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Theologe zwischen Antike und Moderne: Augustinus

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Seinesgleichen habe es in der Antike und in der Kirchengeschichte nicht mehr gegeben, behauptete einst der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack. Tatsächlich hat Augustinus von Hippo wie kaum ein zweiter die Geistesgeschichte des christlichen Abendlandes mitbestimmt. Er sei das große Licht der westlichen Welt gewesen, das die Intelligenz Europas geprägt habe, sagte Kardinal Newman über den glänzenden Rhetoriker und Theologen aus Nordafrika. In Augustinus sehen viele Forscher den letzten antiken und den ersten modernen Menschen, der das antike philosophische Gedankengut mit dem christlichen Glauben ins Gespräch und auch in Beziehung brachte. Gleichwohl war der Weg des Theologen und Kirchenlehrers doch recht steinig und weit, bis er zum Glauben fand und zu einem der wichtigsten Kirchenlehrer wurde.

Durch die eigenen Schriften Augustins, insbesondere seine „Bekenntnisse“, weiß man vergleichsweise viel über das Leben und Denken des antiken Theologen. Er wurde im Gebiet des heutigen Algerien, in der kleinen Landstadt Thagaste, am 13. November 354 geboren. Seine Familie war angesehen in der Stadt. Augustins Mutter Monika war Christin und entstammte bereits einer christlichen Familie, der Vater Patricius hatte wohl keinen Zugang zum christlichen Glauben gefunden, bekämpfte ihn aber nicht. Der Vater war es, der für den aufgeweckten Augustinus eine große Karriere plante und dafür auch einige Opfer in Kauf nahm. Obwohl Patricius als Stadtrat von Thagaste nicht übermäßig wohlhabend war, investierte er gehörige Summen in eine profunde Ausbildung des Sohnes, um ihm eine Beamtenkarriere in der kaiserlichen Verwaltung zu sichern. Den Elementarunterricht erhielt Augustin in Thagaste selbst und fiel in diesen Jahren zunächst nicht durch besondere Leistungen auf. Griechisch schien ihm nicht zu liegen, und bis zum Schluss blieb ihm die Sprache fremd. Platon beispielsweise wird er selbst nie im Original gelesen haben. Er schulte sein Sprachvermögen vielmehr an Vergil, entwickelte eine große Liebe zum Theater und zu anderen lateinischen Dichtern. In der benachbarten Stadt Madaura setzte Augustin mit den Fächern Grammatik und Rhetorik seine Studien fort und entwickelte seine Talente. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Karthago. Dorthin schickte ihn der ehrgeizige Vater, obwohl für die teuren Studien des Sohnes die Mittel doch knapp wurden und er zeitweise zurück ins Elternhaus kommen musste. An der Rhetorikschule der Hafenstadt Karthago machte sich Augustinus schnell einen Namen. Er kostete alle Vorzüge und auch das freizügige Leben der Studenten gehörig aus. Mehrere Affären werden ihm nachgesagt, bis er mit 18 Jahren ein festes Verhältnis mit einer Frau einging, der er schließlich 14 Jahre die Treue hielt. Aus dieser Verbindung ging der Sohn Adeodatus („von Gott geschenkt“) hervor, der allerdings im Alter von 16 Jahren starb.

Immer wieder hatte die Mutter Monika versucht, ihren begabten Sohn vom christlichen Glauben zu überzeugen. Zeitweilig stand er auch auf Listen der Katechumenen, blieb dem Unterricht aber fern. Ihn faszinierte vielmehr die Welt der Manichäer, einer damals weit verbreiteten Sekte. Diese vorderasiatische Religion führte alles in der Welt auf den Kontrast zwischen Gut und Böse zurück. Sein Weg führte Augustinus weiter nach Rom, wo er als Rhetorikprofessor eine Anstellung fand, sich zunehmend von der Religion entfernte und sich mehr als areligiöser Skeptiker in der Tradition griechischer Philosophen sah. Im Jahr 384 wechselte Augustin die Hochschule und gelangte nach Mailand, wo er den bereits zu Lebzeiten legendären Bischof Ambrosius kennen lernte. Er besuchte dessen Gottesdienste und interessierte sich mehr und mehr für den Glauben. In einer Vision soll ihn schließlich ein Kind aufgefordert haben, zur Bibel zu greifen. Darin las er den Satz des Paulus: „Zieh an den Herrn Jesus Christus!“ Diese Vision führte ihm sein ganzes Leben vor Augen, das ihm plötzlich schäbig und unnütz vorkam. Jedenfalls ließ sich Augustin im Jahr 387 von Ambrosius taufen und machte anschließend einen radikalen Schnitt in seinem Leben. Er zog sich zurück und führte gemeinsam mit Freunden eine Art klösterliches Gemeinschaftsleben.

Schließlich kehrten sie zusammen nach Nordafrika zurück. Doch mehrten sich die Stimmen seiner Freunde, sein Talent nicht in der Einsiedelei zu vergraben, sondern für den Dienst in der Kirche einzusetzen. So wurde Augustin 391 zum Priester geweiht. Vier Jahre später erreichte ihn der Ruf zum Bischof von Hippo. Bis zu seinem Tod im Jahr 430 wirkte er in dieser Stadt als anerkannter Hirte und genialer theologischer Lehrer. Er übernahm schnell die geistige Führung der Kirche in Nordafrika, ja der gesamten westlichen Kirche. Sicherlich kam ihm neben seinem scharfen Verstand sein rhetorisches Talent zugute, das er glänzend einsetzte, um selbst schwierige Sachverhalte einfach und verständlich sowie mitreißend darzustellen. Augustinus schrieb keine dogmatischen Traktate, sondern entwickelte in Dialogen oder wie in den „Bekenntnissen“ sogar in Gebeten seine theologischen Gedanken. Augustin verstand es, die philosophische Tradition sowie die Gedanken seiner Zeit in seine Theologie fruchtbar einzubeziehen. Für ihn ist der christliche Glaube prinzipiell mit den Mitteln des Verstandes nachzuvollziehen. „Liebe die Vernunft sehr!“, lautete seine Devise, die er in zahlreichen Briefen immer wieder äußerte. Gleichzeitig eröffnete er philosophischen Denkern Wege zur Bibel, die er in seinen Schriften stets mit einbezog.

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