Читать книгу Cannabis in der Medizin - Manfred Fankhauser - Страница 13
Hanf im mittelalterlichen Europa Hanf zu Beginn des Mittelalters
ОглавлениеWie bis anhin verwendete man im Europa des frühen Mittelalters fast ausschließlich entweder den Hanfsamen oder die Faser. Als Halluzinogen war Cannabis unbekannt: der einheimische Hanf hätte auch kaum Wirkung gezeigt. Im Gegensatz dazu hatten andere psychotrop wirkende Pflanzen wie Stechapfel, Alraune, Bilsenkraut oder Tollkirsche ihre Blütezeit in dieser Periode. Sie dienten fast ausschließlich der Magie und finsteren Machenschaften (SCHULTES, HOFMANN 1987: 26).
Es gibt allerdings vereinzelt Hinweise, dass Hanf oder Hanfsamen zusammen mit anderen schlaffördernden und/oder schmerzbetäubenden Pflanzen in Form von Räucherungen oder als Tolltränke verabreicht wurden (TSCHIRCH 1910: 454-455). Diese These könnte dadurch gestützt werden, dass die Inquisition im 12. Jahrhundert in Spanien und im 13. Jahrhundert in Frankreich verschiedene Naturheilmittel verbot, darunter auch Cannabis (HERER 1993: 126). Später, im 15. Jahrhundert, erreichte die Ächtung von Cannabis einen vorläufigen Höhepunkt, als Papst Innozenz VII. im Jahr 1484 die sogenannte Hexenbulle (Summis desiderantes affectibus) erließ. Darin verbot er Kräuterheilern die Verwendung von Cannabis, da Hanf ein unheiliges Sakrament der Satansmesse sei (FISCHER 1929: 126-128).
Bereits 300 Jahre früher geht die deutsche Äbtissin Hildegard von Bingen in ihrer um 1150 erschienenen Heilmittel- und Naturlehre Physica auf Cannabis ein:
«[De Hanff-Cannabus] Der Hanf ist warm. Er wächst, während die Luft weder sehr warm noch sehr kalt ist, und so ist auch seine Natur. Sein Same bringt Gesundheit und ist den gesunden Menschen eine heilsame Kost, im Magen leicht und nützlich, weil er den Schleim ein wenig aus dem Magen entfernt und leicht verdaut werden kann, die schlechten Säfte mindert und die guten stärkt. Wer Kopfweh und ein leeres Gehirn hat, dem erleichtert der Hanf, wenn er ihn isst, den Kopfschmerz. Den, der aber gesund ist und ein volles Gehirn im Kopfe hat, schädigt er nicht. Dem schwer Kranken verursacht er im Magen einigen Schmerz. Den, der nur mäßig krank ist, schädigt sein Genuss nicht. – Wer ein leeres Gehirn hat, dem verursacht der Genuss des Hanfes im Kopf einen Schmerz. Einen gesunden Kopf und ein volles Gehirn schädigt er nicht. Ein aus Hanf verfertigtes Tuch, auf Geschwüre und Wunden gelegt, tut gut, weil die Wärme in ihm temperiert ist» (REIER 1982: 204).