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Missionarin der Nächstenliebe: Mutter Teresa

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Für einige ihrer Zeitgenossen war die kleine Frau die mächtigste Frau der Welt. Ihr Wort hatte Gewicht. Ob Staatsmänner, Wirtschaftsbosse oder der Papst: Auf das, was Mutter Teresa sagte, hörte man. Wahrscheinlich, weil man ihr abnahm, was sie sagte. Sie hatte von Beginn an Ernst mit ihrem Leben gemacht. In größter Gefahr für das eigene Leben scheute sie keine Mühen und Anstrengungen, den Ärmsten der Armen zu helfen und ihnen beizustehen.

Als Mutter Teresa, die Missionarin der Nächstenliebe, im Jahr 1997 starb, gingen die Bilder von der kleinen, runzeligen Frau im einfachen Sari mit dem blauen Streifen um die Welt: Mutter Teresa in den Heimen für Leprakranke in Kalkutta, in den Krankenstationen, wo Menschen mit Tuberkulose und Aidskranke um ihr Leben kämpften. Aber auch Bilder von der betenden Mutter Teresa. Von einer Frau, die ihre Kraft aus ihrem Glauben und der engen Beziehung zu Gott schöpfte. Als in den vergangenen Jahren die Tagebuchaufzeichnungen von Mutter Teresa auftauchten, konnte man auch von den Zweifeln und den Schwierigkeiten lesen, die Mutter Teresa beschäftigten. Doch ließ sie sich nicht beirren, hielt unerschütterlich fest an der Überzeugung, in den Ärmsten Christus zu begegnen.

Als Agnes Gonxha Bojaxhiu wurde Mutter Teresa am 27. August 1910 in Skopje geboren. Agnes, deren albanische Eltern katholisch waren, setzte ihren Wunsch durch, sich dem irischen Loretoorden anzuschließen, der in Indien missionierte. Schon mit achtzehn Jahren wurde sie nach Kalkutta an die St. Mary’s Highschool geschickt, wo sie schließlich jahrelang unterrichtete und auch die Leitung übernahm. 1936 legte Agnes die ewigen Gelübde ab und nannte sich Teresa nach der heiligen Thérèse von Lisieux.

Ein erschütterndes Berufungserlebnis bewog sie, dieses relativ komfortable Leben aufzugeben, um nur noch den Armen zu dienen. Papst Pius XII. entsprach ihrer Bitte um Exklaustrierung, sie durfte als Nonne außerhalb des Ordens arbeiten. Fortan lebte sie im Slumviertel Kalkuttas unter den gleichen Bedingungen wie die Bewohner, die oft ablehnend und misstrauisch waren. In Paris hatte sich Mutter Teresa einige medizinische Kenntnisse erworben und nach ihrer Rückkehr nach Kalkutta 1948 den Orden der Missionarinnen der Nächstenliebe gegründet. Unterstützt wurde Teresa bei ihrer unter schwierigsten Voraussetzungen zu leistenden Arbeit von vielen anderen Frauen, die unentgeltliche Hilfe anboten und sich nicht von schrecklichen Verstümmelungen und stinkenden Wunden abschrecken ließen. Der entscheidende Schritt aus dem komfortablen Kloster mit allen seinen Annehmlichkeiten mitten hinein in die Slums von Kalkutta konnte ihr mit Gottes Hilfe nur deshalb gelingen, weil sie lange harte Arbeit gewohnt war und über eine außergewöhnliche körperliche Konstitution verfügte. Im Kloster hatte sie jahrelang eine innere Unruhe gespürt, die genau im Gegensatz zu ihren dortigen nach außen hin abgesicherten Lebensverhältnissen stand. Die Frage nach Gottes eigentlichem Auftrag für sie beschäftigte Mutter Teresa immer mehr und ihre wahre Ruhe fand sie in dem rastlosen, anstrengenden Einsatz für die Ärmsten der Armen. Vom 10. September 1946, dem Tag ihrer Berufung in der Berufung, bis zum 2. Juni 1983, dem Tag einer schwereren Verletzung am Fuß in Rom, war sie ohne eine einzige Ruhezeit ununterbrochen tätig. Trotz des Leids und der erschütternden Armut, die sie umgab, verbreitete Mutter Teresa stets Fröhlichkeit angesichts schlimmsten Elends. Woher nahm sie die Kraft? Nur eine Antwort, unwidersprochen, glaubwürdig: „Nicht ich, Gott tut alles.“

Neben der notwendigsten Versorgung gehörte auch Bildungs- und Sozialarbeit zu den Aufgaben des Ordens. Nicht selten erntete Mutter Teresa auch Kritik – insbesondere wegen ihrer toleranten Haltung sowie ihres oft nachlässigen Umganges mit Vorschriften und hygienischen Vorbeugemaßnahmen. Beispielsweise konnten Menschen mit ansteckenden Krankheiten in den einfachen Häusern des Ordens nicht isoliert werden. Auf den Vorwurf, mit ihrem Einfluss nicht zu versuchen, die allgemeinen Lebensbedingungen in Indien zu verbessern, antwortete sie: „Ich bin nicht für den großen Weg, die Dinge zu tun. Worauf es uns ankommt, ist der Einzelne. Wir sind keine Krankenschwestern, wir sind keine Sozialarbeiter, wir sind Nonnen.“ Mutter Teresa handelte mit praktischem Verstand, wenn sie für ihre Armen Geld auftreiben musste. Als Paul VI. ihr 1964 bei einem Indienbesuch sein Luxusauto schenkte, machte sie eine Versteigerung, die den vielfachen Wert einbrachte. Das Galadiner zu ihren Ehren nach der Verleihung des Nobelpreises im Jahr 1979 lehnte sie ab und ließ sich den Wert auszahlen.

Im März 1997 übergab Mutter Teresa die Leitung des Ordens an ihre Nachfolgerin Schwester Nirmala. Am 5. September desselben Jahres starb sie in Kalkutta. In aller Welt trauerte man um die überzeugende Missionarin der Nächstenliebe. Zu ihren Ehren fand eine große Trauerfeier statt, an der Staatsoberhäupter aus aller Welt sowie hohe kirchliche Würdenträger teilnahmen. Karl Kardinal Lehman, damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, würdigte das Leben Mutter Teresas als „Zeugnis des Glaubens und Lebens für alle Hoffnungslosen“. Die Kraft für diese Aufgabe schöpfte sie ihren eigenen Worten zufolge aus dem Gebet. Hingabe an Gott und Liebe zum Nächsten gehörten für sie nahtlos zusammen. Am 19. Oktober 2003 wurde Mutter Teresa von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Beter, Mönche und Gelehrte

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