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Byzanz und Orient
ОглавлениеMit der Aufteilung des Römischen Weltreichs in West- und Ostrom im 4. Jahrhundert nach Christus und der Schließung der von Platon gegründeten Philosophenschule in Athen wurde das Ende der Antike definitiv eingeläutet.
Im oströmischen Reich konnte sich Byzanz (das spätere Konstantinopel und heutige Istanbul) als Zentrum behaupten: im Jahr 1453 wurde Konstantinopel von den Türken erobert und in Istanbul umbenannt. Damit ging die mehr als tausend Jahre währende Epoche des Byzantinischen Reichs zu Ende.
Der wohl bedeutendste byzantinische Arzt war Oribasius. Auch er erwähnt Hanf und empfiehlt die Samen gegen Blähungen, weist jedoch auch auf eine kopfschädigende Wirkung (Kopfschmerzen?) hin (ABEL 1980: 34). Grundsätzlich brachten Vertreter der byzantinischen Medizin wenig Neues: in Bezug auf Cannabis wurde vor allem auf das Wissen von Dioskurides und Galen zurückgegriffen.
In der arabischen Welt war die Bedeutung von Cannabis dagegen sehr groß. Anders als in der abendländischen Kultur wurde im Orient das Haschisch dem Opium vorgezogen («Haschisch» – ursprünglich war damit «dürres Kraut» gemeint – löste um 1000 n.Chr. Qanab, die arabische Bezeichnung für Cannabis, ab [STRINGARIS 1972: 1]; heute ist mit Haschisch das Drüsenharz der weiblichen Hanfpflanze gemeint). Auch als Rauschpflanze konnte sich Cannabis in der persisch-islamischen Kultur etablieren. In zahlreichen «Tausendundeine Nacht»-Märchen des 12. Jahrhunderts kommt Haschisch vor: beispielsweise wird in der kurzen Erzählung aus der 143. Nacht ein Haschischrausch beschrieben (REININGER 1955: 2370). Überhaupt ist in der morgenländischen Literatur Hanf allgegenwärtig. Stellvertretend sei auf eine Stelle aus einem orientalischen Volksroman verwiesen, zitiert nach Gelpke (GELPKE 1975: 62-64):
«Vom Haschisch wird der Peniskopf gleich dem Amboss: wie er auch sei – er wird zweimal so groß. Jeder Feueranbeter und Jude und Armenier wird sogleich aus Wohlbehagen ein Moslem, nachdem er Haschisch genoss.
Das Haschisch ist es, das dem Verstand Erleuchtung bringt: (doch) zum Esel wird, wer ihn wie Futter verschlingt. Das Elixier ist Genügsamkeit: Iß von ihm nur ein Korn, damit es goldgleich ganz das Sein deines Daseins durchdringt.
Durch das Essen vom Haschisch wird der Verstand nicht vermehrt, und nicht anders wird vom Nichtessen die Welt (und ihr Wert). Gegen Traurigkeit (hilft es), davon ein wenig zu essen: doch esse keiner sich voll, damit ihn nicht Frechheit versehrt.
Ein jeder, der dem Haschisch als Sklave verfällt, ist bald lebendig, bald ein Toter, vom Schlafe gefällt. (Während) das Essen von wenigem die Traurigkeit abwehrt, ist, wer zu viel isst, in Blödheit zerschellt.»
Auch in der arabischen Medizin konnte sich Hanf behaupten. Anders als bei den Griechen und Römern wurde nun die ganze Pflanze als Arznei eingesetzt. Bereits damals scheint der Hanf aus dem Morgenland wirksamer und potenter gewesen zu sein als der in Europa bekannte. Aus heutiger Sicht ist klar, dass er mehr wirksamkeitsbestimmendes Tetrahydrocannabinol (THC, vgl. Kapitel 2 und 3) enthielt als der in der westlichen Medizin eingesetzte. Auch der berühmteste aller arabischen Ärzte, Ibn Sina, genannt Avicenna, erwähnt in seinem im Jahr 1025 erstmals erschienenen Standardwerk Canon medicinae den Hanf (TSCHIRCH 1910: 602).
Anders als in der westlichen Welt existierten schon damals zeitgenössische Berichte arabischer Ärzte, die den Missbrauch von Cannabis beklagen (MOELLER 1951: 360). In Kairo beispielsweise wurde im Garten von Cafour ein Haschischpräparat namens Okda verkauft. Die Bewohner von Kairo seien durch diesen «Schauplatz aller nur erdenklichen Ausschweifungen und Scheußlichkeiten» angezogen worden (HENKEL 1864: 538), im Jahr 1253 ließ der Gouverneur von Kairo diesen Garten zerstören und alle Hanfpflanzen ausreißen (Abel 1980: 42). Trotzdem verbreitete sich der Gebrauch des Krauts offenbar weiter, bis schließlich der Sultan von Ägypten zu Beginn des 14. Jahrhunderts den Verkauf von Haschisch ganz verbieten ließ (FLÜCKIGER, HANBURY 1879: 547).