suche weiterzumachen. Dass sie Regina hieß, konnte er nie und nimmer vergessen. Aber an den Nachnamen konnte er sich kaum erinnern, weil sie sich damals natürlich nur mit ihren Vor- oder Spitznamen angeredet hatten. Irgendetwas mit „Bre…“war ihm in Erinnerung geblieben. Was aber, wenn sie verheiratet war und ihren Mädchennamen abgelegt hatte? Früher war es für Frauen eher üblich, den Namen des Mannes anzunehmen. Heute behielten viele Frauen ihren Mädchennamen oder bedienten sich der Möglichkeit, sich einen Doppelnamen zuzulegen. Telefon- und Adressbücher hatte er durchgesehen. Dort gab es natürlich eine Vielzahl von Frauen, auf die dieses Merkmal zutraf. Regina Bremermann, Bremer, Bruns und so weiter. Wer aber von diesen Frauen, war die Regina, die er suchte? Ob es die alten Listen noch gab? Er könnte vielleicht jemanden aus der Gruppe von damals befragen, deren Namen er noch parat hatte. Nach längerem Überlegen schloss er diese Möglichkeit aus. Er würde sich verdächtig machen und eine Spur legen. Vielleicht sollte er ins Staatsarchiv gehen und nach den alten Listen suchen. Wenn er da nicht weiterkam, müsste er auf die Datenbank des Standesamtes zugreifen und mit Hilfe des möglichen Geburtsjahres eine Auswahl treffen. Immerhin waren sie damals in der Gruppe ungefähr gleichalt gewesen mit vielleicht einer Abweichung von ein bis zwei Jahren. Als Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung war es ihm möglich, auf die Datenbank des Standesamtes zuzugreifen. Wenn die Listen tatsächlich im Staatsarchiv zu finden waren, konnte er hier schneller zum Erfolg kommen.
Eines hatten diese ganzen Rechercheüberlegungen aber schon zur Folge gehabt. Ihm ging es merklich besser, warum er auch die Psychotherapie bei Frau Dr. Müller-Lubinski abgebrochen hatte. Er konnte immerhin vier bis fünf Stunden durchschlafen, was für ihn schon etwas war. Auch hatte er zwei Kilo zugenommen. Sein Entschluss begann sich also auszuzahlen.
Eine junge Frau mit auffällig hell blondierten Haaren und in Biker-Kutte klopfte an seine Tür.
„Entschuldigung, können Sie mir weiterhelfen? Im letzten Jahr ist hier doch der Gründer des Hells Angels-Chapter Deutschland beigesetzt worden. Können Sie mir sagen, wo ich das Grab finden kann?“
Ohne in seinen PC zu schauen, konnte er der Frau die Grabnummer mitsamt Wegbeschreibung nennen. Diese Beerdigung war für seinen Friedhof schon etwas Besonderes gewesen. Ungefähr vierhundert Trauergäste waren zur Beisetzung erschienen, darunter einige Kiez-Größen aus Hamburg. Kalle Schwensen, der Mann mit der dunklen Brille, war ihm noch in Erinnerung geblieben.