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Buch 1
Elftes Capitel.
Entdeckungen und Bekenntnisse

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Der Stoß hatte sich im ganzen Schiffe fühlbar gemacht und Pine, der eben dem letzten Meuterer die Eisen hatte umlegen lassen, errieth sogleich die Ursache.

»Gott sei Dank,« rief er, »da ist endlich eine Brise.«

Als der überwältigte Gabbett, blutend, geschunden und gebunden herunter gebracht wurde, eilte der Doktor auf Deck und sah, daß der Malabar durch schäumende Wellen mit einer Geschwindigkeit von fünfzehn Knoten die Stunde lief.

»Rafft die Topsegel! Zieht das große ein!« schrie Best vom Quarterdeck und mitten in der freudigen Bewegung erzählte Frere, was er erlebt, ohne daß er aber seiner kurzen Pflichtvergessenheit gedachte. Pine runzelte die Stirn. »Glauben Sie, daß sie mit in der Verschwörung war?«

»Nein, – « rief Frere eifrig und dachte daran, wie eine Nachforschung zu verhüten sei. »Wie kann sie dabei gewesen sein? Verschwörung! Sie liegt krank am Fieber, oder ich müßte mich sehr irren.«

Als sie in die Kajüte traten, fanden sie Sara noch auf derselben Stelle, wohin sie vor einer Viertelstunde gefallen.« Das Rasseln der Säbel, das Schießen, – nichts hatte sie erweckt.

»Wir müssen irgendwo eine Krankenstation machen,« sagte Pine und warf keinen freundlichen Blick auf die geschmeidige Gestalt. »Aber ich glaube nicht, daß sie sehr krank werden wird. Verdammt, sie ist doch die Ursache von Allem. Ich will es ausfindig machen, ehe einige Stunden vergangen sind. Den Kerls unten habe ich schon gesagt, wenn sie nicht Alles vor morgen früh gestehen, bekommen sie jeder sechs aufgezählt, ehe wir nach Hobart-Town kommen. Ich will es , wirklich thun, ehe wir Anker werfen. Fassen Sie sie am Kopf, Frere und wir wollen sie hinausbringen, ehe Vickers herauf kommt. Was für ein Narr sind Sie , Frere. Ich wußte, daß es solchen Unsinn geben würde, mit Weibern an Bord. Obwohl Mrs. Vickers schon früher eine Reise gemacht hat. – Halt, – jetzt durch die Thür. Was, Mann, man sollte denken, Sie hätten noch nie ein Mädchen im Arme gehabt. Sehen Sie nicht so entsetzt aus, ich will nichts weiter sagen. Schnell, schnell, ehe der kleine Pastor kommt. Die Pfarrer klatschen grade wie alte Weiber.«

So. vor sich hin murmelnd, trug Pine mit Frere’s Hilfe Mrs. Vickers’ Kammermädchen in ihre Kajüte.

»Bei George, sie ist ein schönes Geschöpf; sagte er und sah den leblosen Körper mit den Augen eines Wundarztes an. »Ich wundre mich nicht, daß Sie sich ihretwegen zum Narren machen. – Vielleicht sind Sie auch schon angesteckt vom Fieber, aber dieser Wind wird uns darüber forthelfen. Der alte Schafskopf der Blunt auch. Er sollte sich schämen in seinem Alter.«

»Was meinen Sie,« fragte Frere eifrig, denn er hörte , Jemand kommen. »Was sagt Blunt von ihr?«

»O, ich weiß nicht,« erwiderte Pine. »Er war auch verliebt, wie viele Andre.«

»Viele Andre?« wiederholte Frere mit affektierter Gleichgültigkeit.«

»Ja,« lachte Pine. »Nun, sie liebäugelte mit Jedem Mann auf dem Schiff. Ein Mal traf ich sie, wie sie einen Soldaten küßte.«

Maurice Frere’s Wangen glühten. Er, der erfahrene Wüstling, war betrogen, vielleicht verlacht und verspottet von ihr. Die ganze Zeit über hätte er sich mit dem Gedanken – geschmeichelt, daß er das schwarzäugige Mädchen bezaubert hätte und nun mußte er erfahren, daß sie ihn um den Finger gewickelt und ihn vielleicht zum Spaß für ihren Soldaten-Liebhaber noch geäfft hatte. Das war kein angenehmer Gedanke und doch, so merkwürdig es klingt, der Gedanke an Sara’s Verrätherei brachte ihn nicht zum Haß gegen sie. Es gibt eine Art von Liebe, wenn man es Liebe nennen will, die unter übler Behandlung noch wächst. Indeß fluchte er ihr doch mit einer Art von Empörung.

Vickers traf sie an der Thür.

