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„Er weiß nicht, was er an dir hat!“ Meg schüttelte heftig den Kopf. Die roten Flecken auf ihrer Haut waren dunkler geworden, wie immer, wenn sie sich aufregte. Christine hatte ihr sogar den Namen der Frau genannt. Sie hieß Valerie Tate und war zweimal Kundin im Friseursalon gewesen.

„Wie alt?“, wollte Meg wissen.

„Sechsundzwanzig.“ Das war die nackte, bittere Wahrheit.

„Mein Gott, Schätzchen, und jetzt?“

Alison zuckte mit den Schultern. Diese Frage hatte sie sich auch gestellt – und nicht nur einmal.

„Hast du es Matthew gesagt?“

„Nein.“

„Sag’s ihm! Stell’ ihn vor die Wahl: du oder sie!“

Das hätte Alison sicher auch einer Freundin in dieser Situation geraten. Doch eine merkwürdige Lähmung hatte sie befallen, die sie dazu zwang, zuzusehen anstatt zu handeln.

„Alison! Das darfst du dir doch nicht gefallen lassen!“

Auch das hätte sie der Freundin gesagt. Ein Klopfen an der Tür ließ sie beide herumfahren.

„Wer hat sich denn schon so früh zu uns verirrt?“ Meg hob verwundert die Brauen. „Na gut, reden wir später weiter.“

Alison nickte. Sie war ganz froh für den Themenwechsel.

„Nur herein!“, rief Meg fröhlich.

Das erste, was die beiden Frauen zu sehen bekamen war ein von der Sonne gebräuntes Gesicht, mit eckigem Kinn, weichen, geschwungenen Lippen und strahlenden Augen, die vom jahrelangen Zukneifen im hellen Licht Falten umspielten. Ein ehemaliger Segler, dachte Alison, oder Tennis-Spieler – dazu passten sein hellblaues Poloshirt und die weißen Hosen.

„Oh, ich wollte nicht stören…“ Er lächelte charmant, nein, er strahlte. Seine Stimme war angenehm.

„Brett!“ Meg wandte sich an Alison. „Alison, das ist Brett Horkay! Vielgereister Romancier, Journalist, Sprachlehrer, Höhlenforscher und …“ Sie lachte kokett. „Hab’ ich was vergessen?“

„Und guter Freund!“ Jetzt lachte er und zeigte in seinem großen Mund weiße Zähne. Er war sicher einen Meter fünfundachtzig groß und hatte einen durchtrainierten Körper. Wie alt mochte er sein? Vierzig?

„Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Brett.“ Alison streckte ihm steif ihren Arm entgegen. Seine Hand war warm und fest. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, ob sie Matthew nicht eins auswischen, und eine Affäre mit dem erstbesten Mann anfangen sollte.

„Willst du einen Kaffee, Brett?“ Meg stand bereits auf, „das ist Alison, meine geschätzte Kollegin. Sei ein bisschen nett zu ihr, sie hat´s gerade nicht leicht.“

Alison warf Meg einen strafenden Blick zu, den diese nur mit einem Augenbrauenhochziehen und einem lapidaren Schulterzucken abtat, und auf die Kaffeemaschine zusteuerte.

„Oh, das tut mir leid“, er lächelte – wie Alison fand, ein wenig zu mitfühlend. Sie winkte ab. „Reden wir von etwas anderem.“

Er nickte verständig und verschränkte die blond behaarten Arme vor der breiten Brust.

„Meg ist manchmal etwas taktlos!“

Meg rollte die Augen und reichte ihm einen Becher Kaffee. Er nahm ein paar Schlucke ohne sich hinzusetzen während Meg Alison berichtete, dass Brett bei ihr und ihrem Mann wohnte, genauer gesagt im „Granny Apartment“: zwei Zimmern neben der Garage und der offenen Waschküche, unter dem auf Pfählen stehenden Haus.

„Ich hatte zuerst Hemmungen, Brett, die Bude anzubieten …“, sagte sie und legte aus verschiedenen Kartons die Seiten des Writer’s Festival – Programms zusammen.

„Es ist vollkommen okay!“ Er wandte sich dabei an Alison, „ich habe schon in ganz anderen Unterkünften geschlafen!“

Meg lachte.

„Ich nehme an in einer Hütte in Papua Neuguinea oder einem Erdloch in Sumatra … Brett ist viel zu anständig, um sich zu beschweren, stimmt’s?“

Aha, anständig und rücksichtsvoll ist er auch noch? Alison merkte, wie sie gereizter wurde.

„Was hältst du davon?“

Alison sah Megs Blick auf sich gerichtet. „Was, wovon?“

„Schätzchen, wo warst du mit deinen Gedanken? Ich habe vorgeschlagen, morgen ein Barbecue zu veranstalten. Du kommst doch?“

„Morgen? Oh, da hab’ ich meine Eltern eingeladen.“ Äußerst unpassend diese Einladung, dachte Alison. Wie sollte sie die Fassade der glücklichen Ehefrau aufrechterhalten?

„Dann eben heute. Nick könnte uns einen Lammbraten machen. Das ist seine Spezialität. Na, was haltet ihr davon?“

„Eine ganz großartige Idee, Meg!“ sagte Brett, und Alison nahm seinen Blick wahr, den er ihr zuwarf.

„Ich weiß nicht Meg. Ich …“ Sie musste zuerst wieder zu sich selbst finden.

„Ach, wenn du magst, dann kommst du einfach“, sagte Meg. „Übrigens, wie sieht es heute Mittag aus, Brett? Wir könnten alle drei in der Stadt was essen, asiatisch, in der Mall.“

Brett stellte den Becher auf den Tisch. „Ich wollte eigentlich in die Northern Territory Art Gallery.“

„Ach – die läuft dir ja nicht weg!“

„Du mir auch nicht, oder?“

Meg zog ihr weites Kleid in die Breite. „Seh ich so aus?“

Als Brett gegangen war, ließ sich Meg ächzend auf ihren Stuhl fallen. Sie nahm die Brille ab und wischte sie mit einem Taschentuch ab.

„Unverheiratet. Noch nicht einmal geschieden – und gut riechen tut er auch noch!“ Sie seufzte übertrieben. „Interessant, abenteuerlustig, gebildet – er will sein eigener Herr bleiben.“ Sie setzte ihre Brille wieder auf und lächelte hintergründig. „Und ganz nebenbei, soll er im Bett auch nicht schlecht sein!“

„Meg!“

Meg klatschte in die Hände. „So, nun muss ich mich aber mal an die Arbeit machen!“, und drehte sich zum Computer. „Du gefällst ihm“, sagte sie noch.

Alison sah diesen vor Kraft und Lebenslust sprühenden Mann vor sich. Er hatte ihr noch ein Lächeln, ein gewisses Lächeln zugeworfen, bevor er ging. Ein angenehmer Schauer rieselte über ihren Körper und überlagerte für Sekunden Demütigung und Wut.

Spurlos

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