Читать книгу Cannabis in der Medizin - Manfred Fankhauser - Страница 19
Eine folgenreiche Studie
ОглавлениеIm Jahr 1839 veröffentlichte der im indischen Kalkutta stationierte irische Arzt William B. O’Shaughnessy eine umfassende Studie über den Indischen Hanf. Seiner Arbeit mit dem Titel On the Preparations of the Indian Hemp, or Gunjah ist es hauptsächlich zu verdanken, dass sich der Indische Hanf in der Folge auch in der europäischen Schulmedizin etablieren konnte. O’Shaughnessy erläutert zuerst einige Tierversuche, bei denen er mit traditionellen indischen Hanfzubereitungen arbeitet.
Im Hauptteil seiner Arbeit geht der Autor auf seine vielfältigen Versuche am Menschen ein. Er verwendet verschiedene Hanfpräparate (zum Beispiel Tinktur und Pillen) mit teilweise großem Erfolg bei den folgenden Indikationen: Rheumatismus, Hydrophobia (Tollwut), Cholera, Tetanus (Starrkrampf), Konvulsionen (Krämpfe), Delirium tremens (Alkoholentzugssyndrom). Zu jeder Indikation liefert O’Shaughnessy mehrere Fallbeispiele und hält Beobachtungen fest. Bei den meisten genannten Indikationen waren Krämpfe ein zentrales Problem. Mit den Cannabispräparaten fand er gute Mittel, um seinen Patienten Linderung zu verschaffen oder sie sogar ganz von diesen Symptomen zu befreien. Er schrieb:
«Die vorliegenden Fälle geben zusammengefasst meine Erfahrungen mit Cannabis indica wieder und ich glaube, dass dieses Heilmittel ein Antikonvulsivum [=Entkrampfungsmittel] von größtem Wert ist» (O'SHAUGHNESSY 1838–40: 29).
Die westliche Schulmedizin reagierte prompt auf diese neuen Erkenntnisse aus Indien. Dies ist nicht erstaunlich, denn bis dahin hatte sie den noch nicht als Infektionskrankheiten erkannten Problemen wie Tollwut, Cholera oder Starrkrampf relativ hilflos gegenübergestanden. Aus den Ergebnissen von O’Shaughnessy schöpfte man große Hoffnungen. Der Startschuss zu einer vielversprechenden Karriere der Medizinalpflanze Cannabis indica war gefallen.
Abb. 4: Reprint der ersten Seite der Studie von W. B. O’Shaughnessy (Ausschnitt), 1839.
Die Franzosen waren die Ersten, die sich intensiv mit dieser indischen Variante des einheimischen Hanfes beschäftigten. Bereits im Jahr 1840 benutzte der in Ägypten ansässige französische Arzt Louis Aubert-Roche das Haschisch anscheinend erfolgreich gegen Pest: er gab an, in sieben von elf schweren Fällen die Betroffenen mit Cannabis geheilt zu haben. Gleichzeitig begann sein Landsmann und Freund, der später berühmt gewordene Psychiater Jacques Joseph Moreau de Tours, mit Haschisch zu experimentieren.
Moreau de Tours war schon bald davon überzeugt, dass in der Psychiatrie von allen bekannten Medikamenten der Indische Hanf das Mittel der Wahl sei. Sein 1845 veröffentlichtes Buch Du Hachisch et de l’aliénation mentale erregte damals großes Aufsehen und gilt heute als Ursprung der experimentellen Psychiatrie (WEBER 1971: 8).