»Pine, Blunt hat das Fieber. Mr. Best fand ihn stöhnend in seiner Kajüte. Kommen Sie und sehen Sie nach ihm.«

Der Kommandeur des Malabar lag in seiner Koje in der unglücklichen Lage, in die Männer gerathen, wenn sie in ihren Kleidern schlafen. Der Doktor schüttelte ihn, beugte sich über ihn und machte ihm den Kragen auf. »Er ist nicht krank,« sagte er. »Er ist betrunken! Blunt, wachen Sie auf, Blunt.«

Aber Blunt rührte sich nicht.

»Hallo, rief Pine, als er an dem erbrochenen Glase gerochen. »Was ist das ? Das riecht sonderbar. Rum? nein, – Laudanum! Bei Gott, man hat ihm einen Trunk gemischt.«

»Unsinn!«

»Ich verstehe,« rief er und schlug sich auf die Seite. »Das ist das Teufelsweib gewesen. Sie hat’s ihm gegeben und hat es wollen noch andern geben (hier traf ihn ein flehender Blick von Frere), wenn Andre Narren genug waren, sich von ihr bethören zu lassen. Dawes hat Recht, Herr. Sie ist mit in der Verschwörung. Ich will darauf schwören.«

»Was , meiner Frau Kammerjungfer? Unsinn!« sagte Vickers.

»Unsinn,« wiederholte Frere.

»Es ist kein Unsinn. Der Soldat, welcher erschossen ist, – wie heißt er gleich – Mi – Miles, er, – doch das ist ganz gleich. Es ist Alles jetzt vorüber.«

»Die Männer werden vor morgen früh gestehen,« sagte Vickers. »Dann wollen wir sehen.« Und damit ging er zu seiner Frau hinein.

Seine Frau öffnete ihm die Thür. Sie hatte an des Kindes Bett gesessen, hatte auf die Schüsse gelauscht und ohne zu murren, auf ihres Gatten Rückkehr gewartet. Leichtsinnig, oberflächlich und widerspänstig wie Julia Vickers war, hatte sie doch schon oft in Zeiten der Noth einen Muth gezeigt, der die Bewunderung Aller erregte. Obgleich sie bei jedem Buche gähnte, das über eine gewöhnliche Liebesgeschichte hinausging, jeden jungen Menschen zu bezaubern suchte, der fast ihr Sohn sein konnte, bei dem Anblicke eines Frosches kreischte und über eine Spinne aufschrie, so konnte sie doch Stunden lang in solcher Ungewißheit zubringen und dabei einen Muth entwickeln, wie ihn nur je ein starker Geist aufzuweisen hat.

»Ist Alles vorüber?« fragte sie.

»Ja, Gott sei Dank,« sagte Vickers, auf der Schwelle stehen bleibend. »Alles ist jetzt sicher, obgleich wir nur mit genauer Noth davon gekommen sind. Wie geht es mit Sylvia?«

Das Kind lag in seinem Bett, das blonde Haar über die Kissen hängend und die Hände ruhelos hin und her bewegend.

»Ein wenig besser, glaube ich. Aber sie hat viel gesprochen.«

Die rothen Lippen standen offen und die hellen blauen Augen starrten ohne Bewußtsein herum. Ihres Vaters Stimme schien sie etwas erregt zu haben, denn sie fing ein kleines Gebet an zu sprechen: »Gott segne Papa und Mama und Gott segne Alle auf dem Schiff. Gott segne mich und mache mich zu einem guten, kleinen Mädchen, um Christi willen, unseres Herren; – Amen!«

Der Ton der unschuldigen, betenden Kinderstimme, hatte etwas Rührendes und John Vickers, der noch vor zehn Minuten sein eigenes Todesurtheil unterschrieben hatte, um das Schiff zu retten, fühlte seine Augen sich mit Thränen füllen.

Der Gegensatz war merkwürdig. Mitten auf dem unendlichen Ocean, aus dem Gefängnis, worin Fieber herrschte, unter Dieben und Mördern hervor, weit weit vom Lande entfernt, wandte sich ein unschuldiges Kind voll Vertrauen an den Himmel.

* * *

Zwei Stunden später, als der Malabar, der soeben einer großen Gefahr entgangen, kräftig durch die schäumenden Wellen segelte gestanden die Meuterer durch ihren Sprecher James Vetch Folgendes:

»Es thue ihnen sehr leid und sie hofften, daß man ihnen das Vergehen gegen die Disziplin vergeben werde. Die Furcht vor dem Typhus habe sie dazu gebracht. Sie hätten keine Mitschuldigen, weder innerhalb noch außerhalb des Gefängnisses, aber sie fühlten sich doch bewogen, zu gestehen, daß derjenige, welcher die Meuterei geplant habe, Rufus Dawes ist.«

Der boshafte Krüppel hatte richtig geahnt, von wem die Anzeige, die zu dem Scheitern der Verschwörung geführt hatte, gekommen war und dies war seine sehr charakteristische Rache.

Deportiert auf Lebenszeit

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