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Dialog und Scharfsinn: Philipp Melanchthon

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Als Philipp Melanchthon 1518 seine Antrittsvorlesung an der Universität zu Wittenberg hielt, löste sein Ruf „Zu den Quellen“ ein kleines Erdbeben aus. Der klein gewachsene und schmale Melanchthon hatte gerade die Griechisch-Professur angetreten. In den biblischen Quellen selbst zu forschen – und das auch noch in der Ursprache –, dies war für seine Kollegen der Ruf zur Revolution. Kein Wunder, dass sich Martin Luther und der erst 21 Jahre alte Philipp Melanchthon schnell nahekamen und nicht nur Freunde wurden, sondern sich gegenseitig ergänzten und stützten.

Melanchthon wurde als Sohn des Rüstmeisters Georg Schwarzerdt 1497 in Bretten geboren. Schnell wurde das außerordentliche Talent Philipps erkannt und konnte von der recht begüterten Familie auch gefördert werden. 1508 starben Vater und Mutter aber überraschend schnell hintereinander. Sein berühmter Verwandter Johannes Reuchlin nahm ihn auf und unterrichtete ihn in der Pforzheimer Lateinschule. Von ihm erhielt er auch die Übersetzung seines Nachnamens Schwarzerdt ins Griechische: „melanchthon“ bedeutet „schwarze Erde“. Bereits ein Jahr später begann Melanchthon mit gerade einmal 13 Jahren das Studium in Heidelberg, wechselte 1512 nach Tübingen, wo er die Magisterprüfung ablegte und an der Universität unterrichtete. Da Melanchthon als der beste Griechisch-Gelehrte seiner Zeit galt und die alten Sprachen perfekt beherrschte, erreichte ihn mit 21 Jahren der Ruf an die Wittenberger Universität, damals eine der modernsten in Europa.

Auch wenn er anfangs noch skeptisch war, wurde Martin Luther recht rasch enger Vertrauter und Freund Melanchthons. Melanchthon hatte bereits von Luther gehört und war auch nicht zuletzt seinetwegen nach Wittenberg gekommen. Sein Ziehvater und Lehrer Reuchlin, Humanist und den reformatorischen Ideen eher ablehnend gegen­überstehend, hatte ihn deswegen vor die Wahl gestellt: „Luther oder ich!“ Melanchthon entschied sich für Luther. Reuchlin enterbte ihn und vermachte ihm nicht seine weit über die Grenzen Deutschlands bekannte Bibliothek.

Melanchthons asketische Lebensweise blieb allerdings dem lebensfrohen und Genüssen durchaus zugewandten Luther suspekt. Er ermunterte den meist hinter Büchern sitzenden Melanchthon dazu, fröhlich zu sein und Gottes Schöpfung zu genießen. Und er sollte richtig versorgt werden: Luther brachte ihn 1521 schließlich dazu zu heiraten. Melanchthon sah diesen Schritt bis ins hohe Alter als „den größten Fehler“ seines Lebens an. Dennoch gingen aus der so ungeliebten Ehe mit Katharina Krapp drei Kinder hervor: Anna (1521), Philipp (1525) und Magdalena (1531). Melanchthons Interesse galt aber vorwiegend den Wissenschaften und der Bildung. Unermüdlich arbeitete er und trug dazu bei, der reformatorischen Bewegung Strukturen und theologische Kontur zu geben. In Kursachsen ordnete er die kirchlichen und schulischen Verhältnisse neu. Mit seinen profunden Sprachkenntnissen hatte er maßgeblichen Anteil an Luthers Bibelübersetzung.

Bei allem reformatorischen Eifer war Melanchthon stets bemüht, einen Konsens zu erreichen, und gab bis zuletzt nicht die Hoffnung auf, eine Kirchenspaltung verhindern zu können. „Wir sind zum Gespräch geboren“, war Melanchthons Lebensmotto. Und er bemühte sich beharrlich darum, seinen hitzköpfigen Freund Luther zu Gesprächen zu ermutigen und in vermeintlichen Streitpunkten einzulenken. Als Luther in Acht und Bann stand, vertrat ihn Melanchthon auf dem Augsburger Reichstag 1530. Dazu verfasste er das Augsburger Bekenntnis, ein Dokument der Einigung mit der katholischen Kirche und bis heute eine der wichtigsten evangelischen Bekenntnisschriften. Fast wäre es darüber zum Bruch mit Luther gekommen, der schließlich doch nachgab und die Freundschaft mit Melanchthon nicht verlieren wollte. 1546 starb Luther. Melanchthon wurde zur wichtigsten Person der Reformation.

Melanchthon war der Erste, der die evangelischen Glaubensüberzeugungen systematisch zusammenfasste. Seine „Loci communes“ von 1521, eine Dogmatik des evangelischen Glaubens, bilden bis heute eine wesentliche Grundlage evangelischer Theologie. In universeller Gelehrtheit hatte Melanchthon das gesamte Wissen seiner Zeit präsent und setzte sich unermüdlich für eine allgemeine Bildung in öffentlichen Schulen ein, was ihm den Titel des „Lehrers von Deutschland“ (praeceptor germaniae) einbrachte. Er beriet Städte bei der Gründung von Universitäten, stellte Lehrpläne auf, organisierte die Lateinschule neu als System von drei Klassen und gründete 1526 die erste evangelische Schule in Nürnberg. Bibelauslegung und das Erlernen des Katechismus bekamen in Schule und Universität einen neuen Stellenwert ebenso wie das Studium der alten Sprachen, der Geschichte und der Mathematik. Seine zahlreichen Lehrbücher für Rhetorik, Grammatik, Physik und Psychologie wurden für mehr als 200 Jahre Standardliteratur. Melanchthon erinnert die Kirche bis heute daran, dass der christliche Glaube eine fundierte Bildung für alle fordert und fördert. Melanchthon starb nach schwerer Krankheit am 19. April 1560. Seine letzte Ruhestätte hat er an der Seite seines Freundes Martin Luther in der Wittenberger Schlosskirche gefunden.

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