Читать книгу Spurlos - Manuela Martini - Страница 10
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ОглавлениеJeannies Finger glitten an ihrem Hals entlang, über die Kette aus kirschgroßen perlmutt-schimmernden Perlen der Arafura See. Die Rundung fühlte sich wunderbar kühl und glatt auf ihrer Haut an. Sie hörte das sanfte Schlagen der Wellen in der einsamen Bucht, in der diese Perlen gewachsen waren, sie schmeckte das Salzwasser auf der Zunge, spürte den Wind in ihrem Haar. Was war schon ein Diamant, scharf geschliffen, glasklar und hart gegen den sanften, im Licht changierenden Glanz einer organisch geformten Perle? Sie verließ den Laden durch den Hinterausgang. Sie vergewisserte sich, dass sie abgeschlossen und das Sicherheitssystem aktiviert hatte. In wenigen Minuten würde ein Wachmann alles überprüfen und im Laufe der Nacht in regelmäßigen Abständen vorbeischauen. Sie sah auf die große Standuhr, direkt vor sich in der Fußgängerzone. Kurz vor sieben. Genug Zeit, um in die Knuckey-Street zu laufen. Der Himmel war ein Meer aus rosafarbenen Wolken.
Sie atmete den süßen Blütenduft, der die Luft erfüllte ein und musste lächeln. Es tat gut, nach einem Arbeitstag im Laden, lange Schritte zu machen. Sie marschierte, die Handtasche umgehängt, über das Ende der Fußgängerzone, am Qantas Gebäude vorbei, wo sie sonst ihren Wagen parkte. Doch heute hatte Seb, ein Kollege, sie zu Hause abgeholt und zur Arbeit mitgenommen, da ihr Wagen in der Reparatur war und sie sich am Abend mit einer Freundin verabredet hatte, die sie abholen und später nach Hause fahren würde. Ihre Absätze klackten auf dem Beton des Bürgersteigs. Die drückende Hitze lastete auf der Stadt und würde sich erst langsam in den Nachtstunden abkühlen.
Jeannie freute sich auf den Abend im Pub in der Mitchell Street. Der Tag war erfolgreich gewesen. Sie hatte einem Kunden eine sechstausend Dollar teuere Perlenkette verkaufen können und zwei Kundinnen jeweils ein Paar Ohrringe. Ein guter Tag, an dem sie ihr Image als eine der besten Verkäuferinnen wieder einmal hatte beweisen können.
Sie ging auf der linken Straßenseite der Bennett Street entlang und bog in die McLaughlan Street ein. Im Café Roma saß niemand draußen. Früher am Tag fanden sich auf den Bänken dort auf der schattigen Terrasse stets junge Leute, meist Backpacker, aber auch Angestellte der umliegenden Büros. Zahlreiche Verwaltungen waren hier in den Hochhäusern untergebracht, wusste Jeannie. Zum Dekorationsgeschäft in der Knuckey Street, in der ihre Freundin arbeitete und sie gleich erwartete, würde sie höchstens noch vier Minuten brauchen. Sie sah auf die Uhr, merkte, dass sie zu früh dran war und verlangsamte ihren Schritt.
Auf einmal hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Ruckartig drehte sie sich um. Etwa fünf Meter hinter ihr blieb erschrocken ein Mann stehen. Sie musterte ihn. Er war attraktiv, sein gut geschnittenes, Gesicht, überhaupt seine ganze Erscheinung wirkten jugendlich. Sein Alter konnte sie schlecht schätzen, die Sonne hatte sein Gesicht gegerbt.
Er lächelte. „Alles in Ordnung?“
Sie zögerte.
„Sie haben mich erschreckt als Sie sich so plötzlich umdrehten“, sagte er.
Noch immer war sie skeptisch.
„Hören Sie, ich gehe jetzt einfach weiter, ja?“ Schon machte er einen Schritt.
„Halt!“ Sie lächelte jetzt auch. „Entschuldigen Sie, ich hatte mal ein wirklich schlechtes Erlebnis, und … und jetzt dachte ich, Sie verfolgen mich.“
„Schon in Ordnung.“ Er zögerte nun auch. „Nun, da wir uns schon über den Weg gelaufen sind“, er lächelte mit einer Spur Verlegenheit, „was halten Sie von einem Drink?“
Gerade eben hatte sie sich noch auf ihre Freundin gefreut, doch jetzt war sie auf diesen Mann neugierig geworden.
„Oder vielleicht morgen?“, fragte er rasch als er ihr Zögern bemerkte.
„Ja. Morgen passt.“ Und wenn er nur schnellen Sex wollte? Nein, einen solchen Eindruck macht er nicht. Aber wenn – schaden würde es ihr auch nicht schaden. Viel zu lange schon hatte sie darauf verzichtet.
„Wie wär’s unten am Meer, an der Stokes Hill Wharf? Um sieben?“
Stell’ wenigstens eine Bedingung, sagte ihr eine innere Stimme.
„Halb acht wäre mir lieber.“
„Okay.“ Er nickte. „Und wo?“
„Der, der zuerst kommt, sucht einen Platz. Wir finden uns schon.“
Beim Abschied lächelte er, und sie lächelte zurück. Ihr Schritt wurde leichter federnder. Sie spürte wieder die Perlen auf ihrer Haut und genoss das angenehme Kribbeln, das ihren Körper überlief.